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Sybille Hubert, Jürgen Bengel: Der Umgang mit belastenden Lebensereignissen

Rezensiert von Prof. Dr. med. Hanns Rüdiger Röttgers, 11.12.2020

Cover Sybille Hubert, Jürgen Bengel: Der Umgang mit belastenden Lebensereignissen ISBN 978-3-8017-2999-8

Sybille Hubert, Jürgen Bengel: Der Umgang mit belastenden Lebensereignissen. Ein Ratgeber zu Anpassungsstörungen. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2020. 85 Seiten. ISBN 978-3-8017-2999-8. 9,95 EUR. CH: 13,50 sFr.
Ratgeber zur Reihe »Fortschritte der Psychotherapie« - 42.

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Thema

Das Buch versteht sich als Ratgeber für den „Umgang mit belastenden Lebensereignissen“, im Untertitel wird bereits der ICD-Terminus der „Anpassungsstörungen“ aufgegriffen.

Da nahezu jeder Mensch im Laufe der Biographie mit Belastungen konfrontiert wird und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten im Umgang damit ge-, aber auch überfordert sein können, ist ein Ratgeber zu diesem Problemkomplex ein verdienstvolles Unterfangen.

Autorin und Autor

Die Autoren des Buches sind die psychologische Psychotherapeutin Sybille Hubert und der Arzt und Psychologe Prof. Dr. Dr. Jürgen Bengel, beide u.a. Autoren eines Fachbuchs zum selben Thema.

Aufbau und Inhalt

Das Buch gliedert sich nach Vorwort und begrifflichen Erläuterungen in 3 Kapitel. Im Anhang finden sich Arbeitsblätter zum eigenen Gebrauch.

Im ersten Kapitel wird der Begriff der „Anpassungsstörung“ erläutert. Wichtig ist hier vor allem die gelungene Verortung einer solchen Reaktion auf belastende Lebensereignisse als zum menschlichen Dasein gehörend. Die Sorge Betroffener, sich selbst als „psychisch krank“ zu erleben oder von Dritten stigmatisiert zu werden, wird sensibel aufgegriffen, das Phänomen als „zwischen Gesundheit und Krankheit“ stehend erklärt und der Nutzen einer formellen Diagnose als sozialrechtlicher „Türöffner“ für evtl. erforderliche therapeutische Hilfe erläutert.

Kapitel 2 thematisiert gängige Entstehungsmodelle. Die Autoren schaffen es, auch komplexe lernpsychologische Mechanismen wie den „zweischrittigen Bewertungsprozess“ (Ist das Ereignis ein lebensveränderndes Ereignis? Besteht Anpassungsbedarf? Wenn ja, stehen mir die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung oder benötige ich externe Unterstützung?) in Sprache und Abbildung verständlich darzustellen. Die Autoren stellen zudem überzeugend dar, warum nicht etwa das „objektive Ausmaß“ einer Belastung, sondern die persönliche Interpretation und Bewertung entscheidend sind. Das Kapitel enthält plausible Fallvignetten, mit denen die Darstellungen jeweils konkret und gut nachvollziehbar gemacht werden.

Kapitel 3 befasst sich mit den Hilfsmöglichkeiten und deckt dabei das gesamte Spektrum von der Selbsthilfe und der Nutzung persönlicher Netzwerke über die hausärztliche Unterstützung (allgemein und im Rahmen der sog. psychosomatischen Grundversorgung) bis hin zur störungsspezifischen Psychotherapie ab. Besonders hervorzuheben ist die sachliche, transparente und gut nachvollziehbare Darstellung psychotherapeutischer Methoden: diese wirkt entängstigend, setzt sich zudem in ihrer konkreten Formulierung wohltuend von den teils spektakulär wirkenden, teils wolkig-esoterischen Angeboten in der Heiler- und Heilpraktiker-Szene ab. Auch wenn dies nicht explizit im Buch aufgegriffen wird: neben der Gefahr, dass Menschen mit Anpassungsstörungen gar nicht versorgt werden, wodurch das Risiko der Chronifizierung und der Entwicklung von Folgeerkrankungen steigt, besteht im „bunten“ Angebot in Deutschland ja zudem die Gefahr, dass diese Menschen in einer verletzlichen biographischen Phase an unseriöse Anbieter geraten und neben dem finanziellen oft auch gesundheitlichen Schaden erleiden. Wissenschaftlich begründete Psychotherapie greif- und begreifbar zu machen, ist ein Verdienst des Buches. Damit leistet es indirekt auch einen Beitrag zum gesundheitlichen Verbraucherschutz; hierzu trägt auch die Warnung vor einem leichtfertigen Griff zu Tranquilizern bei.

Fazit

Das Buch bietet einen formal und inhaltlich gelungenen, kompakten und aktuellen Überblick zur wichtigen Problematik der Reaktionen von Menschen auf belastende Lebensereignisse, die in der ICD-10 als „Anpassungsstörungen“ klassifiziert werden. Erscheinungsbild, Abgrenzung zu anderen Störungen und Interventionsmöglichkeiten werden auf dem derzeitigen Wissensstand dargestellt. Besonders hervorzuheben ist eine realitätsnahe und entängstigende Darstellung praktischer psychotherapeutischer Interventionen. Es wendet sich primär an „Betroffene und Angehörige“, ist aber vom fachlichen Niveau durchaus auch für Angehörige sozialer Berufe und ehrenamtliche wie hauptberufliche Beschäftigte in Beratungsstellen geeignet. Formal gesehen ist das Buch nachvollziehbar gegliedert, übersichtlich gestaltet und sauber redigiert. Die Sprache ist klar, die Argumentation stets schlüssig.

Rezension von
Prof. Dr. med. Hanns Rüdiger Röttgers
Politikwissenschaftler (M.A.) und Mediziner (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Öffentliches Gesundheitswesen, Umweltmedizin), Lehrgebiet Gesundheitswissenschaft und Sozialmedizin, Leiter des Masterstudiengangs Therapie, Förderung, Betreuung (Clinical Casework) – Psychosoziale Hilfen für gesundheitlich gefährdete, erkrankte und behinderte Menschen, Fachbereich Sozialwesen, Fachhochschule Münster.
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Es gibt 11 Rezensionen von Hanns Rüdiger Röttgers.

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Zitiervorschlag
Hanns Rüdiger Röttgers. Rezension vom 11.12.2020 zu: Sybille Hubert, Jürgen Bengel: Der Umgang mit belastenden Lebensereignissen. Ein Ratgeber zu Anpassungsstörungen. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2020. ISBN 978-3-8017-2999-8. Ratgeber zur Reihe »Fortschritte der Psychotherapie« - 42. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27123.php, Datum des Zugriffs 03.12.2023.


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