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David Matusiewicz (Hrsg.): Think Tanks im Gesundheitswesen

Rezensiert von Dr. phil. Andreas Meusch, 30.10.2020

Cover David Matusiewicz (Hrsg.): Think Tanks im Gesundheitswesen ISBN 978-3-658-29728-2

David Matusiewicz (Hrsg.): Think Tanks im Gesundheitswesen. Deutsche Denkfabriken und ihre Positionen zu Zukunft der Gesundheit. Springer Gabler (Wiesbaden) 2020. ISBN 978-3-658-29728-2.

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Herausgeber

David Matusiewicz ist Professor für Medizinmanagement und Dekan für den Hoschulbereich Gesundheit und Soziales an der FOM Hochschule in Essen. Er ist Gesellschafter des Essener Forschungsinstituts für Medizinmanagement (EsFoMed GmbH) und unterstützt als Gründer bzw. Business Angel technologiegetriebene Start-ups im Gesundheitswesen. Matusiewicz ist in verschiedenen Aufsichtsräten (Advisory Boards) sowie Investor von Unternehmen, die sich mit der digitalen Transformation des Gesundheitswesens beschäftigen.

Entstehungshintergrund

Der Herausgeber nimmt Veränderungen in den Diskursstrukturen im Gesundheitswesen war, die durch Think Tanks ausgelöst werden, Organisationen die durch gesundheitspolitische, soziale und wirtschaftliche Konzepte und Strategien Einfluss auf die der Politikberatung im Gesundheitswesen und die öffentliche Meinungsbildung nehmen. Mit dem Buch will er „einen ersten Überblick“ geben (S. 6) und hat dazu über einen „Call for Abstracts“ um Beiträge zu dem Buch gebeten.

Aufbau

Neben dem Vorwort des Herausgebers besteht das Buch aus vier Teilen mit zusammen 26 Einzelbeiträgen, die von verschiedenen Autoren verantwortet werden. Jeder Einzelbeitrag enthält auch Informationen zu den Autoren und ein eigenes Literaturverzeichnis.

Inhalt

Der erste Teil „Einführung“ besteht aus drei Einzelbeiträgen. Die beiden Orthopäden Karl Friedrich Braun und Dominik Pförringer beschäftigen sich mit den Erwartungshaltung an Denkfabriken im deutschen Gesundheitswesen und fragen insbesondere, wie die Hürden des digitalen Wandels genommen werden können. 

Die Kommunikationsberaterin Katharina Daniels und die Personalmanagerin Karin Burtscher gehen in ihrem Beitrag „Think-Tank-Klinik“ der Frage nach, wie zukunftsfähige Unternehmenskultur, Sinngebung und innovatives Personalmanagement gelingen können.

Der Mediziner Wolf-D. Beecken analysiert schließlich in seinem Beitrag „Changes“ die Entwicklung der Digitalen Medizin im deutschen Gesundheitssystem aus ärztlicher Sicht.

Teil zwei des Buches ist den etablierten Think Tanks im Gesundheitswesen gewidmet und mit zehn Beiträgen der umfangreichste des Buches. Die meisten Beiträge stammen von Verantwortlichen aus den Organisationen. Boris Augurzky und Annette Kennel stellen die Stiftung Münch vor, die sich die Verbesserung der öffentlichen Gesundheitsversorgung zum Ziel gesetzt hat.

Der Unternehmensberater Ingo Horak beschreibt dann die Bertelsmann Stiftung als „Think and Do Tank“ und betont dabei deren wissenschaftliche Arbeitsweise (S. 65). Der Leiter des Ayinger Gesprächskreises, Alois G. Steidel, stellt diese Runde von Experten aus der Gesundheits- und Sozialwirtschaft vor, die sich insbesondere für eine Vertiefung der Europäischen Union einsetzt. Vom selben Autor stammt der folgende Beitrag, der den Club der Gesundheitswirtschaft (cdgw) vorstellt, der sich als „Netzwerk für Führungskräfte“ begreift (S. 73) und sich auf fünf unterschiedlich ausgerichteten Veranstaltungen im Jahr (S. 74) mit aktuellen gesellschaftlichen Themen befasst.

