Anabel Cornago: Praxis Frühförderung Autismus 3
Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 22.06.2020
Anabel Cornago: Praxis Frühförderung Autismus 3 Interaktion und Spiel. Strategien - Aktivitäten - Materialien. Autismus Hamburg e.V. (Hamburg) 2020. 228 Seiten. ISBN 978-3-947616-02-2.
Thema
Der dritte Band der Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“ befasst sich mit den Themen Interaktion und Spiel. Jede Interaktion bedeutet für Kinder eine potentielle Lerngelegenheit. Spielerisch werden grundlegende kommunikative, soziale, motorische und kognitive Kompetenzen entwickelt und verbessert, Kompetenzen, die Kinder ein Leben lang begleiten.
Autorin
Anabel Cornago lebt in Hamburg und ist Mutter eines autistischen Sohnes. Sie ist Journalistin und Autorin. Ihr Thema ist der frühkindliche Autismus. Als Referentin arbeitet sie im deutsch- und im spanischsprachigen Raum. Cornago hat mehrere Bücher veröffentlich und schreibt Blogs, in dem sie Informationen und Arbeitsmaterialien veröffentlicht. Sie gehört neben Hermann Cordes und Prof. Dr. Röttgers zum Vorstand des Institut für Autismusforschung (IFA) in Bremen.
Entstehungshintergrund
Der Verein Autismus Hamburg ist ein Zusammenschluss von Eltern mit Kindern, die unter den Bedingungen von Autismus leben. Gegründet wurde er 2009 mit dem Ziel, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und die Lebensgestaltung von Menschen mit Autismus und deren Angehörige zu verbessern. Der Verein hält ein breit gefächertes Informations- und Unterstützungsspektrum bereit wie z.B. Information und Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung. Das Buch ist Bestandteil der dreiteiligen Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist im DIN A 5 Softcover Format erschienen und hat einen Umfang von 226 Seiten, die sich in fünf Kapitel und zahlreiche Unterkapitel untergliedern. Die Seiten sind gut strukturiert, am oberen Rand befindet sich die jeweilige Kapitelüberschrift. Zahlreiche Zwischenüberschriften, Fotos und eingestreute Zitate gliedern den Text und lockern ihn auf. Vielfältige Symbole ergänzen die Erklärungen wie z.B. steht ein Schraubenschlüssel für ein Werkzeug, es gibt Infoboxen und mit einem „V“ sind Grundübungen gekennzeichnet. Zudem gibt es Übungen für Kinder mit und ohne Lautsprache. Unter der Rubrik „Do it yourself“ finden sich sensorische Lernspiele, dann gibt es noch orange unterlegte Textboxen-Sprechblasen, die Vorschläge zur verbalen Einleitung und Begleitung von Interaktionen enthalten. Sie sind in der Du-Form formuliert, sodass sie direkt übernommen werden können.
Strategien und Tools
- Sensorische Spiele
- Initiative Wecken
- Funktionales Spiel
- Fantasiespiel
- Mit anderen Kindern spielen
Quellen und weiterführende Literatur
Bei den Strategien und Tools werden 11 grundlegende Werkzeuge benannt. Bedeutsam ist z.B. eine gute Beobachtung, um das Kind kennenzulernen und herauszufinden, was von Interesse ist und was stört. Wichtig ist zudem, individuelle Wahrnehmungsbesonderheiten zu kennen und herauszufinden, welches die bevorzugten Sinneskanäle sind. Bewährt hat sich, dieses Wissen in einem Steckbrief zusammenzufassen. Weitere grundlegende Werkzeuge sind eine reizarme strukturierte Umgebung, Motivation, das Herstellen von Kontakt, das Herstellen von Orientierung oder das Einbetten in Alltagssituationen. Jedes Werkzeug wird kurz vorgestellt, erläutert und mit Beispielen der Anwendung unterfüttert (S. 22–39).
Den Einstieg bilden im ersten Kapitel sensorische Spiele, die die einzelnen Sinneskanäle ansprechen wie z.B. Klatsch- und Kitzelspiele, Wippspiele auf dem Schoss, Kuckuck-Spiele oder interaktive Kinderlieder. Die Spiele werden sprachlich begleitet, was parallel die Sprachentwicklung fördert. Vor den jeweiligen Spielanleitungen und Tipps werden Ziele und Strategien erklärt.
Das Wecken von Initiative (Kap. 2) hat in Bezug auf die geteilte Aufmerksamkeit zwei Komponenten: Reaktion und Initiative. Die erste Komponente wurde im ersten Kapitel eingehend dargestellt. In diesem Kapitel steht die Kompetenz Initiative im Mittelpunkt. Im Alter von 18 Monaten sind Kinder in der Regel in der Lage, andere Personen auf die Gegenstände der Umwelt aufmerksam zu machen und sie aktiv in das Spiel mit einzubeziehen. Diese Fähigkeit ist bei Kindern, die unter den Bedingungen von Autismus leben, nicht vorhanden. Schwierigkeiten damit ist ein Merkmal, das auf das Autismus Spektrum hinweist.
