Franz Dormann, Jürgen Klauber et al.: Qualitätsmonitor 2020
Rezensiert von Prof. Dr. Harald Christa, 05.02.2021

Franz Dormann, Jürgen Klauber, Ralf Kuhlen: Qualitätsmonitor 2020.
MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
(Berlin) 2020.
320 Seiten.
ISBN 978-3-95466-511-2.
D: 39,95 EUR,
A: 41,15 EUR,
CH: 48,00 sFr.
Reihe: Qualitätsmonitor.
Thema
Die Gesundheitsversorgung in Deutschland zählt zu den besten der Welt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass keine Potenziale der Optimierung vorhanden wären. Aufgrund der historisch gewachsenen engen Korrespondenz von Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung finden sich Ansätze eben nicht nur in der medizinischen Kunst an sich, sondern auch in einer zeitgemäßeren strukturellen Ausgestaltung, auch – oder vielleicht gerade – im klinischen und präklinischen Sektor.
Entstehungshintergrund
Seit einigen Jahren erscheint im Programm der Medizinisch Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft ein Qualitätsmonitor, welcher sich schwerpunktmäßig wesentlichen Facetten der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung im Bereich der Medizin bzw. Gesundheitsversorgung widmet und sich als ein Forum zum Diskurs rund um gesundheitspolitische Fragen versteht. Der Schwerpunkt des nunmehr erschienenen Qualitätsmonitors 2020 liegt auf der Notfallversorgung.
Herausgeber
Franz Dormann ist Geschäftsführer des Gesundheitsstadt Berlin e.V. und der Gesundheitsstadt Berlin GmbH sowie der Berlin Med International GmbH.
Jürgen Klauber ist Mitglied der Geschäftsführung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Ralf Kuhlen ist Mitglied der Helios-Konzerngeschäftsführung und hat den Vorsitz des wissenschaftlichen Beirats des IQM Initiative Qualitätsmedizin e.V.
Aufbau und Inhalt
Die Publikation ist ein Sammelband und enthält 16 Beiträge in zwei übergeordneten Abschnitten.
Abschnitt I ist überschrieben mit „Versorgungssystem unter Qualitätsaspekten gestalten“ und enthält 14 Beiträge.
In den ersten beiden Beiträgen (von Anja Hohmann und Davis Herr sowie von Michael Slowik und Kerstin Bockhorst) geht es um die Struktur sowie den Reformbedarf in der Deutschen Notfallversorgung. Thematisiert werden unter anderem die Herausforderungen, die durch strukturelle Problematiken sowie durch Fehlinanspruchnahmen entstehen. Die anschließenden beiden Beiträge (von Laura Oschmann, Ulrike Nimptsch, Martin Möckel, Claudia Römer und Alexander Geissler sowie von Borin Augurzky, Andreas Beivers und Alexander Haering) untersuchen Möglichkeiten der Umsetzung von Reformvorschlägen, unter anderem durch die Analyse der Zusammenhänge zwischen Notfallstufen in der stationären Versorgung und den Komplikationsraten in der Versorgung schwerer Fälle. Die nächsten drei Beiträge (von Heinrich J. Audebert, von Frederik Geisler, Karl Heinrich Scholz sowie von Meryam Schouler-Ocak) beziehen sich auf einzelne Indikationen. So geht es unter anderem um den Umgang mit Sprachbarrieren in der psychiatrischen Notfallversorgung von Migrantinnen und Migranten und um die spezialisierte Versorgung von Schlaganfällen im Hinblick auf den möglichen Outcome unter besonderer Beachtung der Zeitspanne zwischen Erstkontakt und Trombektomie bei mobilen Rettungsmitteln.
Die folgenden Beiträge (von Thomas Luiz sowie von Martin Möckel, Tobias Lindner und Ralf Offermann) beziehen sich auf den Rettungsprozess unter dem Aspekt der Digitalisierung und entsprechender Potenziale der Qualitätsentwicklung. Skizziert wird zum Beispiel ein Stand der aktuellen Technologien und der Umsetzung im Rettungswesen. Eingegangen wird unter anderem auf Defizite, die aus rechtlichen und organisatorischen Gegebenheiten resultieren. Ein praxisrelevanter Beitrag geht auch auf die Telemedizin ohne Arzt und die Möglichkeiten von sogenannten „Echtzeitdatenbanken“ ein.
