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Karin J. Lebersorger, Georg Sojka et al. (Hrsg.): Herausforderung Kind

Rezensiert von Katharina Heitmann, 22.10.2020

Cover Karin J. Lebersorger, Georg Sojka et al. (Hrsg.): Herausforderung Kind ISBN 978-3-95558-279-1

Karin J. Lebersorger, Georg Sojka, Peter Zumer (Hrsg.): Herausforderung Kind. Ambulante institutionelle psychodynamische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2020. 228 Seiten. ISBN 978-3-95558-279-1. D: 19,90 EUR, A: 20,50 EUR.

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Thema und Entstehungshintergrund

Das vorliegende Buch thematisiert die psychodynamische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie im ambulanten, institutionellen Setting. Grundlage für das Buch sind zum einen Fachvorträge und Workshopthemen im Rahmen einer wissenschaftlichen Tagung, die anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Instituts für Erziehungshilfe (Child Guidance Clinic) in Wien gehalten wurde. Die meisten Beiträge haben demnach einen engen Bezug zur Child Guidance Clinic und spiegeln die dortigen Angebote und Arbeitsweisen wieder. Neben diesen Beiträgen finden sich auch Artikel in dem Buch in denen aktuellen Fragestellungen nachgegangen werden, welche die tägliche psychotherapeutische Arbeit betreffen.

HerausgeberInnen und AutorInnen

Die HerausgeberInnen sind in führenden und leitenden Positionen am Institut für Erziehungshilfe (Child Guidance Clinic) tätig. Die meisten der AutorInnen sind (ehemalige) MitarbeiterInnen des Institutes. Internationale Beiträge sind durch Pretorius und Günter vertreten.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst 14 Beiträge und ist in folgende vier Themenbereiche unterteilt:

  • Gestern – Heute – Morgen (3 Beiträge)
  • Kinderpsychotherapie (6 Beiträge)
  • Eltern-Kleinkind-Psychotherapie (3 Beiträge)
  • Eltern und Pflegeeltern (2 Beiträge)

Gestern – Heute – Morgen

Der erste Beitrag umfasst Auszüge der Festrede Paulus Hochgatterer anlässlich des 70jährigen Bestehens des Instituts für Erziehungshilfe „Stimmt es, dass ich gar nichts bin?“. Zunächst skizziert er persönliche Erfahrungen mit dem Institut und widmet sich dann dem Thema Scham und Bedeutung.

Der Beitrag von Wilfried DatlerVeränderte Zeiten – veränderte Aufgaben. Anmerkungen zur Geschichte der Child Guidance Clinic in Wien“ stützt sich neben Gesprächen auf Publikationen der Child Guidance Clinic in Wien. Von der Gründung bis heute beschreibt er mit welchen Herausforderungen das Institut konfrontiert war und ist.

In ihrem Artikel „Alles umsonst – Psychotherapie und Effizienz“ beschreibt Sabine Götz warum die Arbeit im Institut für Erziehungshilfe nicht vergebens ist. Sie geht der Frage nach, wie man Familien effizient/wirksam behandelt, insbesondere diejenigen die nicht gewohnt sind über ihre innere Welt nachzudenken und zu sprechen. Zudem betont sie, wieso der Austausch mehrerer Helfersysteme unerlässlich ist.

Kinderpsychotherapie

Inge-Martine Pretorius stellt in ihrem Beitrag „Wiederholung und Wiederbelebung einer präverbalen Erinnerung im Spiel“ die Analyse eines zu Beginn der Therapie 6-jährigen Jungen dar, der als Kleinkind den Mord an seiner Mutter ansehen musste und unter einem chronisches Trauma leidet. Der Junge lebt während der Therapie bei seinen Adoptiveltern und macht dort durch den Weggang eines Au-pairs die wiederholte Erfahrung des Verlassenwerdens. Es wird ausführlich dargestellt, wie er im Rahmen der Analyse das Spiel nutzt um seine Erinnerungen an das Trauma wiederzubeleben und zum Ausdruck zu bringen. Der Artikel endet mit abschließenden Überlegungen zum Verlauf der Therapie, welche die Autorin in vier Phasen unterteilt hat.

