Mechtild Erpenbeck: Wirksam werden im Kontakt
Rezensiert von Angelika Alieff-Sliepen, 22.09.2020

Mechtild Erpenbeck: Wirksam werden im Kontakt. Die systemische Haltung im Coaching. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2020. 3., überarbeitete Auflage. 130 Seiten. ISBN 978-3-8497-0183-3. D: 17,95 EUR, A: 18,50 EUR.
Thema
Das Buch bietet einen facettenreichen Blick auf den Begriff der „inneren Haltung“ im Beratungskontext.
AutorIn oder HerausgeberIn
Mechtild Erpenbeck, Dipl. -Päd., Psychologin, Senior Coach (DBVC) und Lehrcoach; Supervisorin (DGSv), Gruppendynamikerin (DGGO), Systemische Beraterin, Theaterregisseurin und -autorin; Inszenierungen an zahlreichen Stadt- und Landesbühnen; Leitung einer spartenübergreifenden Theatercompagnie in Berlin; seit 1998 in verschiedenen Praxisfeldern der Organisations- und Individualberatung tätig, insbesondere in der Führungskräfteentwicklung und Konfliktmoderation; Lehrtätigkeit an verschiedenen Institutionen, u.a. der Alice Salomon Hochschule, Berlin; seit 2008 Ausbildung von Business – Coachs; Leitung der Beratungspraxis CONSULTACT, Berlin.
Aufbau
Die Autorin gestaltet das Buch als eine Art Reise in 12 verschiedene Bereiche mit dem Fokus der inneren Haltung. Dabei sind die Kapitel ineinander geschlossen, sodass der Leser die Reihenfolge auch variieren kann.
Inhalt
Das erste Kapitel führt in den Bereich der Aufmerksamkeit. Als eine Voraussetzung benennt Erpenbeck das Zuhören. Um sich ganz auf den Coachee einlassen zu können und die privaten Bilder außen vor zu lassen, führt die Autorin fokussierende Fragen an. Sie macht darauf aufmerksam, dass unser Blick auf unser Gegenüber immer nur eine Konstruktion ist, die von unserer eigenen Geschichte und Erfahrungen beeinflusst ist. Vor diesem Hintergrund lädt Erpenbeck zum Spielen und Ausprobieren ein. In der Wahrnehmung des Gegenübers empfiehlt sie die aus der Psychoanalyse stammende „freischwebende Aufmerksamkeit“ (S. 15), denn „…nicht die einzelnen Bäume sind wichtig, sondern der Wald. Nicht die einzelnen Töne, sondern die gesamte Melodie.“ (S. 15) Auch hier bedient sie sich wieder einiger Leitfragen zur Konkretisierung.
Ebenfalls zum Bereich der Aufmerksamkeit gehört das Staunen, was Erpenbeck als einen flüchtigen Moment, der nicht planbar ist beschreibt. Die Fähigkeit dazu ist jedem Menschen immanent und wird durch unbedingte Aufmerksamkeitsbereitschaft begünstigt. Als letzten Punkt führt sie das Schweigen auf. Die Autorin macht deutlich, welchen Wert die durch das Schweigen entstandene Spannung im Coachingprozess haben kann und ermutigt Ihre Leser diese Spannung auszuhalten.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema der Augenhöhe. Auf Basis der im Coaching angestrebten gleichberechtigten Beziehung zwischen Coach und Coachee beschreibt Erpenbeck den Blick aus der Transaktionsanalyse. Sie erklärt das Zustandekommen des inneren Bildes über eine Person vor jeder Begegnung anhand des Modells der Okay-Positionen nach Harris (S. 23) und ermutigt die eigene Haltung im Coachingprozess dahingehend immer wieder zu überprüfen. Zur Veranschaulichung führt die Autorin ein Beispiel eines möglichen Coachingprozesses an und gibt anschließend mögliche Impulse zur Lösung eines Ungleichgewichtes, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass dieser Prozess einer ständigen Dynamik unterliegt.
