Pia Callesen: Lebe mehr, grüble weniger
Rezensiert von Elisabeth Vanderheiden, 03.08.2020

Pia Callesen: Lebe mehr, grüble weniger. Mit klarem Kopf Niedergeschlagenheit und Depression loswerden.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2020.
206 Seiten.
ISBN 978-3-407-86582-3.
D: 17,95 EUR,
A: 18,50 EUR,
CH: 20,23 sFr.
Verfasser einer Einleitung: Adrian Wells, Übersetzerin: Kerstin Schöps.
Thema
Pia Callesen zeigt in ihrem Buch Wege auf, wie mithilfe Metakognitiver Therapie Depressionen und ihre Anfänge – tiefe Niedergeschlagenheit bearbeitet werden können. Es wird beschrieben, wie Betroffene lernen, negative und zwanghafte Grübelschleifen zu durchbrechen, die der Auslöser für Stimmungstiefs sein können.
Autorin
Dr. phil. Pia Callesen ist Psychologin und Psychotherapeutin mit Schwerpunkt Metakognitive Therapie in Dänemark tätig. Ausbildung u.a. in Manchester. Sie ist Leiterin von CEKTOS, dem Center für Metakognitive Therapie in Kopenhagen, Århus, Næstved und Hellerup. Ihre Praxis bietet auch Therapie in Witten, NRW, und Onlinetherapie auf Englisch und Deutsch an (Verlagsangaben).
Aufbau und Inhalt
Die Autorin geht davon aus, dass Depressionen weniger auf genetische Disposition oder Umwelteinflüsse und negative Gedanken zurückzuführen sind, sondern viel eher das Resultat einer fehlgeschlagenen Strategie aus Gedanken- und Verhaltensmustern sind (12). Sie bezieht sich in ihrem Buch auf die von Adrian Wells entwickelte Metakognitive Therapie, die darauf beruht, sich im Interesse des eigenen Wohlbefindens weniger als mehr mit den eigenen Gedanken und Gefühlen zu befassen (23). Die Autorin selbst hat die Effekte dieser Therapieform über sechs Jahre in einer vergleichenden Studie mit 153 Patient*innen erforscht und kam zum Schluss, dass mithilfe der Metakognitiven Therapie signifikant bessere Ergebnisse erzielt werden konnten.
Callesen führt zunächst in Wells S-REF-Modell ein, ein Selbstregulierungs- und Funktionsmodell psychischer Leiden, das drei Ebenen unterscheidet, auf der der menschliche Geist operiert:
- Unterste Ebene mit ca. 70.000 automatisierten Gedanken und Impulsen pro Tag
- Mittlere, kontrollierte Ebene, auf der über die Strategien entschieden wird, wie damit umgegangen wird
- Obere Ebene mit der Fülle des metakognitiven Wissens und der Überzeugung, welche Strategien funktional sind (29).
Sie nimmt ebenso Bezug auf das von Wells und Matthews identifizierte Kognitive Aufmerksamkeitssyndrom, das mit folgenden Symptomen verbunden ist
- Grübeln
- Mangelndes Kontrollgefühl
- Passivität
- Biologistisches Verständnis von Depression (58).
Ziel der Metakognitiven Therapie ist es, Menschen die Kontrolle über ihr Grübeln zurückzugeben und so negative Stimmungen zu vermeiden. Dazu sollen Triggergedanken identifiziert werden und eine Analyse durchgeführt werden, wieviel Zeit in der Regel mit Grübeln verbracht wird. Es wird in die Typologie der unterschiedlichen Triggergedanken eingeführt. Zur Vermeidung oder Überwindung von Depressionen hält es Callesen für entscheidend, dass Menschen: „die Kontrolle übernehmen und den Umfang von Zeit, Energie und Aufmerksamkeit bestimmen, den wir für das Grübeln verwenden wollen.“ (77).
Sie führt ein Metakognitives Modell nach Wells ein, in dem der Weg vom Grübeln in die Depression nachvollzogen wird (78) und stellt drei konkrete Fallbeispiele vor, an denen sie die Therapie und ihre Vorgehensweise illustriert, bei der es im Wesentlichen darum geht, die Zeit, die für das Grübeln aufgewendet werdet, zu limitieren und auf einen zuvor definierten Zeitraum zu begrenzen. Das schafft Raum, sich auf Anderes zu fokussieren, dem endlosen Grübelzirkel zu entfliehen, Triggergedanken die Macht zu nehmen.
Fazit
Metakognitive Verfahren, als Reflektionen eigener kognitiver Prozessen, um sich der eignen Gedanken zu vergewissern und die Kontrolle über die eigenen Kognitionen zu erlangen, sind nicht neu und in der Pädagogik beispielsweise schon seit den 90iger Jahren bekannt und werden teils mit nachweisbar nachhaltigen Erfolgen eingesetzt.
Callesen stellt nun metakognitive Verfahren für die Therapie vor. Sie beschreibt sowohl einen theoretischen Rahmen, nennt Fallbeispiele und gibt Anregungen für Übungen. Ihre Ausführungen sind gut nachvollziehbar, sodass das Buch durchaus auch für Menschen, die zu Grübeln und Melancholie, vielleicht auch an einer leichten Depression leiden, als Selbsthilfeleitfaden nutzbar ist. Definitiv hält es Anregungen für Therapeut*innen bereit, die nach einer neuen Kurzzeittherapieform für Menschen mit Depressionen suchen.
Rezension von
Elisabeth Vanderheiden
Pädagogin, Germanistin, Mediatorin; Geschäftsführerin der Katholischen Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz, Leitung zahlreicher Projekte im Kontext von beruflicher Qualifizierung, allgemeiner und politischer Bildung; Herausgeberin zahlreicher Publikationen zu Gender-Fragen und Qualifizierung pädagogischen Personals, Medienpädagogik und aktuellen Themen der allgemeinen berufliche und politischen Bildung
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