Thomas Breisach, Professor für Gesundheits- und Sozialmanagement in München stellt die „Stiftung Sight and Life“ vor, ursprünglich ein Arbeitskreis in einem Unternehmensbereich für Nahrungsergänzungsmittel (S. 80), der 2015 rechtlich unabhängig wurde von dem Konzerneigentümer DSM (S. 85). Diese „Denkfabrik für Nutrition“ (S. 86) setzt sich für eine „Veränderung der Ernährungs- und Verhaltensgewohnheiten“ (S. 83) ein.

Zwölf Autoren, die die Vielfalt seiner 223 Mitglieder (S. 93) zeigen sollen, stellen den Bundesverband Managed Care (BMC) als „Vernetzungsplattform innerhalb des deutschen Gesundheitswesens“ vor, die „den Wissens- und Kompetenzaustausch fördern“ soll (S. 90) und eine „patientenorientierte Versorgung“ anstrebt (S. 93).

Acht Autoren zeichnen dann für den Beitrag „Think Tanks in der Onkologie“ verantwortlich, die als „offene Kommunikations- und Netzwerksysteme“ mit dem Ziel einer „kontinuierlichen Verbesserung der Patientenbehandlung“ verstanden werden (S. 116). Der Expertenaustausch über Sektoren, Fachdisziplinen und Branchen hinweg sowie der offene und transparente Dialog mit der Industrie und Wirtschaft werden als wichtige Erfolgsfaktoren beschrieben.

Der Gesundheitsunternehmer Heinz Lohmann, Jörg F. Debatin, der den Experten Think Tank des Bundesgesundheitsministeriums (HIH) leitet, und der Geschäftsführer der IGW Dietmar Reese stellen die von ihnen geleitete „Initiative Gesundheitswirtschaft e.V.(IGW)“ vor, die sich aus einer „lockere Verbindung von innovativen Managern und Unternehmern“ entwickelt hat und der es um „gute Medizin zu bezahlbaren Preisen“ durch „Wettbewerb um Qualität und Effizienz“ geht (S. 119).

Der Allgemeinmediziner Mark Dankhoff, die Endokrinologin Elisabeth Steinhage-Thiessen und Michael Wirtz von der Adipositas Hilfe portraitieren "Im Puls", den Think Tank Herz-Kreislauf" (S. 129), der gegründet wurde, um die Öffentlichkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen zu sensibilisieren. Außerdem geht es dieser Plattform darum, "gemeinsam mit Akteuren aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Bewegung, Arbeit und Soziales, Rahmenbedingungen für bedarfsgerechte Aufklärungs-, Präventions- und Therapiemaßnahmen" zu entwickeln (S. 130).

Zwei Ärzte, eine Netzaktivistin sowie ein Autor und Blogger haben sich als Autorenteam zusammengetan für den Beitrag zum "Informationsnetzwerk Homöopathie" (INH), das sich als "homöopathiekritischer Think Tank" versteht. Diese "themenbezogene Interessenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit" (S. 145) will mit Aufklärung und Information von Verbrauchern, Verbänden und Entscheidungsträgern den "unakzeptable(n) Effekte(n)" (S. 144) dieses Therapieansatzes entgegenwirken.

Zehn Beiträge sind im dritten Teil "Next Generation Think Tanks im Gesundheitswesen" zusammengefasst. Der erste Beitrag stammt von dem Kinderarzt und Gründer von Flying Health Markus Müschenich und zwei seiner Mitarbeitenden. Sie stellen die 2014 gegründete Organisation als "Pionier der digitalen Medizin" dar sowie als "Think Tank und Ökosystem für "Next Generation Healthcare" (S. 157). Sie beschreiben ihre "Foresight" Methoden und kommen damit zu dem Ergebnis, dass es "in den nächsten Jahren die brutalen Änderungen der Wertschöpfungsketten im Gesundheitswesen" kommen wird (S. 168).

