Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Kirstin Drenkhahn, Bernd Geng et al. (Hrsg.): Kriminologie und Kriminalpolitik im Dienste der Menschenwürde

Rezensiert von Prof. Dr. Helmut Kury, 30.07.2020

Cover Kirstin Drenkhahn, Bernd Geng et al. (Hrsg.): Kriminologie und Kriminalpolitik im Dienste der Menschenwürde ISBN 978-3-96410-014-6

Kirstin Drenkhahn, Bernd Geng, Joanna Grzywa-Holten, Stefan Harrendorf, Christine Morgenstern (Hrsg.): Kriminologie und Kriminalpolitik im Dienste der Menschenwürde. Festschrift für Frieder Dünkel zum 70. Geburtstag. Forum Verlag Godesberg GmbH (Mönchengladbach) 2020. 1091 Seiten. ISBN 978-3-96410-014-6. D: 89,00 EUR, A: 91,50 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thematische Einführung

Die Festschrift für Frieder Dünkel, einem der führenden Kriminologen in Deutschland, insbesondere im Bereich (Jugend-)Strafrecht, Strafvollzug und Resozialisierung, enthält, wie die Herausgeber in ihrem Vorwort ausführen (S. V) „fünfundfünfzig Beiträge von Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schülern, Mitstreiterinnen und Mitstreitern, Freundinnen und Freunden … Zusammengekommen sind Beiträge aus 21 Ländern aus den Bereichen, in denen Frieder Dünkel forschend und lehrend aktiv war und ist – Kriminologie, Kriminalpolitik, strafrechtliche Sanktionen, Jugendstrafrecht, Straf- und Maßregelvollzug. Es finden sich Rückblicke und Überblicke, Fallstudien und Detailaufnahmen, Dauerbrenner und aktuelle Probleme, Theorie und Empirie, Landesspezifisches, Europäisches und Internationales“. Besonders hervorgehoben wird sein Engagement und seine Arbeiten zur Jugendstrafrechtsreform in Deutschland und international, zur Behandlung von Straffälligen im Rahmen eines gerechten Sanktionensystems, zu internationalen kriminalpolitischen Analysen und zur Bedeutung der Achtung der Menschenrechte (S. VI). 

Diese einführenden Worte der Herausgeberinnen und Herausgeber beschreiben recht gut den Inhalt des umfangreichen Werkes. Der Jubilar, Frieder Dünkel, wurde 1950 in Karlsruhe geboren, studierte Rechtswissenschaften und drei Semester Psychologie. Noch während des Studiums sammelte er praktische Erfahrungen hinsichtlich Straffälligkeit in einer Mitarbeit an der „Anlaufstelle für Strafentlassene“ in Freiburg, was seine spätere wissenschaftliche Arbeit hinsichtlich eines resozialisierungsförderlichen Umgangs mit Straffälligen anregte.

Aufbau und Überblick – Inhalt

Die Herausgeber gliedern die fünfundfünfzig Beiträge des Bandes in vier Kapitel. Aufgrund des Umfangs des Werkes können hier nur einige Aspekte bzw. Beiträge angesprochen werden. Kapitel I (S. 3–305) beinhaltet 15 Texte zu der Thematik „Kriminologie und Kriminalpolitik“.

Cid (S. 17–38) beschäftigt sich mit einem Thema, zu dem auch der Jubilar immer wieder gearbeitet hat, der Freiheitsstrafe, berichtet Ergebnisse aus Spanien. In der vergleichenden Pönologie wird die Gefangenenrate (Zahl der Inhaftierten pro 100.000 der Bevölkerung) als Maß für die Punitivität in einem Lande genommen. Die Gefangenenzahlen variieren in den europäischen Ländern erheblich, reichen etwa von 51 in Finnland bis 235 in Litauen (S. 18). Wesentliche Faktoren, welche die Zahl der Gefangenen beeinflussen, sind das Ausmaß an Neuinhaftierungen und die Dauer der Haft, die jeweils deutliche regionale Unterschiede zeigen. Was die Entwicklung der Gefangenenrate in Spanien betrifft, stieg diese ab 1984 bis 1994 deutlich an, stabilisierte sich dann, um allerdings ab 2000 bis 2010 erneut deutlich zu steigen. Seither geht die Zahl der Gefangenen dann deutlich zurück, liegt 2018 bei 127. In dem Zeitraum von 1980 bis 2018 stieg auch die durchschnittliche Länge der Haftzeit um etwa das Fünffache an (S. 29). Der Autor diskutiert differenziert die Faktoren, die zu einem Wandel in den Inhaftierungszahlen in Spanien beigetragen haben.

