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Friederike Höher: Menschliche Resilienz in Unternehmen

Rezensiert von Ulrike Ziemer, 19.06.2020

Cover Friederike Höher: Menschliche Resilienz in Unternehmen ISBN 978-3-8474-2389-8

Friederike Höher: Menschliche Resilienz in Unternehmen - Dialog als Ressource. Grundlagen und Methoden auch für die agile Arbeitswelt. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2020. 2. ü.a. Auflage. 355 Seiten. ISBN 978-3-8474-2389-8. D: 34,90 EUR, A: 35,90 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Thema

Das Fachbuch betrachtet neue Wege der Zusammenarbeit in Unternehmen. Der Dialog innerhalb von Organisationen und Teams, sowie der individuelle Dialog wirken als Ressource und unterstützen die Agilität in Unternehmen. Frau Höher greift bekannte Themenbereiche auf und entwickelt den Ansatz der „Dialogischen Resilienz“.

Autorin

Frau Dr. phil. Friederike Höher ist in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen unter anderem als Bildungsreferentin, Supervisorin, MBRS-Meditationslehrerin und Dialogprozessbegleiterin tätig. Sie leitet Veränderungsprojekte und Einzel- und Teamcoachings an.

Entstehungshintergrund

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um die zweite, überarbeitete Auflage. Die Autorin hat ihre Ausführungen um neue Entwicklungen ergänzt, sowie Praxisbeispiele und Literaturangaben überarbeitet.

Aufbau und Inhalt

Das Fachbuch von Friederike Höher enthält 8 Kapitel mit entsprechenden Unterpunkten. Sie betrachtet die Dimensionen Resilienz und Dialog in Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven. Das Buch ist in acht Kapitel gegliedert, Unterkapitel strukturieren die Gedankengänge.

1. Zur Einführung: Das Buch, sein Anliegen und der systemische Hintergrund

Dialog ist mehr als ein Aspekt. Durch den Dialog ist es Menschen möglich ihrem Denken auf den Grund zu gehen. Frau Höher zählt vier Punkte auf, die den Dialog ausmachen:

  1. Ethische Haltung
  2. Fähigkeit
  3. Beziehung und Beziehungsqualität
  4. Struktur für Gruppen und Teams: der Kreis.

Die Kernfrage, die das Buch durchzieht, ist „Welchen Beitrag liefert der Dialog als Haltung, Fähigkeit, Beziehung oder Struktur zur Resilienz von Menschen und zukunftsfähigen Unternehmen?“ Die eigentliche Quelle für Resilienz liegt in der wertschätzenden Beziehung zu unserem Körper und zu unserer Biografie, sowie in der Kommunikation zwischen Ich, Wir und Umwelt. Der systemische Hintergrund des Werkes wird mit Hilfe von sechs Thesen beschrieben.

2. Zu den Quellen dialogischer Arbeit: Lust auf Philosophie?

Frau Höher lädt die LeserInnen zum Denken ein um gemeinsam den philosophischen Hintergrund des Dialoges zu entdecken. Die Theorien von David Bohm, Martin Buber und Sokrates prägen die Inhalte der Unterpunkte.

3. Ein Ausgangspunkt: Der resiliente Mensch – in Beziehung

Die Auseinandersetzung mit der persönlichen Biografie und den individuellen Ressourcen hilft sich an den eigenen Fähigkeiten zu orientieren. Ziel ist, es sich besonders in schwierigen Zeiten an seinen Stärken orientieren zu können. Resilienz ist die Fähigkeit Schwierigkeiten zu bewältigen und anschließend mit einer neuen Stärke das Leben zu gestalten. Damit dies gelingen kann, sind soziale Beziehungen die von Vertrauen und Wertschätzung geprägt sind erforderlich. Aaron Antonovsky (1923 – 1994) untersuchte, was Menschen gesund macht (Salutogenese). Systemtheoretische Gedanken und der Begriff der Kohärenz prägten seine Forschung. Kohärenz als kognitive und affektiv-emotionale Einstellung zeigt sich durch die Verstehbarkeit einer Situation, die Handhabbarkeit der Schritte und der Sinnhaftigkeit des Tuns. Das Stressmodell des Psychologen Richard Lazarus wird mit Hilfe eines Schaubildes erläutert. Daraus ergeben sich konkrete Schritte für Interventionen von Coaches. MBSR (Achtsamkeitsbasierte Stressbewältigung) ist eine weitere Methode im Bereich der Stressbewältigung. Das eher statische Model der „Sieben Säulen der Resilienz“ wird hier mit Hilfe einer Naturmetapher, als Blume mit sieben Blütenblättern, dargestellt:

  • Loslassen
  • Lernen
  • Netzwerke und Beziehungen pflegen
  • Akzeptieren was ist
  • Verantwortung übernehmen
  • Sich der Zukunft öffnen
  • Sinn erzeugen

In der Mitte, als Fruchtknoten, steht die Resilienz, Dialog und Resonanz bilden die Wurzeln. Wie stark Ressourcen vorhanden und auch sinnvoll genutzt werden können wandelt sich im Laufe des Lebens.