"Aus alten Gewohnheiten ausbrechen! Wer, wenn nicht wir?!" so überschreiben vier Autorinnen und ein Autor aus Organisationen der Betriebskrankenkassen (BKK) ihre "Denkfabrik BKK Young Talents" (S. 171). Sie ist eine Gruppe von jungen Mitarbeitenden aus dem BKK-System, die mit Impulsen der jungen Generation die "BKK Group … auf die Herausforderungen der Zukunft einzuschwören" will (S. 174).

"Einen Mehrwert für die Anliegen der jungen Generation im Gesundheitswesen schaffen" (S. 200), ist das Ziel der "Denkschmiede Gesundheit – junge Expertise für eine enkeltaugliche Politik", die die Ökonomin Luisa Tavera in ihrem Beitrag vorstellt. Die "Generationengerechtigkeitskämpfer" (S. 197) legen Wert auf einen "respektvollen Umgang mit den Etablierten des Systems" und wollen "als ansprechbarer Akteur erkannt werden und in diversen Landes- und Bundesgremien mitwirken" (S. 200).

Die drei Medizinstudierenden Julian Pascal Beier, Constanze Czimmeck und Sylvia Hartmann stellen unter dem Motto "Jung, studentisch, visionär" die Bundesvertretung der Medizinstudierenden als "Stimme der zukünftigen Ärzteschaft" vor. Diese vertritt 96.000 Medizinstudierende an deutschen Fakultäten mit dem Ziel, diese "untereinander zu vernetzen, ihre Interessen zu vertreten und den internationalen Austausch zu fördern" (S. 203).

Stafan Krojer, Mitarbeiter der Bredehorst Clinic Medical Management GmbH, stellt im 18. Buchbeitrag den Think Tank "Krankenhaus Einkauf 4.0" vor, der sich aus "einem kleinen Blog zum Thema Klinikeinkauf" zu einer "Community der Macher" entwickelt hat (S. 212). Einkäufer für Krankenhäuser können hier "aktuelle Probleme offen ansprechen, schnell und unkompliziert diskutieren und voneinander lernen" (S. 217).

Der Mediziner Mathias Krisam und die Wirtschaftswissenschaftlerin Rebecca Janßen stellen im nächsten Beitrag "läuft" vor, "die weltweit erste Beratung, die sich primär auf das Thema Nudging/Verhaltenswissenschaften und das Gesundheitswesen fokussiert" (S. 229). „Läuft“ berät Kunden, die mit Kommunikation ein bestimmtes Gesundheitsverhalten oder eine Verhaltensänderung hervorrufen wollen, "ohne dabei verbindliche Verhaltensvorschriften oder entscheidungsrelevante ökonomische Anreize zu setzen" (S. 219).

Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation im Gesundheitswesen (S. 234) ist der Hintergrund für die Initiative "Twankenhaus©", die vier junge Mediziner/innen in ihrem Beitrag als "Utopie" (S. 233) beschreiben. Sie verstehen sich als eine "multiprofessionelle Interessengemeinschaft", die mit "unkonventionellen und modernen Arbeitsweisen" eine Verbesserung des Gesundheitswesens erreichen will (S. 246).

Die Unternehmerin Sarna Röser, der Wirtschaftsprüfer Marius Henkel und der "Idealist, Infragesteller und Healthcare Rebell" (S. 259) Tobias Krick stellen anschließend "Healthcare Innovations – eine private Initiative zur Förderung von Innovationen im Gesundheitswesen" (S. 249) vor. Ziel dieses Unternehmens ist "die Identifikation und Förderung von Innovationen im Gesundheitswesen" dank eines erfahrenen Netzwerks (S. 250) anstreben.

Der Mediziner Henri Michael von Blanquet und seine Ehefrau Marion positionieren in ihrem Beitrag "SUENJHAID! The Health Captains – Navigating Medicine 4.0" das seit 2003 bestehende Netzwerk als „Kapitänsschule der Gesundheitswirtschaft“ und „Zukunftswerkstatt Gesundheitswesen“ (S. 261). Es steht für Leadership, Philantropie und Unternehmergeist und will als "strategische Netzwerkallianz" den Patientennutzen mehren (S. 276).