Die nächsten zwei Beiträge (von Dominik Brammen, Felix Greiner, Anna Slagman und Susanne Drynda sowie von Torsten Lohs) können dem Stichwort „Evaluation“ zugeordnet werden. Welche Daten eigentlich für eine adäquate Analyse notwendig sind, wird in einem Beitrag untersucht, der andere skizziert die Qualitätssicherung im Rettungsdienst am Beispiel der trägerübergreifenden Kooperation im Rettungsdienst Baden-Württemberg.
Zwei weitere Texte (von Felix Hoffmann, Franca Starke und Nawid Khadali sowie von Dagmer Drogan, Waltraut Pfeilschifter, Karl Heinrich Scholz, Josef Zacher und Christian Günster) gehen auch auf bisherige Erfahrungen mit der SARS-CoV-2-Pandemie ein. Es geht thematisch um die Implikationen für die Notfallversorgung am Beispiel des Darmstädter Versorgungsgebiets sowie um die Effekte des Lockdowns in Deutschland auf die stationäre Behandlung von Patienten mit Herzinfarkt, Schlaganfall und Hüftfraktur.
Der zweite Abschnitt trägt den Titel „Die stationäre Versorgung ausgewählter Behandlungsanlässe in Deutschland“ und enthält zwei Beiträge (beide von Dagmar Drogan und Christian Günster).
Nach einer Übersicht zu den Eckdaten stationärer Versorgungsstrukturen für ausgewählte Behandlungsanlässe wird anhand umfangreicher Statistiken ein Krankenhausmonitor für alle Bundesländer dargelegt. Sehr detailliert sind im ersten Beitrag indikationsspezifische Fallmengen und deren Verteilung unter den Krankenhäusern sowie Daten aus der stationären Qualitätssicherung gemäß § 136 SGB V dargestellt. Der zweite Beitrag präsentiert eine Liste von Kenngrößen für etwa 1600 Kliniken, die die Notfallindikationen Herzinfarkt, Schlaganfall sowie hüftgelenknahe Femurfraktur behandelt haben.
Diskussion
Dieser Sammelband enthält durchgehend Beiträge von hochkarätigen Spezialistinnen und Spezialisten aus den oben genannten Bereichen der Medizin. Die Beiträge enthalten profilierte Analysen auf der Basis von fundierten Daten, die von den Autorinnen und Autoren herausgearbeiteten Reformvorschläge berücksichtigen auch systemische Zusammenhänge der Notfallversorgung. Das „Gesamtkunstwerk Gesundheitsversorgung“ hat naturgemäß vielfältige Hintergründe, Beteiligte und Strukturen, sie bleibt bei allen bisherigen Fortschritten sicherlich auch weiterhin work in progress. Der vorliegende Sammelband hat jedoch einen besonderen Status, die Implikationen einer hervorragenden Notfallversorgung für Leben und Überleben von Menschen liegen auf der Hand. Das Thema Qualität ist daher gerade in diesem Bereich der Medizin und des Rettungswesens mit Priorität zu versehen, wissenschaftliche Beiträge zu dieser Thematik verdienen eine angemessene Berücksichtigung. Dem „Qualitätsmonitor 2020“ kann attestiert werden, dass er einen wesentlichen Beitrag zur Debatte über ein nachhaltiges Veränderungsmanagement in der Notfallversorgung in Deutschland leistet.
Fazit
Der „Qualitätsmonitor 2020“ ist diesmal bezogen auf wichtige Fragen der Qualität und Qualitätsentwicklung im Sektor der Notfallversorgung. In 16 Beiträgen thematisieren ausgewiesene Expertinnen und Experten wichtige Fragen rund um den Status von Rettung und Behandlung in ausgewählten Indikationen. Der Band ist ein wichtiger Impuls im Diskurs rund um die weitere Verbesserung der Notfallversorgung in Deutschland.
Rezension von
Prof. Dr. Harald Christa
Professor für Sozialmanagement an der Evangelischen Hochschule Dresden mit Schwerpunkt Sozio-Marketing, Strategisches Management, Qualitätsmanagement/ fachliches Controlling.
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