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Karolin Schwarz: Hasskrieger

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 24.07.2020

Cover Karolin Schwarz: Hasskrieger ISBN 978-3-451-39670-0

Karolin Schwarz: Hasskrieger. Der neue globale Rechtsextremismus. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2020. 224 Seiten. ISBN 978-3-451-39670-0. D: 20,00 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 28,90 sFr.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Wer hasst, gibt die eigene Identität an Ideologien ab!

Die Auseinandersetzungen mit politischen, religiösen, ideologischen und gesellschaftlichen Radikalismen reichen von Warnrufen ob der menschenfeindlichen, machtdominanten Einstellungen bis hin zu Aufforderungen zur Aufklärung. Es sind Analysen über die lokalen, nationalen Entwicklungen bis hin zu Hab-Acht-Positionen wegen der globalen Verbreitung von rassistischen, ethnozentristischen, egoistischen und populistischen Ideen und Politiken (vgl. z.B. dazu auch: Thomas Greven/Thomas Grumke, Hrsg., Globalisierter Rechtsradikalismus? Die extremistische Rechte in der Ära der Globalisierung, 2006, www.socialnet.de/rezensionen/3708.php). Es sind Kampfbegriffe, die von Rechtsextremisten angewendet werden und zu abnormen und abweichenden Einstellungen führen (Bente Gießelmann, u.a., Hrsg., Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe, 2019, www.socialnet.de/rezensionen/​25964.php).

Entstehungshintergrund und Autorin

Die extreme Rechte als menschenfeindliche Ideologie ist mittlerweile längst global unterwegs. Sie ist vernetzt und kommuniziert nicht mehr nur auf geheimen, ab- und eingeschlossenen Wegen, sondern sie ist offen im Internet unterwegs. Mit ihren digitalen Agitationen organisiert und unterstützt sie die sichtbaren Erscheinungsformen ihrer Anhänger und rekrutiert sie.

Die Journalistin und Verhaltenstrainerin Karolin Schwarz setzt sich dafür ein, den rechtsextremen, rassistischen, populistischen Parolen, Desinformationen und Fake News in den sozialen Netzwerken Aufklärung und praktische Gegenpositionen entgegen zu setzen. Im Februar 2016 gründete sie das Aufklärungsnetzwerk Hoaxmap.org, mit dem sie gegen Falschmeldungen über Geflüchtete und nicht-weiße Personen vorgeht. Bei ihren vielfältigen Bemühungen ist ihr bewusst, dass die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich, ethisch, moralisch abweichenden Ideologien und Politiken immer dem Paradoxon unterliegt, dass sie möglicherweise auf der einen Seite damit die von den Rechtsradikalen angestrebte Sichtbarkeit und öffentliche Aufmerksamkeit unterstützt; andererseits gibt es zur Aufklärung und Bildung der Menschen nichts Besseres als Aufklärung und Bildung (siehe dazu auch: Jos Schnurer, Die Menschen motivieren, dass sie aufgeklärt und gebildet sein wollen! In: Pädagogische Rundschau, 3/2018, S. 363ff). Das Dilemma besteht darin, dass die lokalen und globalen Rechtsextremisten sich mittlerweile die vielfältigen medialen Möglichkeiten nutzbar machen: „Auf allen Kanälen schwören Akteure alter und neuer rechter Bewegungen ihre Anhänger (und Fake-Follower. JS) auf die Zukunft und den Kampf gegen all jene ein, die sie verabscheuen“.

Aufbau

Die Autorin gliedert ihre Studie in sechs Kapitel.

  • Im ersten informiert sie über die „Geschichte des Rechtsradikalismus im Internet“;
  • im zweiten nennt sie die „Akteure“;
  • im dritten zeigt sie die Strategien und Methoden auf, „Angst, Hass und Untergang nach Anleitung“ zu verbreiten;
  • im vierten wird die „Technik“ dazu vorgestellt;
  • im fünften „Terror“ thematisiert und
  • im sechsten Kapitel nimmt sie mit der Frage „Was tun?“ die individuellen und lokal- und globalgesellschaftlichen Anforderungen zur Aufklärung und zum Widerstand gegen Rechtsextremismus auf.

Inhalt

Es ist die notwendige Frage, die z.B. Bertolt Brecht in seinem Theaterstück „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ (1941) stellte: Ist der Schoß fruchtbar noch, aus dem es kroch? – Nationalismus, Faschismus, Rassismus und Verachtung der Menschenwürde! Und es sind die aktuellen Strategien der Rechtsextremisten, in immer wieder neuen Versuchen die Beobachtungs- und Abwehrbemühungen von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen gegen radikalisierte, politische Aktivitäten zu unterlaufen. Es sind manipulierte, für Uninformierte nicht immer sofort als rechtsradikale Auftritte erkennbare Social-Media-Plattformen, in denen ein Gebräu aus nationalistischen, antisemitistischen, antimuslimen und fremdenfeindlichen, sprachlichen und musikalischen Parolen angeboten wird. Es ist der Deckmantel der Erneuerung der Demokratie, unter dem sie abgeschafft werden soll. Ob als Parteien, wie etwa die NPD und AfD, als lose Zusammenschlüsse und Vereine, und als registrierte Internet-Auftritte von Followern und Influencern, die Verbreitung von rechtsradikalen Ideologien ist im globalen Netz ganz leicht möglich.

