Martin Klein: Eine kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 15.06.2021
Martin Klein: Eine kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. 146 Seiten. ISBN 978-3-7799-5630-3. 12,95 EUR.
Thema
Betriebliche Soziale Arbeit hat sich in den letzten 100 Jahren zu einem eigenen Handlungsfeld der Sozialen Arbeit entwickelt. Ein vielfältiger Katalog von Aufgaben und Maßnahmen gehört zu diesem Arbeitsfeld, was in unterschiedlichen Organisationen, wie z.B. Trägern der freien Wohlfahrtspflege, Ministerien oder Krankenhäusern, den dortigen Mitgliedern als Beschäftigte zur Verfügung gestellt wird (z.B. Beratung und Präventionsangebote). Die Qualität der Leistungsfähigkeit der Mitglieder wirkt erfahrungsgemäß im gleichen Maße zurück, wie auf sie eingegangen wird. Deshalb ist es sinnvoll, diese gut zu unterstützen und zu fördern, wenn man motivierte Mitarbeitende haben will.
Der Begriff „Betriebliche Soziale Arbeit“ ist traditionell geprägt. Gleichwohl mag er unter heutiger Betrachtungsweise verwirren, weil gegenwärtig nicht mehr alle aufgezählten Institutionen als „Betriebe“ verstanden werden. Sinnvoller ist es daher, den Organisationsbegriff als Oberbegriff (z.B. Organisationale Soziale Arbeit) zu nutzen. Das vorliegende Buch spricht sich für ein solches neues Etikett aus, verwendet aber vorerst den tradierten Begriff weiter.
Autor und Entstehungshintergrund
Martin Klein, Dr. phil., Dipl. Sozialarbeiter (FH), Diplom Kaufmann (FH), ist Professor für Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule NRW und 1. Vorsitzender des Vorstands des Bundesfachverbandes Betriebliche Sozialarbeit e.V. (bbs).
„Der prognostizierte weitere Anstieg psychischer Belastungen und Erkrankungen sowie die demografische Entwicklung dürften dazu führen, dass nicht mehr die Frage im Vordergrund steht, ob eine Organisation sich Betriebliche Soziale Arbeit für ihre Mitglieder leisten kann. Sondern vielmehr werden sich Organisationen zukünftig fragen, was es kostet, dies nicht zu tun“ (140). So schreibt es Martin Klein am Ende des vorliegenden Buches. Es stellt den ersten Band einer Reihe „Betriebliche Soziale Arbeit“ im BELTZ-Verlag dar. In nachfolgenden Bänden soll es um weitere Aufgaben und Maßnahmen sowie um handlungsspezifische Themen dieses Teilbereiches gehen, wie z.B. Case-Management und Vertrauen in der Betrieblichen Sozialen Arbeit.
Aufbau und Inhalt
Um die Vielfalt, Kontingenz und Komplexität des Arbeitsbereiches zu erfassen, sortiert Klein seine Beschreibungen nach den Vorgaben von Niklas Luhmann und dem Ansatz der Systemtheorie; er untergliedert in drei Teile: Zeitliche, sachliche und soziale Dimension. Leider ist die eindeutige Sortierung des Inhaltsverzeichnisses in der Drucklegung einem Formatierungsfehler zum Opfer gefallen. Die nachfolgenden Punkte sind letztendlich der logischen Schlussfolgerung des Rezensenten entsprechend sortiert.
Zeitliche Dimension - Ausgehend von den Anfängen im Deutschen Kaiserreich bis in die Gegenwart wird die Entwicklung eines Berufes aufgezeigt, der verschiedene Bezeichnungen hatte, z.B. Fabrikinspektion, Gewerbeaufsicht, Fabrikpflege („Vertrauensdame“), Volkspflege oder Betriebssozialarbeit. Zu deren Aufgabenkreis gehörten u.a. Beaufsichtigung von Räumen und Abteilungen (z.B. Samariterstationen), Krankenbesuche und Helferdienste, Sprechstunden zur Beratung in persönlichen Angelegenheiten und Öffentlichkeitsarbeit (20). Zu den einstigen eher körperlichen Belastungen der Arbeitenden kommen in der heutigen Zeit die psychischen Belastungen, auf die Betriebliche Soziale Arbeit reagieren muss. Auch sind es zusätzliche qualifikatorische sowie technische und organisatorische Belastungen: „Das weit verbreitete und selten hinterfragte ‚lebenslange Lernen’ geht gleichzeitig mit einem permanenten Wissensaneignungsdruck einher“ (30).