Im zweiten Teil nähert sie sich der Beziehung auf Augenhöhe über einen Vergleich zum Schauspiel. Erpenbeck setzt die Fähigkeiten, die ein Schauspieler mitbringen muss, um eine bestimmte Rolle spielen zu können in Relation zu der inneren Haltung, mit der der Coach dem Coachee begegnet. Nur wenn der Schauspieler sich ganz auf die Person einlässt, kann er sie wirklich verkörpern. Dem gleichen Einlassungsprozess unterliegt der Coach.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Tabuzone Macht. Um dies näher zu beleuchten beschreibt die Autorin die Organisationsstrukturen moderner Unternehmen. Sie verdeutlicht, dass durch die veränderte Sprachkultur weg von klar benannten Hierarchien hin zu wesentlich partnerschaftlicheren, demokratischeren Formulierungen „Macht“ zu einem Tabuthema geworden ist. Diese Entwicklung ist gefährlich, da „… Macht eines der ältesten Handlungsmotive unserer Spezies …(ist) und … viele unterschiedliche Organisationsformen des Gemeinwesens unverändert überlebt … (hat).“ (S. 36 - 37) Erpenbeck konstatiert, dass sich ohne ein formales Ordnungsprinzip in einem Unternehmen die Komplexität nicht reduzieren lässt und dann Chaos entstehen würde. Um dem entgegen zu wirken ist die Bildung einer hierarchischen Struktur nach wie vor hilfreich. Als Coach muss ich mir demzufolge meiner eigenen Haltung zum Thema Macht und Hierarchie bewusst sein. Um das zu begünstigen, bietet Erpenbeck erneut handlungsleitende Impulsfragen an, um den eigenen blinden Flecken und Fallstricken auf die Spur zu kommen. Schließlich veranschaulicht die Autorin ihr Anliegen zum besseren Verständnis mit einem Fallbeispiel.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema der Anerkennung. Vor dem Hintergrund der Idee, zunächst einmal wahrzunehmen und wertzuschätzen, was gegeben ist, unterscheidet die Autorin zwei Typen von Coachees. Zum einen die Problembeladenen, deren Problem vorwiegend dann großer Beachtung bedarf, wenn es besonders belastend ist. Erpenbeck führt aus, dass in diesem Fall erst eine Bereitschaft zur Mitarbeit gegeben ist, wenn das Problem hinreichend dargestellt und gewürdigt ist. Auch hier gibt sie dem Leser durch Leitfragen die Möglichkeit, seine eigene innere Haltung in dieser Sequenz der Problemdarstellung zu überprüfen.
Zum anderen beschreibt die Autorin die „Turbo – Selbstmanager“ (S. 48), die eher in der Zukunft, als in der Gegenwart leben. Es gilt in Anerkennung dessen, was ist den Coachee zu erden. Ihm zu verhelfen, auch im Hier und Jetzt zu verweilen, damit er sich nicht in der Zukunft verliert.
Um die Rolle der Gefühle und Beziehungen in der Beratung zu veranschaulichen, betrachtet Erpenbeck im fünften Kapitel deren Funktion aus verschiedenen Blickwinkeln. Zunächst erörtert die Autorin den Begriff des Kontaktes aus gestalttherapeutischer Sicht. Er skizziert zentral die Beziehungsgestaltung. Nur wer sich seiner und der Grenzen des anderen bewusst ist, kann gut in Kontakt treten. Auf das Beratungssetting übertragen gilt es immer wieder diese Balance der Nähe und Distanz auszuloten. Zur Veranschaulichung bedient sich Erpenbeck der Zellbiologie und beschreibt das Bild einer semipermeablen Membran, die nur bestimmte Teilchen durchlässt. Dies gilt es zu verinnerlichen, um nicht Gefahr zu laufen, Grenzen zu überschreiten. Greifbar wird das Austarieren durch den Vergleich zur Schauspielerei, wo der Schauspieler immer wieder das Gefühl in der Rolle reflektiert und steuert. Die Autorin beschreibt dies als zentrales Moment des Coaches und ermutigt zur Übung.
