Andreas Knuf: Umgang mit Gefühlen in der psychiatrischen Arbeit
Rezensiert von Anna-Lena Mädge, 07.08.2020

Andreas Knuf: Umgang mit Gefühlen in der psychiatrischen Arbeit.
Psychiatrie Verlag GmbH
(Köln) 2020.
160 Seiten.
ISBN 978-3-88414-955-3.
D: 20,00 EUR,
A: 20,60 EUR.
Reihe: PraxisWissen - 6. .
Thema
Der Band der Reihe Praxiswissen thematisiert den Umgang und die Bedeutung der Arbeit mit Gefühlen in der alltäglichen psychosozialen Versorgung. Besonders in der psychiatrischen Arbeit spielen Gefühle eine wichtige Rolle für die Techniken vermittelt werden, mit welchen die Fachkräfte ihre Klient*innen in der Bewältigung belastender Gefühle unterstützen können.
Autor
Andreas Knuf ist Psychologischer Psychotherapeut mit eigener Praxis. Seine Publikationsschwerpunkte umfassen Themen wie Borderline, Empowerment und Achtsamkeit.
Entstehungshintergrund
Es ist das erste Fachbuch mit dem thematischen Schwerpunkt „Gefühle“ das im Psychiatrie Verlag erscheint. Den obwohl Gefühle einen zentralen Faktor für Genesungsprozesse darstellen öffnet sich die psychiatrische Arbeit erst langsam für diese Thematik und in der Ausbildung wird sie bisher geringfügig thematisiert.
Aufbau und Inhalt
In der Einleitung stellt der Autor zunächst dar, welche gesellschaftlichen Haltungen dazu führten, dass Gefühle in der psychiatrischen Arbeit kaum thematisiert werden und welche Bedeutung sie für die alltägliche Arbeit Fachkräfte und die Genesungsprozesse der Klientinnen haben.
Das erste Kapitel Hinführung behandelt die Mechanismen der Gefühlsunterdrückung im gesellschaftlichen und psychiatrischen Kontext sowie den daraus resultierenden dysfunktionalen Umgang mit Gefühlen. Begleitet werden die Darstellungen von Fragestellungen, die reflektierende Prozesse ermöglichen, Lerngeschichten und Fallbeispiele. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Auseinandersetzung mit der Gefühlswelt der Praktiker*innen in der die Bedeutung der Arbeit mit Gefühlen verdeutlicht wird.
Die beiden anschließenden Kapitel Gefühle besser verstehen und Welche Arten von Gefühlen gibt es? erklären, welche Funktionen Gefühle für uns haben, wie sie verlaufen und die Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Gefühlen. Hierbei werden durch Praxisbeispiele immer wieder Brücken zwischen dem theoretischen Hintergrund und der praktischen Arbeit gebaut. Verdeutlicht wird besonders, dass es Gefühle gibt, die auf vergangenen Erfahrungen beruhen, dies von den Klient*innen jedoch häufig nicht unterschieden werden kann. Unterschieden wird, in welchen Bereichen sozialpsychiatrische Fachkräfte, mit Zusatzausbildungen, unterstützen können und wo Überleitungen in therapeutische Behandlungen sinnvoll wären.
Mögliche Unterstützungen durch Fachkräfte werden im Kapitel Wie können Klienten beim Umgang mit Gefühlen unterstützt werden? dargestellt. Fachkräfte sind Vorbilder für Klient*innen im Umgang mit Gefühlen und gestalten maßgeblich das institutionelle Klima in welchem im Idealfall in offener und annehmender Art mit Gefühlen umgegangen wird. Sie können durch (gezielte) Gesprächsangebote die Klient*innen dazu anregen sowie darin unterstützen sich mit den eigenen Gefühlen auseinanderzusetzen und dadurch Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden. Wie dies beispielsweise mit dem Einsatz von Psychoedukation gelingen kann und die Klient*innen hierdurch ein Notfallhandling für Krisensituationen entwickeln können wird ebenso thematisiert.
Das Kapitel Umgang mit verschiedenen Gefühlen stellt Angst, Scham, Trauer und Traurigkeit, Ärger und Freude dar. Hierbei wird besonders auf diese Gefühle im psychiatrischen Kontext eingegangen, wann sie von Klient*innen erlebt werden und wie Fachkräfte den konstruktiven Umgang mit diesen Gefühlen unterstützen können. Hierbei wird auch immer wieder das Reflektieren der eigenen Gefühle der Leser*innen angeregt.
Vertieft wird die im Buch durchgängig angeregte Reflexion der eigenen Gefühle im abschließenden Kapitel Wie können Helfende gut mit ihren eigenen Gefühlen umgehen? Es wird zunächst auf die Auslöser für Gefühle bei Fachkräften eingegangen und nachfolgend dargestellt welche, oftmals negative, Wirkung professionelle Distanz oder eine starke empathische Begleitung von Klient*innen haben können. Gefühle die bei Helfenden im Arbeitskontext entstehenden, für sie aber zumeist unangenehm sind wie Ekel und Ärger werden erklärt und die Bedeutung einer Auseinandersetzung mit diesen Gefühlen durch Unterstützung von Praxisbespielen verdeutlicht. Abschließend wird darauf eingegangen, wie Fachkräfte Gefühle während und nach Klient*innenkontakten besser wahrnehmen können sowie wie Supervision diese Prozesse unterstützen kann.
Diskussion
Das Buch zeichnet sich durch eine klare Struktur aus, die anhand der sechs thematisch überleitenden Kapitel deutlich wird. Begleitend zur theoretischen Auseinandersetzung wird durch die begleitenden Praxisbeispiele und Anregungen zur Reflexion eine Übertragung der Inhalte in die praktische Arbeit unterstützt. Der gut strukturierte Aufbau des Buchs ermöglicht es den Leser*innen, die theoretischen Grundlagen auf die praktische Tätigkeit zu übertragen und sich mit dem eigenen Umgang mit Gefühlen auseinanderzusetzen. Zudem wird die starke Bedeutung von Gefühlen besonders im sozialpsychiatrischen Setting für die Genesung von Klient*innen und Stabilität von Fachkräften dargestellt, wodurch der Band eine gelungene Einführung in die Thematik darstellt.
Vermisst habe ich lediglich im Umgang mit verschiedenen Gefühlen die Liebe. Aus meiner Sicht stellt sie eines der großen Gefühle dar und ist im sozialpsychiatrischen Kontext immer wieder ein relevantes Thema, besonders, wenn Klient*innen sich mit verschiedenen Formen der Liebe auseinandersetzen. Die Schwierigkeiten und Herausforderungen der romantischen Liebe sind in der Begleitung ebenso Thema wie die platonische Liebe und sollten darum Raum erhalten.
Sehr positiv ist, das auch Psychopharmaka und Gefühle thematisiert werden, da eine medikamentöse Behandlung viele Klient*innen begleitet. Aus meiner Sicht wäre hier noch unterstützend zu erwähnen, dass es sich lediglich um einen Einblick handelt, da die Thematik sehr umfassend ist und viele Aspekte beinhaltet.
Fazit
Es handelt sich um ein äußerst lesenswertes Buch, das hoffentlich den Anfang einer vertiefenden Auseinandersetzung über die Arbeit mit Gefühlen in sozialpsychiatrischen Settings zur Folge hat.
Rezension von
Anna-Lena Mädge
M. A. Soz.Päd./Soz.Arb.
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Es gibt 23 Rezensionen von Anna-Lena Mädge.