4. Ein Kontext: Die resiliente Organisation in VUKA-Zeiten

VUKA ist ein Akronym und setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Worte Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz zusammen. Der Begriff beschreibt die Situation der aktuellen beruflichen Welt. Die Arbeitswelt 4.0 ist auf die Resilienz angewiesen. Dialogische organisationale Resilienz wird in diesem Kapitel anhand der Naturmetapher Wald erläutert. Lernen in Organisationen vollzieht sich in Beziehungen, in der Kommunikation mit dem Umfeld und den Mitmenschen. Daraus ergeben sich vier Dimensionen, die für die Selbstreflexion und das Coaching genutzt werden können:

  • Innen- und Außensicht des Systems
  • Individuum
  • Kollektiv.

Die Leitgedanken der organisationalen Resilienz (organisationale Achtsamkeit, Sozialkapital, Organisationslernen) werden nun mit den Gedanken der Agilität verbunden.

5. Der Weg: Schritte in eine dialogische Unternehmenskultur

Dialogische Organisationskultur in Unternehmen zu realisieren erfordert viele Aspekte, aber vor allem die Bereitschaft von Führung sich auf Dialoge und Kollegialität einzulassen. „Führung ist Ausdruck der Kultur eines Unternehmens, zugleich aber auch maßgeblich verantwortlich für sie.“ (Bernhard Badura).

Die Faktoren Coaching, Mentoring und das Kreisparadigma zur dialogischen Organisationsentwicklung werden in diesem Zusammenhang mit theoretischen Hintergründen und Praxisbeispielen erläutert. Damit Unternehmen auch in Krisen auf den Dialog in Besprechungen und Meetings zurückgreifen können, ist es wichtig diesen stabil zu verankern und zu fördern.

6. Die Perspektive: Dialog in agilen Kreisstrukturen

Dialogische Handlung kombiniert mit dem erforderlichen Handwerkszeug alleine genügt nicht. Es ist erforderlich, in Unternehmen neue Formen der Kommunikation zu üben. Die Betrachtung und Gestaltung der Organisation als Raum für Dialog ermöglicht eine neue Art von Denken und unterstützt Empathie, Offenheit, Verständnis und Innovation.

7. Der Kreis: Die Essens des Dialogs in der Anwendung

Der geschlossene Kreis ist ein uraltes Sinnbild für das Ganze und das Unbegrenzte. Als Sitzordnung ermöglicht der Kreis neue Perspektiven. Die Kreismitte hat hierbei eine besondere Bedeutung. Zur Methode des Dialoges gehört häufig ein Gegenstand (Sprechgegenstand) der dem jeweiligen Besitzer Rederecht verleiht und ein in der Mitte platziertes Klangobjekt. Die Regeln für den Einsatz der Objekte werden vorab festgelegt.

8. Das Experiment. Übungen von Selbst und Einzelcoaching bis zu Peers und großen Gruppen

Das achte und letzte Kapitel des Buches enthält ausführlich erläuterte praktische Übungen und Anleitungen zu den Themenfeldern:

  • Achtsamkeits-, Reflexions- und Coaching Übungen z.B. Sinnesspaziergang, Erkenntnisbuch, Drei D- Skulptur
  • Dialogische Verfahren für Tandems z.B. Das Zwiegespräch – Pairing, Achtsamkeitsdyade
  • Dialogbasierte Verfahren für Teams z.B. Der Wald, Zukunftswerkstatt, Dialogische Fallarbeit