Im letzten Abschnitt dieses Kapitels bedient sich Erpenbeck der aus der Psychoanalyse stammenden Gegenübertragung und veranschaulicht an einem Fallbeispiel den Wert für das Beratungssetting, wenn der Coach sie sichr zu Nutze mache.
Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit der Verantwortung im Coachingprozess. Die Autorin unterscheidet zwischen Selbst- und Fremdverantwortung.
Die Selbstverantwortung ist deshalb so wichtig, weil der Coach im Beratungsprozess sein eigenes Instrument ist. Nur wer verantwortlich mit seinen eigenen Gefühlen und Befindlichkeiten umgeht, kann für den Coachee hilfreich sein. Denn nur so läuft er nicht Gefahr, seinem Gegenüber die eigenen Bedürfnisse überzustülpen. Um das zu gewährleisten und in Balance zu halten, bietet Erpenbeck 6 Leitmotive ohne Anspruch auf Vollständigkeit an, die es immer wieder zu überprüfen gilt. Im Folgenden macht sie deutlich, dass es wichtig ist auch vermeintlich schlechte Handlungsimpulse wahrzunehmen und nicht zu verdrängen. Eine Auseinandersetzung mit den eigenen „Dämonen“ und deren Transformation in einen hilfreicheren Kontext ist für den Coach unabdingbar.
Übernimmt der Coach Verantwortung für den Coachee, verlässt er die Ebene der Begegnung auf Augenhöhe. Er traut der Coacheeperson nicht zu, selber in der Lage zu sein das Problem lösen zu können und es kommt zu einem Ungleichgewicht, was eher dem Verhältnis zwischen Arzt und Patient entspricht. An dieser Stelle führt Erpenbeck die Schwierigkeit aus, Therapie und Coaching gegeneinander abzugrenzen und stellt anschaulich dar, dass diese Trennung in der Arbeit nur dann gelingen kann, wenn der Coach sich klar macht, dass er nur mit den gesunden Anteilen des Coachees arbeiten kann.
Im Blick auf das, was aktuell grade im Coachingprozess passiert, differenziert die Autorin in Kapitel sieben zwischen Gruppen und Einzelcoachings. Sie lädt dazu ein, die aktuellen Kommunikationsmuster als Diagnoseinstrument für die Dynamiken im System zu nutzen. Auch in der Reinszenierung des Problems im Einzelcoaching lassen sich Verhaltensmuster erkennen, weshalb es sich lohnt dem Hier und Jetzt Beachtung zu schenken. Den Ausführungen folgt ein sehr anschauliches Beispiel. Erpenbeck schließt das Kapitel mit dem Hinweis auf die Brisanz des Fokuses auf die gegenwärtige Situation. Eine entsprechende Intervention kann für den Coachee verstörend wirken, da er davon ausgeht, dass lediglich sein Thema beleuchtet wird. Gibt der Coach seinen Beobachtungen der Coacheeperson preis, muss er davon ausgehen, dass sie dasselbe mit ihm macht. An dieser Stelle leitet die Autorin zu Kapitel acht Feedback über.
Der Begriff Feedback wurde in den letzten Jahren immer inflationärer benutzt. Allerdings handelt es sich um ein hochsensibles Thema. Zur Differenzierung beleuchtet Erpenbeck die Begriffe Kompliment und Konfrontation. Sie führt aus, dass ein Kompliment eher etwas wie ein Lob, denn ein Feedback ist. Gelobt aber werden beispielsweise Kinder von ihren Eltern. Damit macht die Autorin deutlich, dass durch ein Lob die Ebene der Augenhöhe verlassen wird, was im Coachingprozess wenig hilfreich ist. Für die Formulierung von kritischem Feedback bietet Erpenbeck Leitfragen an, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass der Coach immer ein Wagnis eingeht. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei dem eigenen Erleben und Empfinden zu bleiben, damit kritisches Feedback nicht als Verletzung formuliert wird.