Von Blanquet, der Buchherausgeber Matusiewicz und der Ingenieur Ulrich Henning Pieper stellen im letzten Beitrag dieses Buchteils die "XPOMET – Innovation in Medicine" vor, die im Mai 2020 ein Insolvenzverfahren beantragt hat (S. 286), die Internetseite ist nicht mehr verfügbar. Im Artikel wird der Kongress als "Festival für die nächste Generation der Gesundheitswirtschaft" beschrieben auf dem alle relevanten Akteure aufeinandertreffen und Probleme gemeinsam zu lösen versuchen. (S. 280).

Die drei letzten Beiträge des Buches sind im Teil IV "Learnings aus dem Ausland" zusammengefasst.

Zunächst beschreibt der Zahnarzt und Unternehmensgründer Philipp Plugmann, unter der Überschrift "Globale Zukunftstrends in Health Care für die deutsche Wirtschaft nutzen" seinen Think Tank "Dr. Dr. Plugmann Consulting" (S. 291) und geht dabei ausführlich auf die eigene Expertise ein.

Mit den Herausforderungen der globalen Gesundheit und der Arbeit der Think Tanks in diesem Bereich beschäftigt sich der vorletzte Beitrag des Buches, für den der selbstständige Berater Mathias Bonk, der habilitierte Philosoph Ole Döring und der Professor für Globale Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit Timo Ulrichs verantwortlich zeichnen. Sie geben eine weltweite Übersicht über die in diesem Bereich tätigen Think Tanks und kommen in dem vor Ausbruch der Corona-Pandemie verfassten Beitrag bereits zu der Schlussfolgerung, dass in der globalen Gesundheit "kultur- und grenzüberschreitende Governance-Fragen" immer wichtiger werden (S. 321).

"Hacking Health: Eine globale Initiative mit vielen Gesichtern" (S. 325) ist der letzte Beitrag des Buches überschrieben. Die habilitierte Gynäkologin Maike Henningsen und der Neurowissenschaftler Joscha Hofferbert beschreiben darin eine "Community" die in 63 Chaptern in 16 Ländern organisert ist, die Institutionen, Firmen oder politischen Einrichtungen eine Plattform bieten will, um im Diskurs Problemlösungen zu finden. Auf Hackatons sollen Lösungsvorschläge bis hin zu Prototypen entwickelt werden, weshalb sich Hacking Health als "haptischen Think Tank" begreift (S. 334).

Diskussion

Es ist ein großes Verdienst des Herausgebers, dass er die Veränderungen in der Diskurslogik im Gesundheitswesen erspürt hat und dieser tektonischen Verschiebung in der Gesundheitspolitik mit dem Label „Think Tanks“ eine Struktur gibt. Ein zweites Verdienst gebührt dem Herausgeber: Bisher gibt es wenig systematisierende Literatur zu diesem Thema gibt und der Herausgeber kann deshalb mit gutem Recht in Anspruch nehmen, hier Neuland zu betreten. Der Ansatz, systematisierende Beiträge mit der Selbstdarstellung von Organisationen zu verbinden, die sich selbst als Think Tanks verstehen, ist für einen praktisch orientierten Zugang zum Thema gut geeignet. Allerdings sind die vorgestellten Institutionen so heterogen und die Auswahl für den Band so sehr durch Selbstselektion geprägt, dass deutlich wird, dass für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Think Tanks im Gesundheitswesen noch viel zu tun bleibt.

Fazit

Der Sammelband gibt einen ersten Einblick in das Thema Think Tanks im Gesundheitswesen und einer Reihe von Organisationen die Möglichkeit, sich selbst darzustellen.

Rezension von
Dr. phil. Andreas Meusch
Lehrbeauftragter an der Fakultät Wirtschaft und Soziales der Hochschule für Angewandte Wissenshaften (HAW), Hamburg,
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Es gibt 24 Rezensionen von Andreas Meusch.

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Zitiervorschlag
Andreas Meusch. Rezension vom 30.10.2020 zu: David Matusiewicz (Hrsg.): Think Tanks im Gesundheitswesen. Deutsche Denkfabriken und ihre Positionen zu Zukunft der Gesundheit. Springer Gabler (Wiesbaden) 2020. ISBN 978-3-658-29728-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26772.php, Datum des Zugriffs 10.11.2024.


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