In dem Artikel „Psychotherapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zwischen Sozialpsychiatrie, Familientherapie, Psychoedukation und Erziehung – Wozu Psychoanalyse?“stellt Michael Günter dar, wie ein psychoanalytisch orientiertes Gesamtbehandlungskonzept dazu führt die Kompetenz und Psychohygiene der Mitarbeiter zu stärken. Dabei geht es um unbewusste Konflikte und Wünsche des Patienten, die Kontrolle der Gegenübertragungsreaktion sowie die unbewusste Reaktion des Patienten auf Behandlungsangebote. Mithilfe von drei klinischen Fallbeispielen veranschaulicht Günter dies.

 „Sprich mit mir über das was ich nicht hören kann“ – Überlegungen zur Entwicklung der Affektregulation im Rahmen der Psychotherapie bei einer strukturschwachen Patientin lautet der Artikel von Sabine Freilinger. Sie stellt dar, welche therapeutischen Interventionen zur strukturellen Veränderungen bei ihrer Patienten beigetragen haben. Zum besseren Verständnis stellt Freilinger zunächst Überlegungen hinsichtlich der Diagnostik und Entstehung der Problematik an. Anschließend widmet sie sich der Frage „Was hat geholfen?“, um dem Ziel der Entwicklung eines Denk- und Fühlraumes näher zu kommen.

Spielend verstehen – Das Squiggle von Donald W. Winnicott“lautet der Beitrag von Tina Zumer-Haslehner. Zunächst geht sie drauf ein, was Freud unter dem Spiel eines Kindes verstand. Es wird dargestellt wozu das Squiggle dient und wie es verwendet wird. Anhand zweier Squiggle Beispiele aus einem Buch von Winnicott, sowie einem Beispiel aus der eigenen Praxis von Zumer-Haslehner, wird mithilfe von Abbildungen die Arbeit anschaulich dargestellt und reflektiert.

In seinem Artikel „Encounter with the Internal Saboteur. Ausschnitte aus der ambulanten institutionellen psychotherapeutischen Behandlung des Kindes“ beschreibt Peter Zumer anhand eines Fallbeispiels, wie elementar wichtig es ist Gegenübertragungsgefühle wie Aggression und Wut mit dem Patienten durchzuarbeiten, um so eine erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten.

Die Thematik: „Auf Vatersuche in der Wehrmacht und dem IS – Wenn Politik ins Spielzimmer dringt“ greift Karin J. Lebersorge auf, indem sie drei verschiedene Sequenzen aus einer wöchentlich zweistündigen psychoanalytischen Psychotherapie einbringt. Sie schildert dazu Gegenübertragungsproblematiken und auch die eigenen Grenzen als TherapeutIn im Hinblick auf politische Themen.

Eltern – Kleinkind – Psychotherapie

Sabine Fiala-Preinsperger stellt in ihrem Beitrag: „Ich verstehe mehr als ihr denkt. Dialog zwischen Säugling, Eltern und Psychoanalytikerin“ verschiedene Zugänge, sowie die Anwendung und Ziele der Eltern-Säuglings-Therapie dar und veranschaulicht dies anhand von Praxisbeispielen. Es wird diskutiert wie wichtig der Einbezug des Säuglings als Person ist und welche Rolle psychische Austauschprozesse über die Sinnesorgane spielen.

„(Start-)Hilfe für das Baby 5.0. Eltern-Kleinkind-Psychotherapie mit Familien nach medizinisch assistierter Reproduktion“ lautet der Artikel von Karin J. Lebersorge. Sie geht darauf ein, dass psychischen Belastungen mit einer künstlichen Befruchtung einhergehen können und thematisiert mögliche Schwierigkeiten das Wunschkind postnatal positiv zu besetzen. Darüber hinaus nimmt sie den Umgang mit der Thematik auf Elterneben wie auch auf Eltern-Kind-Ebene näher in den Blick und stellt die Bedeutung für die Eltern-Kleinkind-Psychotherapie dar.