Das neunte Kapitel legt den Blick darauf, dass auch der Coach eine Person und somit Teil des Settings im Coachingprozess ist. Wie viel er in dieser Rolle von sich preisgeben darf und soll ist Thema in diesem Kapitel. Zu Beginn grenzt Erpenbeck hierzu die private von der persönlichen Beziehung ab. Solange es für den Coachee von Nutzen sein könnte, ist es durchaus hilfreich, eigene Erfahrungen oder Beispiel zu teilen. Dabei muss der Coach sich aber immer seiner Rolle bewusst sein, sodass es kein ordinäres Alltagsgespräch wird. Da der Begriff des Coachs nicht geschützt ist, gilt es hier besonders aufmerksam und sensibel mit umzugehen. Eine klare Rollendefinition und Aufgabenbeschreibung des Coachs hängt stark von seiner Person und der Form der Ausgestaltung des Beratungssettings ab.
Um nicht Gefahr zu laufen, als „Guru“ oder „Wunderheiler“ zu gelten ist es sinnvoll, die verwendeten Methoden transparent zu machen und deren Funktionsweise zu erklären. Damit macht der Coach deutlich, dass er kein Zauberer ist, sondern eine solide Methodenkompetenz besitzt.
In Kapitel zehn beschäftigt sich Erpenbeck mit der Konfliktklärung. Zunächst beschreibt sie das Wesen des Konfliktes und die Notwendigkeit, den Coachee bei einem Perspektivwechsel zu belgeiten. Damit dem Coach das gelingen kann, bietet sie im Folgenden verschiedene Möglichkeiten an. Zur Veranschaulichung bedient sie sich des juristischen Kontextes und unterscheidet die Begriffe parteiisch, allparteiisch und neutral. Erklärt sie jedoch zunächst nach erstem Definitionsansatz für die Beratung als ungeeignet. Denn Neutralität würde bedeuten, dass der Coach absolut unbeteiligt am Geschehen im Beratungssetting ist, was schon alleine durch seine Prozessbegleitung nicht gegeben ist. und Allparteilichkeit würde den Coach permanent zwischen den einzelnen Positionen der Konfliktbeteiligten Personen hin und her springen lassen, was ebenfalls nicht zielführend ist. Da es aus Sicht der Autorin keinen anderen passenden Begriff gibt, versucht sie sich an einer Umdeutung, um sie für das Beratungssetting nutzbar zu machen. So ist es die Aufgabe des Coaches, sich in die einzelnen Konfliktbeteiligten hinein zu versetzen, um ihre Position zu verstehen, ohne dabei jedoch für sie Partei zu ergreifen.
Die innere Wertehaltung ist Inhalt des Kapitels elf. Erpenbeck verweist darauf, dass mit dem Blick auf Ethik und Werte auch immer die Gefahr der Molarisierung einhergeht. Im Folgenden führt sie die „vier ethischen Grundpositionen systemischer Therapie nach Schlippe und Schweitzer 2002“ (S. 118) auf und ergänzt sie durch eigene Impulse und Gedanken, sowie zwei weiterer Positionen, die Haltungsfragen aus den vorangegangenen Ausführungen beinhalten. Die Autorin schließt das Kapitel mit dem Hinweis, dass trotz großer Vorsätze niemand davor gefeit ist, sich eben nicht ethisch korrekt zu verhalten, sondern sich dazu hinreißen lässt, genau das Gegenteil zu tun. Damit führt sie in das zwölfte und letzte Kapitel. Hier fasst Erpenbeck die zurückliegende „Reise“ (S. 123) nochmal zusammen und plädiert aufgrund der im vorigen Kapitel deutlich gemachten Schwäche des Menschen, sich selbst nicht zu streng zu bewerten, sondern vielmehr den eigenen Themen auf der Spur zu bleiben. Im Bewusstsein darum kann der Coach eine innere Haltung entwickeln, die für seine Arbeit hilfreich ist. Dies ist jedoch ein dynamischer Prozess der einer lebenslangen Bearbeitung und Reflexion bedarf.