Am Beispiel von Strategie- und Handlungsanweisungen der AfD verweist die Autorin die Einflussnahmen der Parteistrategen auf nicht selten ahnungslose User. Das Beispiel der aktuellen Anti-Corona-Demonstrationen verdeutlicht die Absicht, Aufmerksamkeit und Anhänger aus den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu erreichen: Da werden zum einen die Euro- und Europaskeptiker angesprochen, die bürgerlich-konservativen Wertorientierten, Protestwähler, Nichtwähler, Verlierer und Prekariat. Hass und Gewalt gegen Andersdenkende, gegen Demokraten und Friedfertige, das sind die Leitlinien, die mit verschriftlichten und medialen Materialien im wahrsten Sinne des Wortes „hinausgebrüllt“ und „hingestampft“ werden. Dagegen anzugehen erfordert Kenntnis der Technologien, wie sie im globalen Netz zuhauf angewendet werden. Und es bedarf engagierter fachlicher und journalistischer Berichte und Analysen über für den normalen, alltäglichen Internetnutzer ansonsten kaum verfügbaren Informationen. Wer z.B. weiß Bescheid über „Gamergate“, einer Hasskampagne, die, wie die Autorin feststellt, „bis heute den Hass im Netz prägt“. Und wer macht sich Gedanken und dringt ein in die Netzwerke, die rechtsradikale Aktivitäten finanzieren und fördern? Etwa wenn es um die verschiedenen Spendenplattformen wie „Hatreon“ und andere, weltweit agierende Aufrufe geht. „Rechte Trolle“, sind das die bereits an ihrem äußeren Erscheinungsbild erkennbare rechtsradikale und rechtspopulistische Follower? Sind es Identitäre, die den Gartenzwerg am Eingang stehen und die Waffen im Schrank haben? Sind es unscheinbare, ideologisierte Schlipsträger, Banker, Kaufleute, Bundeswehrsoldaten und Gemeindepolitiker, die sich als Wirklichkeitsleugner wohl fühlen? Als Motive gelten dabei immer, was die Autorin als „Akzelerationismus“ benennt: „Viele Rechtsradikale glauben fest daran, dass der Kollaps der Gesellschaft bevorsteht“. Sie wollen diesen Wechsel herbeiprügeln, herbeibomben und mit martialischen Aufmärschen und Inszenierungen öffentlich sichtbar machen.

Fazit

Gegen Hass, rechtsradikale, rassistische und populistische Ideologie, Gewalt und Terror vorzugehen, ist humaner Auftrag für Demokraten. Es sind die individuellen Herausforderungen für die Verteidigung und Verwirklichung von tolerantem, menschenwürdigem Denken und Handeln. Notwendig sind Werte- und Normengebungen in allen zivilgesellschaftlichen und politischen Bereichen. Und es braucht Verantwortlichkeiten in der Ökonomie, bei den Konzernen und Medien. Es muss beunruhigen, was mittlerweile Meinungsbildungs- und Einstellungsforschungen herausgefunden wurde, dass nämlich ideologisch festgelegte, manipulierte und indoktrinierte Menschen nicht mehr oder kaum noch für Informationen und Faktenwissen erreichbar auf aufnahmebereit sind. Wir brauchen Expertinnen und Experten, die in der Lage sind, Vorder- und Hintergrundwissen über abweichende, menschenunwürdige Denk- und Verhaltensweisen aufzuzeigen und nach Wegen Ausschau zu halten, wie Verhaltensänderungen und Perspektivenwechsel möglich werden. Es ist nicht wenig zu raten, dabei bei sich selbst anzufangen und nicht mit dem Finger auf Rechtsextreme zu zeigen, oder gar wegzuschauen, sondern den mühsamen, intellektuellen Dialog zu suchen – weil es die einzig denkbare, demokratische Möglichkeit ist, ein gutes, gelingendes, menschenwürdiges Leben für alle Menschen auf der Erde zu erreichen!

Es ist eine Analyse, die den unverschämten Kakophonien und unmenschlichen, rassistischen Entgleisungen beim sozialen, kulturellen und interkulturellen Umgang der Menschen ein deutliches Stopp entgegensetzt!

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Es gibt 1667 Rezensionen von Jos Schnurer.


Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 24.07.2020 zu: Karolin Schwarz: Hasskrieger. Der neue globale Rechtsextremismus. Verlag Herder GmbH (Freiburg, Basel, Wien) 2020. ISBN 978-3-451-39670-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26718.php, Datum des Zugriffs 07.10.2024.


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