Sachliche Dimension - Als Organisation wird ein strukturiertes Beziehungsgefüge bezeichnet, „das bestimmte Möglichkeiten festlegt und andere ausschließt. Dies hat den Vorteil, dass in der überwältigenden Komplexität einer unübersehbaren und unbeherrschbaren Umwelt die Aktivitäten einer Organisation auf bestimmte ausgewählte Handlungsmöglichkeiten reduziert und zwischenmenschliches Handeln sinnhaft orientiert werden kann“ (41). Hier werden Merkmale (Organisationszweck, Mitgliedschaft, Hierarchien) und Seiten (formal, informal und Außenseite) von Organisationen sowie relevante Bezugspunkte (Nähe und Distanz, Paradoxien) erläutert.
Soziale Dimension - Soziale Verantwortung und eine entsprechende Investition in die Fürsorge der Mitglieder macht sich immer bezahlt und führen – betriebswirtschaftlich formuliert – durchweg zu einem positiven Saldo. Der Gewinn zeigt sich an geringen Fehlzeiten, wenigen Krankheitsausfällen und an einer minimalen Fluktuation. Demgegenüber sind die Arbeitszufriedenheit, die Loyalität gegenüber dem Unternehmen und die Einsatzbereitschaft hoch. Neben solchen ökomischen Begründungen werden in diesem Kapitel auch persönliche Gründe beschrieben, die gerade von Leitungsverantwortlichen verinnerlicht werden sollten (u.a. Zuverlässigkeit und Redlichkeit).
Herausforderungen für die Soziale Arbeit – In diesem Kapitel werden die grundlegenden Aspekte beschrieben, um Mitglieder für ihr Engagement in der Organisation zu motivieren. Außer dem wichtigen materiellen Anreiz sind das die Identifikation mit dem Organisationszweck, attraktive Tätigkeiten und Kollegialität bzw. die angemessene Kombination dieser Motivlagen.
Aufgabenprofil - Im letzten Kapitel werden überblicksartig die zehn wichtigsten Aufgabenbereiche der Betrieblichen Sozialen Arbeit dargestellt: Sozialberatung, Suchtprävention und -hilfe, Krisenintervention, Beschaffung (z.B. einer Wohnung), Coaching, Mediation, Betriebliches Eingliederungsmanagement, Psychische Gefährdungsbeurteilung, Case und Care Management sowie Projektmanagement.
Diskussion
Dem Autor gelingt es, das Thema interessant aufzubauen. Er erläutert mit dem historischen Blick das Bemühen von Unternehmen, sich um die Belange seiner Mitarbeitenden zu kümmern und dafür Geld auszugeben, und so einen separaten Berufszweig zu entwickeln, der heute etabliert ist. Im mittleren Teil des Buches erörtert er sachliche und soziale Dimensionen und zeigt damit, wie und warum Verantwortliche in Organisationen entsprechende Strukturen aufbauen und einhalten müssen, damit – um es salopp zu sagen – „der Laden läuft“. Am Ende werden Herausforderungen und konkrete Aufgaben der Verantwortungstragenden skizziert und kurzweilig erklärt.
Ausgiebige handlungsspezifische Ausführungen erspart sich der Autor, einerseits weil bereits (mindestens) eine theoretische Abhandlung zur Betrieblichen Sozialen Arbeit publiziert ist und anderseits, weil er aus (s)einem Praxis-Bezug heraus schreibt. Das Lehrbuch geht in hinreichendem Maße in die Tiefe und wird somit dem Anspruch der „kleinen Einführung“ gerecht. Beachtenswert ist, dass es auf zwei Ebenen gelesen werden kann. Denn am Beispiel des Teilbereiches der Sozialen Arbeit zeigen sich insgesamt auch die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit an sich. In dieser Weise kann das Buch zugleich als Einführung in Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit gelesen werden.
Fazit
Das Buch bietet einen ersten guten Überblick auf die Themenfelder der Betrieblichen Sozialen Arbeit. Es ist empfehlenswert für den Einstieg in die Thematik, so für Studierende der Sozialen Arbeit. Zugleich mag es Lehrenden als didaktisches Material dienen.
Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
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Zitiervorschlag
René Börrnert. Rezension vom 15.06.2021 zu:
Martin Klein: Eine kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2021.
ISBN 978-3-7799-5630-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26939.php, Datum des Zugriffs 20.09.2024.
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