In ihrem Beitrag „Eine Autismus-Spektrum-Störung oder doch nicht? Frühe Intervention in einer therapeutischen Eltern-Kleinkind-Gruppe“ beschreibt Inge-Martine Pretorius zunächst Setting, Ziele und Interventionen der Eltern-Kleinkind-Gruppen des Anna-Freud-Zentrums. Anhand eines Fallbeispiels indem eine Mutter mit ihrem 21 Monate alten Sohn die Gruppe besucht zeigt sich, wie durch frühzeitige Interventionen maladaptive Muster nicht etabliert werden. Psychodynamische Zusammenhänge werden ebenfalls dargestellt.

Eltern und Pflegeeltern

 „Nicht ohne meinen Vater! Die Bedeutung des Vaters in der begleitenden Elternberatung am Beispiel der Wiener Child Guidance Clinic“lautet der Beitrag von Susanna Eder-Steiner. Zunächst geht sie auf die wichtige triangulierende Rolle der Väter bei der Entwicklung eines Kindes ein und anschließend auf fehlende/abwesende Väter die ebenfalls die kindliche Entwicklung beeinflussen. Anhand von drei Fallvignetten wird die Arbeit mit Vätern und wie man abwesende Väter erreichen kann, dargestellt.

Sabine Waldhuber stellt in ihrem Beitrag „Pflegeeltern Supervision – Vom Halten und Gehaltenwerden“ das Angebot der Pflegeltern-Gruppen am Institut für Erziehungshilfe in Wien dar. Die Pflegeeltern werden durch PsychotherapeutInnen supervidiert. Zentrale Themen sind u.a. Psychoedukation, Selbstreflexion, belastenden Erfahrungen und Besuchskontakte. Der Erfahrungsaustausch unter den Pflegeeltern und die Gruppe als haltgebendes Element werden als elementar wichtig eingeschätzt.

Diskussion

Das Buch bietet eine bunte Mischung verschiedener Themen, welche die psychotherapeutische Arbeit betreffen. Die Beiträge sind verständlich geschrieben und durch die Vielzahl an Fallbeispielen ist ein sehr enger Praxisbezug gegeben, was das Lesen wiederrum interessant und spannend macht. Für die eigene psychotherapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und deren Bezugspersonen kann man sehr gut Ideen und Anregungen mitnehmen.

Auch wenn die meisten Beiträge sich explizit mit den Angeboten und Arbeitsweisen des Instituts für Erziehungshilfe in Wien (Child Guidance Clinic) auseinandersetzten, sind das dadurch vermittelte Wissen und die verschiedenen Erfahrungen nicht nur für Erziehungsberatungsstellen hilfreich, sondern insbesondere auch für die Arbeit in ambulanten psychotherapeutischen Praxen.

Hervorzuheben ist, dass unter anderem sehr aktuelle und für die Psychotherapie wichtige Themen wie der Beitrag zur assistierten Reproduktion Platz in dem Herausgeberwerk gefunden haben. Betont werden sollte auch der Beitrag von Günter, dessen Artikel streng genommen nicht ganz zum Buchtitel passt (der Beitrag bezieht sich nicht auf den ambulanten sondern auf den stationären Kontext). Er stellt sehr anschaulich und gut dar, wieso die Psychoanalyse/das psychodynamische Arbeiten welches im stationären Setting ins Hintertreffen geraten ist, trotz dessen so bedeutsam und wichtig ist und auch dort seinen Platz haben muss.

Fazit

Im Mittelpunkt des vorliegenden Buches steht die psychodynamische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Die meisten Artikel geben einen Einblick in die ambulante therapeutische Arbeit des Institutes für Erziehungshilfe (Child-Guidance Clinic) in Wien. Das Angebotsspektrum des Institutes spiegelt sich in der großen Bandbreite der Beiträge wieder. Empfohlen werden kann das Buch insbesondere psychodynamisch arbeitenden Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen im ambulanten und stationären Setting.

Rezension von
Katharina Heitmann
M.A., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Klinisch-therapeutische Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin
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Es gibt 6 Rezensionen von Katharina Heitmann.

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Zitiervorschlag
Katharina Heitmann. Rezension vom 22.10.2020 zu: Karin J. Lebersorger, Georg Sojka, Peter Zumer (Hrsg.): Herausforderung Kind. Ambulante institutionelle psychodynamische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie. Brandes & Apsel (Frankfurt) 2020. ISBN 978-3-95558-279-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27220.php, Datum des Zugriffs 18.01.2025.


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