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Martin Klein: Betriebliche Soziale Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Edgar Baumgartner, 20.05.2021

Cover Martin Klein: Betriebliche Soziale Arbeit ISBN 978-3-7799-6326-4

Martin Klein: Eine kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2020. ISBN 978-3-7799-6326-4.

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Thema

Mit dem Buch „Eine kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit“ eröffnet Martin Klein, der erste Vorsitzende des Bundesfachverbands Betriebliche Sozialarbeit e.V., eine Buchreihe zur Betrieblichen Sozialen Arbeit bei Beltz Juventa. Die Reihe soll Praktiker/​innen und wissenschaftlich Tätige gleichermassen ansprechen und zugleich einen Paradigmenwechsel (S. 9) markieren. Dieser äussert sich in der These, dass der Begriff Betriebliche Sozialer Arbeit zu eng ist, da Soziale Arbeit nicht nur in Unternehmen, sondern in unterschiedlichen weiteren Organisationen angeboten wird. Auf die Verwendung der gemäss Autor eigentlich zutreffenderen Bezeichnung Organisationale Soziale Arbeit wird zwar in diesem ersten Band – aus Gründen der Anschlussfähigkeit – verzichtet, die organisationale Perspektive auf die Betriebliche Soziale Arbeit ist jedoch zentral. Die Systemtheorie bildet die theoretische Rahmung und begründet die Beschreibung des Arbeitsfeldes entlang einer zeitlichen, sachlichen und sozialen Dimension. Das Buch geht auf 140 Seiten breit und facettenreich auf das Thema Betriebliche Soziale Arbeit ein und legt den Fokus insbesondere auf die Geschichte des Arbeitsfeldes, die verschiedenen Organisationsformen sowie die Thematik der sozialen Verantwortung von Unternehmen und das Aufgabenprofil der Sozialen Arbeit.

Aufbau und Inhalt

Die Monografie gliedert sich in drei Hauptteile, die durch ein Vorwort und einen Ausblick gerahmt sind. Die drei Kapitel sind als zeitliche, sachliche und soziale Dimension der Betrieblichen Sozialen Arbeit bezeichnet. Diese Gliederung wird im Vorwort durch den Rückgriff auf die Systemtheorie begründet, die unterschiedliche Logiken in sozialen Systemen begreifbar machen und deren Wechselwirkungen mit der Umwelt erfassen kann.

Die Beschreibung der Betrieblichen Sozialen Arbeit beginnt in einem ersten Teil mit der zeitlichen Dimension bzw. mit deren Geschichte. Die Darstellung reicht von den Anfängen der Industrialisierung bis zur Gegenwart. Sie erlaubt Einblicke in die Anfänge des Arbeitsfeldes, welche in den Kontext der gesellschaftlichen Modernisierung, der Industrialisierung, der zunehmenden Bedeutung von Organisationen in der Gesellschaft und dem Import von Ideen zur Fabrikpflege aus Übersee gestellt wird. Der Überblick greift auch die organisationale Seite auf, verdeutlicht so etwa am Beispiel evangelischer Diakonievereine einen Vorläufer der heutigen externen Betrieblichen Sozialen Arbeit (S. 21) oder geht darauf ein, dass während der Weimarer Republik die soziale Betriebsarbeit durch eine Fürsorgerin, die gleichzeitig Fabrikarbeiterin war, sichergestellt wurde. Die historischen Linien, die im zweiten Weltkrieg bzw. mit dem Nationalsozialismus eine zentrale Zäsur erfahren, werden bis in die Gegenwart und zu aktuellen Herausforderungen gezeichnet. Diese sieht der Autor in der Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung, die über technische Beschleunigung, globale Vernetzung und digitale Kommunikationsmöglichkeiten das Tempo im Arbeitsleben steigern und in Kombination mit weiteren Entwicklungen – etwa der Prekarisierung – zu einer Erhöhung psychosozialer Belastungen bzw. zur Verknüpfung verschiedener Belastungsfaktoren führen.