Diskussion

Frau Höher bietet mit Ihrem Buch eine große Schatzkiste mit Wissen und praktischen Anleitungen an. Das Buch ist so aufgebaut, dass es dem Leser viel Freiheit lässt. Grundlagen können angefangen von philosophischen Gedanken über Begriffsklärungen und die Herstellung von Zusammenhängen neu entdeckt, wiederholt und gefestigt werden. Entscheidend für das Verständnis ist nicht, das Buch in seiner sinnvollen Ganzheit durchzuarbeiten, sondern sich kreativ und dialogisch mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Hierbei wird die Bedeutung des Dialogs nicht überhöht, es werden vielmehr Voraussetzungen für den Erfolg, Stolpersteine und praktische Hilfen aufgeführt. Hilfreich ist es, dass die Inhalte wissenschaftlich fundiert und begründet sind und ebenso praxisnah mit vielen Beispielen dargestellt werden. Die Modellsituationen prägen das Werk und geben ihm eine besondere Qualität. Der jeweilige Praxistransfer ermöglicht es, die Theorien konkret anzuwenden. Die Autorin hat nicht nur ein Buch über den Dialog geschrieben, sondern ihr Werk dialogisch gestaltet. Frau Höher ist es gelungen, eine attraktive Lektüre mit vielen Schätzen für die persönliche Entwicklung und die Zusammenarbeit in Unternehmen zusammenzustellen. Die Ausführungen sind durch die Benutzung einer verständlichen Sprache mühelos zu erfassen.

Die Inhalte beziehen die jeweilige individuelle Person ein und regen dazu an, sich über persönliche Entwicklungen und Einstellungen Gedanken zu machen. Die Sachverhalte werden häufig durch Schaubilder verdeutlich. Die Verwendung des eher statischen Models der „Sieben Säulen der Resilienz“ wird in diesem Buch zum Beispiel als Naturmetapher (Blume mit sieben Blütenblättern) dargestellt. Frau Höher gelingt es so, die Aufmerksamkeit auf die Zusammenhänge zu fokussieren und eröffnet neue Sichtweisen auf eventuell Bekanntes. Als Bedingungen für Resilienz werden Dialogische Beziehungen und die darin integrierte Kommunikation angesehen. Es ist gelungen deutlich zu machen, welche Bedeutung das Umfeld, in diesem Falle die agile Arbeitswelt, hat. Kommunikationsformen verändern und den Dialog in den Mittelpunkt stellen ist nicht unproblematisch und bedarf der Unterstützung und der Übung, um in Krisenzeiten als tragfähiges Konzept zu gelten. Der Hinweis darauf ist qualitätsvoll. Die vielen Praxisbeispiele binden die Leser ein und helfen ein Empfinden für die Bedeutsamkeit der einzelnen Schritte zu finden. Das sehr wertvolle achte Kapitel mit konkreten Übungen ist nur in Zusammenhang mit den vorherigen Gedankengängen sinnvoll anzuwenden. Die Qualität des vorliegenden Werkes liegt in der Verknüpfung von Theorie und Praxis. Hilfreich ist der Aufbau des Buches, der schrittweise tiefer in die Thematik hineinführt. Frau Höher weist in den Lesetipps darauf hin, dass das Buch nicht zwangsläufig chronologisch gelesen werden muss. Sie macht Mut interessengeleitet zu lesen und sich innerhalb der Literatur frei zu bewegen. Das Fachbuch strahlt durch die vielen Beispiele aus dem Unternehmensgeschehen, Zeichnungen, Grafiken, Tabellen und Zusammenfassungen Kreativität aus. Symbole helfen zu erkennen, um welche Art von Zusatzinformation es sich handelt:

  • Lupe: Beispiele
  • Brille: Definitionen und Erläuterungen
  • Hand: Umsetzungsempfehlungen
  • Mund: Instruktionen für Praxisanleitungen

Frau Höher gibt mit ihrer Publikation Antworten auf wesentliche Fragen, die sich im Unternehmenskontext stellen. Der Dialog hat praxisnahe Auswirkungen auf das Unternehmensleitbild. Der dialogische Blick auf das Leitbild ist beflügelnd und regt neue Gedankengänge an.

Ein sehr empfehlenswertes Fachbuch für Menschen in Unternehmen, Berater und alle am Dialog Interessierten.

Fazit

Die Kraft des Dialogs stellt eine Ressource für Resilienz dar. Der Dialog fördert die Dynamik, Achtsamkeit und Neuorientierung für Organisationen, Teams und Individuen. Frau Höher setzt sich mit den Grundlagen für Resilienz auseinander und stellt hierbei dialogische Beziehungen in den Mittelpunkt. Das Werk enthält viele Praxisbeispiele und konkrete Übungen.

Rezension von
Ulrike Ziemer
Dipl. Heilpädagogin (FH)
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Es gibt 32 Rezensionen von Ulrike Ziemer.

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ISSN 2190-9245