Durch das funktionale Spielen (Kap 3) lernen Kinder Objekte wie z.B. Spielzeuge oder Alltagsgegenstände entsprechend ihrer Funktion zu verwenden. Sie erwerben motorische und kognitive Fähigkeiten, sie lernen zu ordnen und zu planen und auch die Kreativität ist dabei. Es folgen viele Beispiele von Spielmöglichkeiten unter den Perspektiven „organisierendes Spiel“ und „Konstruktionsspielen“. Viele Kinder aus dem Autismus-Spektrum haben Schwierigkeiten, sich auf verändernde Situationen einzulassen. Im Unterkapitel „Was tun wenn…“ werden verschiedene Lösungsansätze aufgezeigt z.B. wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu wecken oder das Kind immer dasselbe spielen will.
Im vierten Kapitel mit der Überschrift „Fantasiespiel“ werden das Symbolspiel, das Fiktionsspiel, das Rollenspiel und „komplexe Szenen“ unterschieden. Zu den jeweiligen Spielarten werden Beispiele genannt.
Das Buch schließt mit dem letzten Kapitel fünf mit dem Titel „Mit anderen Kindern spielen“. Im ersten Schritt werden Interaktionen mit andern Kindern eingeleitet, es folgen kooperative Spiele wie z.B. mit einem Schwungtuch oder Kugellabyrinth und Regelspiele wie den Stopp-Tanz oder das Rasen-Bowling. Den Abschluss bilden Gedanken zum Spielverhalten z.B. wie es gelingt, andere Kinder zum Spielen aufzufordern oder warum es wichtig ist, die eigenen Spielsachen zu teilen.
Diskussion
Band 3 dieser Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“ enthält eine Fülle an Strategien, Aktivitäten und Vorschlägen für Spielvariationen. Sie sind dazu geeignet, die Interaktion mit Kindern im Autismus-Spektrum einzuleiten und zu stimulieren. Viele Tipps und kreative Ideen für Spiele sorgen für Motivation und Spaß. Ziel ist im ersten Schritt die Interaktionen mit erwachsenen Bezugspersonen und im zweiten Schritt die Interaktion mit anderen Kindern zu initiieren. Beim Spielen können Kinder grundlegende kognitive, motorische, kommunikative und soziale Fähigkeiten lernen.
Spielen ist eine soziale Aktivität, die Förderung beginnt mit einer 1:1 Spielsituation, also ein Kind zu einem Erwachsenen, die Anzahl der Mitmachenden wird dann sukzessive erweitert. Cornago hat gemeinsam mit ihrem Sohn Erik viel gelernt, seine Disposition, sein Verhalten und seine Reaktionen haben sie veranlasst, Strategien, Aktivitäten und Spiele zu sammeln und zu entwickeln. Erik war oft unruhig, viele dieser Spiele haben geholfen, Schwierigkeiten zu bewältigen und eine bessere Interaktion aufzubauen. Kurze Texte erklären ohne Verwendung von Fremdworten, was die Lesbarkeit deutlich erhöht. Die direkte Ansprache „Du“ vermittelt Nähe und lädt ein, die gut aufbereiteten Anregungen einfach auszuprobieren.
Fazit
Der dritte Band der Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“ befasst sich mit den Themen Interaktion und Spiel. Jede Interaktion bedeutet für Kinder eine potentielle Lerngelegenheit. Spielerisch werden grundlegende kommunikative, soziale, motorische und kognitive Kompetenzen entwickelt und verbessert, Kompetenzen, die Kinder ein Leben lang begleiten. Texte und Layout sind ansprechend gestaltet. Es besteht die Möglichkeit, im Buch hin und her zu blättern. Sehr ansprechend sind die kleinen gezeichneten Figuren. Es finden sich viele praxisnahe Anregungen für die Förderung von Kindern aus dem Autismus Spektrum.
Alle drei Bände beziehen sich aufeinander, es wird angeregt, die Inhalte zu kennen, das ist aber keine Voraussetzung zum Verstehen und Nachmachen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Zitiervorschlag
Petra Steinborn. Rezension vom 22.06.2020 zu:
Anabel Cornago: Praxis Frühförderung Autismus 3 Interaktion und Spiel. Strategien - Aktivitäten - Materialien. Autismus Hamburg e.V.
(Hamburg) 2020.
ISBN 978-3-947616-02-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26794.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.
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