Die sachliche Dimension greift die Einbettung Sozialer Arbeit in Organisationen auf. Ausgangspunkt ist die Beschreibung zentraler Merkmale von Organisationen wie Organisationsziele, Mitgliedschaft sowie formale und informale Strukturen. Es sind dies wichtige Wissensinhalte für die Betriebliche Soziale Arbeit, da diese etwa die drei Seiten einer Organisation (formal, informal und aussen) bei Problemlösungen berücksichtigen muss. Die Betriebliche Soziale Arbeit wird als eine helfende und unterstützende Tätigkeit zur Bewältigung persönlicher und sozialer Probleme in Organisationen bezeichnet (S. 70). Das Spektrum reicht hierbei vom konkreten individuellen Einzelfall bis zu gesellschaftlichen bzw. strukturellen oder sozialpolitischen Themen. Persönliche und soziale Probleme, welche die Mitgliedschaft in der Organisation gefährden können, gibt es somit innerhalb und ausserhalb der Organisation (S. 73). Die Bearbeitung dieser Themen ist aus Sicht des Autors mit mehreren Paradoxien verbunden, zu denen etwa der wenig begrenzte Zuständigkeitsbereich („Allzuständigkeit“), die Vertretung unterschiedlicher Interessen oder die untergeordnete Position bei umfassender Problembewältigungsverantwortung zählen. Der resultierenden Identitätsproblematik ist vor allem mit Haltung bzw. dem Eintreten für Grundrechte und -werte zu begegnen (S. 77). Die Beschreibung der Organisationsformen geht über die übliche Unterscheidung in interne versus externe Betriebliche Soziale Arbeit hinaus. Denn es kommt die Dimension zentrale und dezentrale Struktur hinzu, wodurch vier Typen der organisatorischen Anbindung resultieren und auch Zusammenarbeitsformen von Professionellen mit Freiwilligen („Soziale oder Kollegiale Ansprechpersonen“) oder von internen und externen Fachpersonen („Patchwork-Konstellation“) berücksichtigt sind.

In der sozialen Dimension stehen zunächst Ausführungen zur sozialen Verantwortung im Vordergrund. Die Einrichtung Betrieblicher Sozialer Arbeit ist Ausdruck von sozialer Verantwortung eines Unternehmens. Die Beweggründe hierfür können ökonomisch geprägt, da sich das Angebot finanziell rechnet, persönlicher Natur (Haltung von Führungskräften) oder organisationell verortet sein, da die Betriebliche Soziale Arbeit zur Qualität der Beziehungen des Unternehmens zu ihren Stakeholdern („Corporate Social Responsibility“) beiträgt. Im Abschnitt „Herausforderungen der Betrieblichen Sozialen Arbeit“ ist die Frage thematisiert, wer als Mitglied einer Organisation gilt und welche Motive für den dortigen Verbleib ausschlaggebend sein können. Materielle Aspekte, attraktive Organisationsziele oder Tätigkeiten sowie soziale Gründe werden als Motivlagen angeführt. Viel Raum – knapp 30 Seiten – nimmt das Aufgabenprofil der Betrieblichen Sozialen Arbeit ein (S. 109–138). Es stützt sich auf eine Befragung des Bundesfachverbands Betriebliche Sozialarbeit e.V. und umfasst insgesamt 10 Aufgaben (Sozialberatung, Suchtprävention und Suchthilfe, Krisenintervention, Beschaffung, Coaching, Mediation, Betriebliches Eingliederungsmanagement, psychische Gefährdungsbeurteilung, Case und Care Management, Projektmanagement). Sie werden je auf zwei bis fünf Seiten eingeführt und mit Beispielen sowie methodischen Ausführungen erläutert.

