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Christine Zens, Gitta Jacob: Angststörungen

Rezensiert von Dr. Alexander Tewes, 30.11.2020

Cover Christine Zens, Gitta Jacob: Angststörungen

Christine Zens, Gitta Jacob: Angststörungen. 75 Therapiekarten. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2019. 75 Seiten.
EAN: 401-917210005-6 .

Thema

Die Reihe Kartensets für die Psychotherapie des Beltz-Verlags umfasst bereits diverse Publikationen. Beispielsweise seien hier die bereits auf socialnet rezensierten Veröffentlichungen zu folgenden Themen genannt:

  • Akzeptanz- und Commitment Therapie von Norbert Lotz
  • Kreative Techniken für die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie von Melanie Gräßer und Eike Hovermann jun.
  • Impact-Techniken von Gert Kowarowsky und Christina von Puttkamer

Während die oben genannten Veröffentlichungen überwiegend generelle oder spezifische Therapietechniken vorgestellt haben, werden hier Techniken die sich auf ein Störungsbild konzentrieren, vorgestellt. Dies ist in der Reihe bislang lediglich zu den Themenfeldern „Essstörungen“ (Wunderer, 2020) und „Zwangsstörungen“ (Külz, 2020) erfolgt.

Autorinnen

Christine Zens ist Diplom-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, und tätig am Institut für Schematherapie Hamburg. Zudem arbeitet sie als Dozentin, Supervisorin und Selbsterfahrungsleiterin in Verhaltenstherapie und Schematherapie

PD Dr. Gitta Jacob ist Psychologische Psychotherapeutin und Supervisorin für Verhaltenstherapie und Schematherapie. Nach langjähriger Tätigkeit an der Uniklinik und Universität in Freiburg ist sie seit 2013 leitende Psychotherapeutin bei GAIA in Hamburg. Sie hat verschiedene Bücher und andere Medien herausgegeben, ihre erschienenen Bücher zur Schematherapie wurden in mehr als 10 Sprachen übersetzt.

Aufbau und Inhalt

Wie bei allen Veröffentlichungen aus dieser Reihe des Belz-Verlages werden hier 75 Therapiekarten und ein beiliegendes Booklet im stabilen Pappschuber geliefert.

Die Therapiekarten sind auf der Vorderseite mit hochwertigen Bildern bedruckt, während sich auf der Rückseite die Anleitung zur jeweiligen Übung befindet.

Zu folgenden Modulen wurden Arbeitsmaterialien erarbeitet:

  1. Die Angst kennenlernen – Psychoedukation
  2. Die Angst einordnen – Diagnostik
  3. Die Angst verstehen – Motivation, Ziele, Funktionalität
  4. Sich der Angst stellen – Exposition und Konfrontation
  5. Die Angst bewältigen – Achtsamkeit und Stabilisierung
  6. Sicherer werden – Selbstwertstärkung und Ressourcenaufbau
  7. Sich vor zukünftiger Angst schützen – Rückfallprophylaxe

Diese Module entsprechen im Großen und Ganzen dem Aufbau einer (verhaltenstherapeutischen) Therapie einer Angststörung.

Die Autorinnen haben sich entschlossen, „viele kreative, erlebnisnahe und emotionsorientierte Übungen wie z.B. Imaginationen oder Stuhldialoge“ zu integrieren, da sie „dies im Kontext der Angstbehandlung immer wieder als sehr hilfreich erleben“ (S. 5). Die Bilder können im Rahmen der Psychoedukation oder auch als visueller Anker bei praktischen Übungen genutzt werden. Das Kartenset könne aufgrund seiner Flexibilität sowohl in der individualisierten Therapieplanung und -durchführung Anwendung finden. Allerdings weisen die Autorinnen auch darauf hin, dass die Nutzung der Karten „ganz generell keine intensive psychotherapeutische Ausbildung“ (S. 11) benötige, und sie somit „auch in der Beratung oder anderen niederschwelligen psychologischen Angeboten eingesetzt werden“ können (ebd.).

Im begleitenden 26-seitigen Booklet wird erläutert, wie mit den Karten gearbeitet werden kann. Sämtliche Karten werden im Überblick kurz dargestellt und Selbsthilfeliteratur und hilfreiche Adressen wird mitgeliefert.

Auch wenn die Autorinnen ihre Publikation im Sinne eines integrativen Therapieansatzes verstehen, wird deutlich, dass die Materialien vor allem aus den aktuellen Entwicklungen der kognitiven Verhaltenstherapie stammen.

Diskussion

Über die Qualität dieser Kartenreihe wurde in den anderen Rezensionen bereits umfassend geschrieben. Sie war hervorragend und ist es auch geblieben. Die Karten sind hochwertig gefertigt, die Bilder und Arbeitsmaterialien ebenfalls. Meine persönliche Lieblingskarte ist die Karte Nr. 65: „Etwas Verrücktes tun“. Hier werden sogenannte „shame-attack“-Übungen erläutert, in denen es darum geht, in öffentlichen Situationen etwas Peinliches zu unternehmen und zu erleben, dass die Scham vorübergeht und die Reaktionen von anderen längst nicht so negativ sind, wie befürchtet. So könne man zum Beispiel mit einem aufgeblasenen Schwimmring um den Bauch durch die Fußgängerzone gehen oder dort laut singen. Das dazu gelieferte Foto auf der Karte ist herrlich!

Auch wenn das Gesamtkonzept in sich schlüssig ist und wie bereits beschrieben dem Aufbau einer (Verhaltens-)Therapie entspricht, so ist doch herauszustellen, dass insbesondere das Modul 5 (Angstbewältigung und Stabilisierung) in der „klassischen“ Verhaltenstherapie so wohl kaum aufgenommen worden wäre. In dieser wurde noch davon ausgegangen, dass die Behandlung ausschließlich durch Konfrontation und Habituation (also „Gewöhnung“ an den Angstreiz) zu erfolgen habe. Entspannungs- oder Achtsamkeitsübungen seien nach diesem Verständnis eher dem Vermeidungsverhalten zuzuordnen und entsprechend nicht zu nutzen. Der aktuelle Forschungsstand zeigt jedoch, dass dies so nicht mehr stimmt (z.B. Bentz et al., 2009). Folgerichtig werden in den sogenannten Therapieverfahren der Dritten Welle der Verhaltenstherapie immer mehr entsprechende Techniken eingesetzt und es ist zu begrüßen, dass die Autorinnen dies hier ebenfalls umsetzen.

Insgesamt handelt es sich beim vorliegenden Kartenset also um eine hervorragende Ergänzung zu entsprechenden Therapiemanualen oder Lehrbüchern. Es wird insbesondere im Rahmen der praktischen therapeutischen Arbeit mit Menschen mit Angststörungen seine Anwendung finden.

Fazit

Wie alle Veröffentlichungen dieser Reihe hält auch diese den bisherigen hervorragenden Standard aufrecht. Das Kartenset eignet sich besonders zum unterstützenden Einsatz im Rahmen einer modernen verhaltenstherapeutischen Arbeit mit Menschen mit Angststörungen. Man darf auf neue Veröffentlichungen in dieser Reihe gespannt sein.

Rezension von
Dr. Alexander Tewes
Instituts- und Ausbildungsleiter LAKIJU-VT (Lüneburger Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie), Psychiatrische Klinik Lüneburg gemeinnützige GmbH im Verbund der Gesundheitsholding Lüneburg
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Es gibt 104 Rezensionen von Alexander Tewes.

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ISSN 2190-9245