Diskussion
Schon die Einleitung Erpenbecks macht Lust zum Weiterlesen. Das Thema der inneren Haltung im Beratungskontext wurde selten so klar dargestellt, wie auf dieser Reise durch die eigenen Irrungen und Wirrungen jeweils mit unterschiedlichen Brillen bestückt. Es weckt eine Neugier nicht zuletzt durch die immer wieder gestellten Impulsfragen. So ist es mir als erfahrener Coach möglich, mal eben meine eigene Haltung zu überprüfen und nach zu justieren, als auch als Einsteiger sozusagen den Fallstricken und blinden Flecken in meiner Geschichte besser auf die Spur zu kommen und das Buch als eine Art Anleitung zur Entwicklung einer inneren Haltung zu nutzen. In diesem Zusammenhang sind die eigenen Fallbeispiele der Autorin sehr praxisnah und zuweilen amüsant auf den Punkt gebracht. Sie beschreibt sehr präzise und eingängig Situationen im Beratungskontext und bietet anschauliche Analysen zur Lösung. Die angebotenen Bilder lassen das theoretische Fundament lebendig werden und das sehr abstrakte Thema der inneren Haltung wird greifbar.
Die verschiedenen Bereiche, die sie auf dieser Reise umreißt können auch unabhängig voneinander gelesen werden, da die Kapitel ineinander geschlossen sind.
Erpenbeck beschreibt in Ihrem Buch eine Reise durch die verschiedenen Themenlandschaften, die sie für die Entwicklung der inneren Haltung als wichtig erachtet. Immer wieder macht sie deutlich, dass es keinen Anspruch auf Vollständigkeit gibt und eben systemisch konsequent gedacht auch nicht die eine Wahrheit. Damit belegt sie gleichzeitig die Notwendigkeit des regelmäßigen Überprüfens der eigenen Denk- und Handlungsmuster. Diese Botschaft zieht sich durch das Buch wie ein roter Faden. Dabei geht es nicht darum, die eigenen Lebensthemen zu verteufeln oder auszublenden, sondern genau das Gegenteil sie in die eigenen Identität zu integrieren. Ich würde sogar so weit gehen, dass sie für die Beratungsarbeit nutzbar gemacht werden können. Wenn ich mir meiner Verführbarkeiten bewusst bin, dann kann ich sie auch u.U. im Coaching benennen und beispielhaft auf Seite setzen. So lade ich meinen Coachee dazu ein, dasselbe mit seinem ungeliebten Thema zu machen. Die Autorin beschreibt immer wieder sehr anschaulich, wie ich mich selbst zum Instrument im Beratungssetting mache. Dazu ist es wichtig, dass ich authentisch mit mir selber im Kontakt bin. Beim Lesen des Buches kam mir die TZI nach Ruth Cohn in den Sinn. Eines der zwei Postulate heißt: „Sei Dein eigener Chairman!“ (Ruth Cohn: Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle. Klett-Cotta, Stuttgart 1975) Das Wort „Chairman“ lässt sich nicht ohne weiteres ins Deutsche übersetzen. Trotzdem nutze ich dieses Postulat immer wieder in meiner Arbeit insbesondere zur Vermittlung einer inneren Haltung. In Erpenbecks Buch wird deutlich, dass diese Chairperson in jede Station dieser Reise eine Rolle spielt. Dabei handelt es sich um einen dynamischen Prozess, der immer wieder von mir fordert, in mich hinein zu horchen.
