Gesicht Zeigen! e. V. (Hrsg.): Was ist Zivilcourage?
Rezensiert von Prof. Dr. René Börrnert, 25.08.2020

Gesicht Zeigen! e. V. (Hrsg.): Was ist Zivilcourage? Das 4-Ecken-Spiel. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2017. ISBN 978-3-407-63046-9. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 51,90 sFr.
Thema
Das Gesellschaftsspiel „Was ist Zivilcourage?“ versucht den Teilnehmenden aufzuzeigen, dass es in jeder prekären Situation verschiedene Handlungsmöglichkeiten gibt. Gedacht für Kinder- und Jugendgruppen, Schulklassen und auch für die Erwachsenenbildung geht es darum, vorgeschlagene oder auch eigene Möglichkeiten abzuwägen, einen Standpunkt zu beziehen und sich seiner eigenen Zivilcourage bewusst zu werden oder diese zu stärken.
Herausgeber und Entstehungshintergrund
Der Verein „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ (vgl. www.gesichtzeigen.de) hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen zu ermutigen, gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt aktiv zu werden. Aus diesem Grund bemühen sich die Initiatoren um die Sensibilisierung für jede Art von Diskriminierung und die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Zu diesem Zweck initiiert der Verein Kampagnen (TV, Plakate) oder erarbeiten pädagogisches Material wie das vorliegende Spiel.
Dieses Spiel wurde in der Projektarbeit des Vereins in dem Glauben entwickelt; „dass es wichtig ist, eine Haltung zu haben und dazu zu stehen“ (Booklet, S. 2). Die Akteure wollen dazu anregen, „Gesellschaft zu verstehen und mitzugestalten. Und sich für ein gerechtes und faires Miteinander einzusetzen“ (ebd.). Weitere Spiele des Vereins thematisieren „Was hat Demokratie mit mir zu tun?“ oder „Positionierungen gegen Vorurteile“.
Aufbau und Inhalt
Das Spiel enthält: 18 Situationskarten (groß, 16x24 cm), 18 Handlungskarten (klein, 12x16 cm) und vier Eckenkarten (groß, 16x24 cm). In einem achtseitigen Booklet werden die pädagogische Haltung und die Spielregeln erläutert.
So steht auf einer der 18 Situationskarten folgendes Beispiel: „Ein paar Mädels schubsen einen Mitschüler zu Boden und beleidigen ihn als ‚Opfer‘“. Den Teilnehmenden werden nun drei Vorschläge gemacht, zu denen sie Haltung beziehen sollen: (A) „Ich drehe mich um und gehe weiter“, (B) „Ich lasse mir etwas spontan einfallen, um die die Mädels zu irritieren“ oder (C) „Ich warte ab, bis die Mädels weg sind, und biete ihm dann Hilfe an“. Neben diesen drei festgelegten gibt es mit (D) eine vierte, offene, Handlungsoption: „Nichts von alledem, sondern…“.
Die Mitglieder der Spielgruppe entscheiden sich nun für eine Option und begeben sich auf einen der zuvor mit einer Eckenkarte bestimmten Stelle: A, B, C oder D. Anschließend wird befragt und diskutiert. Die Spiel-Leitung (z.B. Lehrer/innen, Soziale) können so niedrigschwellig mit den beteiligten Kindern, Jugendlichen und/oder Erwachsenen über Zivilcourage als einen der wichtigsten Grundpfeiler von Demokratie ins Gespräch kommen.
Das gelingt im ernsthaften Spiel, so meine eigene Erfahrung, sehr gut. Gleich am Anfang wird den TeilnehmerInnen klar, dass von jedem Akteur die dargestellte Situation anders imaginiert wird. Insofern kommt es zur ersten Interaktion, weil die Situation nachträglich konkretisiert werden muss. Im zweiten Moment sind es die ersten Worte in der Situation, die eine Klärung der eigenen Rolle verlangen. Die Authentizität der Situation muss deshalb noch einmal relativiert werden, z.B. wie alt sind die Mädels und wie alt bin ich. Oder: Bin ich gleichrangig in der Position oder z.B. eine Lehrerin. Dann jedoch kommt es zu dem, was das Spiel erreichen will: Haltung zeigen. Die korrekten Einstiegssätze sind dabei erst einmal nachrangig, werden aber im weiteren Verlauf thematisiert.
Das Booklet verdeutlicht die grundlegenden (auch: sozialpädagogischen) Prämissen, die allesamt nicht ein richtiges oder falsches Tun formulieren, sondern Handlungsprioritäten und Einstellungen formulieren, z.B. Bleib ruhig! Übernimm Verantwortung! Handeln statt wegschauen! Diese Prämissen lassen sich dann im Spiel erläutern und auf weitere Beispiele anwenden.
Fazit
Neben den eingangs genannten Anwendungen eignet sich das Spiel in sehr guter Weise für den Einsatz bei studentischen Seminargruppen, so im Fach „Ethik“. Dabei sind die Karten zum einen Impulsgeber: Sie initiieren Gespräche und Diskussionen. Weiterhin bieten die Karten Anregungen, um eigene Beispiele der Teilnehmenden einzubringen. Schließlich gelingt es mit Hilfe der Karten und des Spiels, erste Sätze für den Einstieg in die Situation zu finden, um damit in diversen unklaren Alltagssituationen einen ersten Schritt zu wagen. Das Spiel liefert somit einen hilfreichen Beitrag, um methodisches Handeln in der Sozialen Arbeit einzuüben.
Rezension von
Prof. Dr. René Börrnert
Fachhochschule des Mittelstands (Rostock)
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Zitiervorschlag
René Börrnert. Rezension vom 25.08.2020 zu:
Gesicht Zeigen! e. V. (Hrsg.): Was ist Zivilcourage? Das 4-Ecken-Spiel. Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2017.
ISBN 978-3-407-63046-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26971.php, Datum des Zugriffs 31.03.2023.
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