Diskussion

Das Buch eröffnet eine Reihe „Betriebliche Soziale Arbeit“ im Verlag Beltz Juventa. Damit nimmt es sich einem Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit an, zu dem kaum Forschung und Theoriebildung realisiert und generell wenig publiziert wird. Es ist daher sehr erfreulich, wenn die Buchreihe zur Schliessung dieser Lücke beitragen kann. Deren Anspruch ist es – so im Vorwort formuliert – für Praktiker/​innen wie auch wissenschaftlich Interessierte anschlussfähig zu sein und über Neues zu informieren. Die kleine Einführung in die Betriebliche Soziale Arbeit erfüllt diesen Anspruch durchaus. Die Stärke des Buches ist es, ganz unterschiedlichen Facetten des Arbeitsfeldes aufzugreifen und diese kurz zu beschreiben. Das Buch ist in einem guten Sinne eine Einführung, da es ein Hineinlesen in ausgewählte Themen erlaubt. Die Ausführungen sind hierbei stets anregend und in einem angenehmen, mit Literaturverweisen dokumentierten Schreibstil verfasst. Die Gliederung, die auf eine Nummerierung verzichtet und die Aufteilung in eine zeitliche, sachliche und soziale Dimension als Hauptstruktur wählt, erschwert allerdings den Überblick und die Orientierung. Aber auch für Kenner/​innen des Arbeitsfelds hält das Buch neue Inhalte und Zusammenhänge bereit, da der Autor mit etlichen Literaturnachweisen auch ausserhalb der Sozialen Arbeit arbeitet, viele theoretische Bezüge herstellt und mit eigenständigen Perspektiven auf den Gegenstand zugeht. Es ist zum Beispiel erhellend, die gängige Unterscheidung in interne und externe Betriebliche Soziale Arbeit zu vier Organisationsformen zu erweitern oder historische Vorläufer heutiger externer Betrieblicher Sozialer Arbeit kennenzulernen. Diesen Stärken des Buches steht gegenüber, dass das Verständnis von Betrieblicher Sozialer Arbeit als Arbeitsfeld und die Frage, was dessen Kern ausmacht, kaum expliziert bzw. wenig deutlich wird. An unterschiedlichen Stellen finden sich zwar einzelne präzisierende Hinweise, etwa sie als eine helfende und unterstützende Tätigkeit zur Bewältigung persönlicher und sozialer Probleme in Organisationen zu fassen. Doch die eingangs formulierte These, dass Betriebliche Soziale Arbeit als Bezeichnung überholt und durch Organisationale Soziale Arbeit zu ersetzen ist, die vermeintliche Gleichsetzung mit Employee Assistance Program (EAP) (S. 81) oder der Einbezug von Hochschulabschlüssen mehrerer Fachrichtungen als vorausgesetzte Berufsqualifikation lassen ein eher entgrenztes Verständnis vermuten oder bieten zumindest für die im Buch erwähnte Identitätsproblematik (S. 77) nur bedingt eine Hilfestellung.

Fazit

Das Buch widmet sich mit der Betrieblichen Sozialen Arbeit einem in der Fachliteratur wenig behandelten Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit. Mit dem vorliegenden ersten Band einer Buchreihe zur Betrieblichen Sozialen Arbeit ist es gelungen, Praktiker/​innen wie auch wissenschaftlich Interessierten eine einführende Übersicht bereitzustellen. Sie erlaubt, zu umfangreicheren Themen, wie die Geschichte, die Organisationsformen oder das Aufgabenprofil Betrieblicher Sozialer Arbeit, einen vertieften Einblick zu erhalten oder sich punktuell, z.B. zu einer ausgewählten Aufgabe, zu informieren. Aber auch für versierte Kenner/​innen des Feldes ist die Lektüre der verschiedenen Facetten des Arbeitsfeldes lohnend und anregend, da auch eigenständige und neue Positionen und Systematisierungsversuche vorgetragen werden. Es ist zu wünschen, dass in der hiermit lancierten Reihe weitere Bände folgen, welche zur Diskussion, Theoriebildung und Integration des Wissens über die Betriebliche Soziale Arbeit beitragen werden.

Rezension von
Prof. Dr. Edgar Baumgartner
Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Soziale Arbeit
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Es gibt 3 Rezensionen von Edgar Baumgartner.

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ISSN 2190-9245