Wenn ich mir meiner Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse bewusst bin und sie akzeptiere, muss ich mich damit nicht beschäftigen, sondern kann mich Aufmerksam meinem Gegenüber widmen. Ich kann ihm auf Augenhöhe begegnen, denn ich muss nichts unter Beweis stellen. Im Akzeptieren meiner eigenen Themen habe ich für mich schon anerkannt, was ist und weiß um die Wichtigkeit dessen. Ich übernehme für mich Verantwortung als Chairperson und kann es meinem Gegenüber auch zugestehen, für sich Verantwortung zu übernehmen. Denn und das ist aus meiner Sicht ein Hauptunterscheidungsmerkmal zur Therapie, ich arbeite mit den gesunden Anteilen des Coachees, auch wenn die Methoden häufig aus dem therapeutischen Kontext stammen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den Erpenbeck sehr gut auf den Punkt gebracht hat ist die Gestaltung einer professionellen Beziehung. Auch hier möchte ich ein Zitat von Ruth Cohn bemühen, nämlich das Prinzip der „selektiven Authentizität“ (ebd.) Natürlich kann Beratung nur funktionieren, wenn ich eine Beziehung zu meinem Gegenüber aufgebaut habe. Diese Beziehung unterliegt bestimmten Regeln, die sie von einer privaten Beziehung unterscheidet. Immer wieder erlebe ich auch heute noch, dass Beratung entweder als Therapie oder als Kaffeeklatsch abgetan wird. Genau deshalb ist dieses Thema auch so brisant und wichtig zugleich. Erpenbeck konnte in ihrem Buch sehr treffend die wichtigen Aspekte herausarbeiten und veranschaulichen.
Des Weitern möchte ich auf die in Kapitel 9 angesprochene Methodentransparenz eingehen. Erpenbeck konstatiert richtig, dass der Coach so nicht Gefahr läuft, als Wunderheiler zu gelten. Darüber hinaus kann besonders in der Supervision im pädagogischen Bereich das erklären und erläutern der Methode genutzt werden, um das Methodenrepertoire der Supervisanden zu erweitern. Ich nutze diese Möglichkeit regelmäßig in meinen Lehraufträgen mit den Studierenden der Heilpädagogik und freu mich immer wieder, wenn ich erfahre, dass sie sozusagen durch das praktische Erfahren der Methode im geschützten Denkraum des Beratungssettings deutlich mutiger in der Anwendung sind und sie als hilfreich erleben.
Das letzte Reiseziel beschäftigt sich mit dem heiklen Thema der Ethik. Anhand der „Vier ethischen Grundpositionen systemischer Therapie“ nach Schlippe und Schweitzer 2002 (S. 118) inklusive ihrer eigenen Auslegungen gibt Erpenbeck einen umfassenden Überblick und schließt gleichzeitig den Kreis.
Fazit
Erpenbeck ist es geglückt, mit ihrem Buch das Thema der inneren Haltung greifbar zu machen. Dies hat sie nicht zuletzt durch Ihre zahlreichen Impulsfragen und Praxisbeispiele erreicht. Ein gelungenes Buch für Berufseinsteiger, aber auch für jeden, der gemäß des dynamischen Prozesses seine Themen erneut überprüfen möchte.
With her book, Erpenbeck has succeeded in making the subject of inner attitude tangible. This has been achieved not least by her numerous impulse questions and practical examples. A successful book for newcomers to the profession, but also for anyone who wants to re-examine their topics according to the dynamic process.
Rezension von
Angelika Alieff-Sliepen
Sozialpädagogin / Sozialarbeiterin
Supervisorin (M.Sc.) (DGSv.)
Invisio. Praxis für systemische Beratung, Supervision und Coaching, Münster
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Zitiervorschlag
Angelika Alieff-Sliepen. Rezension vom 22.09.2020 zu:
Mechtild Erpenbeck: Wirksam werden im Kontakt. Die systemische Haltung im Coaching. Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2020. 3., überarbeitete Auflage.
ISBN 978-3-8497-0183-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27057.php, Datum des Zugriffs 05.06.2023.
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