Egg diskutiert in seinem Beitrag das Thema „Migration und Kriminalität“ (S. 39–54), betont, dass es sich hierbei keineswegs um eine neue Thematik, sondern um einen seit Jahren kriminalwissenschaftlich untersuchten Bereich handelt, wie etwa auch die Periodischen Sicherheitsberichte der Bundesregierung belegen. Der Autor kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, „dass mit der enormen Zunahme von Migranten in den Jahren 2015 und 2016 eine zum Teil deutliche Steigerung der Kriminalitätsraten und der Opfergefährdungszahlen – nicht zuletzt für die Migranten selbst – verbunden war“ (S. 53). In diesem Zusammenhang gehe es vorwiegend um eine Verbesserung kriminalpräventiver Maßnahmen und einen wirksamen Opferschutz. Feltes beschäftigt sich kritisch mit der sogenannten „Rockerkriminalität“, Maßnahmen auf strafprozessualer, polizeilicher und verwaltungsrechtlicher Ebene (S. 55–71), „die mit einem sog. ‚administrativen Ansatz‘ miteinander verbunden werden“. Wie der Autor betont (S. 55) werden dabei „die jeweiligen rechtlichen Grenzen bedenkenlos überschritten mit dem Hinweis darauf, dass angeblichen Gefahren nicht anders begegnet werden könne“. Schon immer habe „die Polizei auf andere als straf- oder polizeirechtliche Mittel zurückgegriffen, wenn sie das Gefühl hatte, ein ‚Problem‘ nicht oder nicht ausreichend mit Hilfe der in der Strafprozessordnung oder dem Polizeirecht vorgesehenen Maßnahmen bekämpfen zu können“(S. 56). Bei den Maßnahmen gegen die sog. „Rockerkriminalität“ nutze die Polizei nun einen in die „Grundrechte eingreifenden Ansatz“. Präventionsmaßnahmen seien gerade auch hier kritisch zu sehen, diese könnten genutzt werden, „um rechtswidrige Maßnahmen zu vertuschen bzw. rechtspolitisch zu legitimieren“ (S. 69).

Geng u. Kühn (S. 73–100), die seit Jahrzehnten mit dem Jubilar zusammenarbeiten, gehen auf das Thema der „Didaktik der Kriminologie“ ein, eine gerade auch in Deutschland, wo die Kriminologie nach wie vor von der Rechtswissenschaft dominiert wird, immer noch aktuelle Problematik. Die Autoren betonen (S. 97), „dass sozialwissenschaftliche Methoden für die kriminologische Forschung eine wichtige Grundlage darstellen“. Im Hinblick auf die Stellung der Kriminologie an den Universitäten „wäre eine Einbindung von sozialwissenschaftlichen Grundlagen und Methoden in der Lehre und wissenschaftlichen Nachwuchsförderung mehr als sinnvoll und dringend angezeigt“. Der Jubilar habe sich immer wieder um eine solche Einbindung der empirischen Sozialwissenschaften in die Kriminologie bemüht. Nach Heinz (S. 101–133), der in seinem Beitrag „Kriminalität und Kriminalitätskontrolle in Mecklenburg-Vorpommern“ diskutiert und eine Fülle vergleichender Daten präsentiert, ist es dem Jubilar zu verdanken, „dass Mecklenburg-Vorpommern das kriminologisch am intensivsten untersuchte Bundesland ist“ (S. 101). Einen weiteren Beitrag zu „Migration und Kriminalität“ tragen Jehle u. Lewis bei (S. 135–159), vergleichen dabei Deutschland mit England & Wales. Trotz jeweiliger Besonderheiten fanden die Autoren Gemeinsamkeiten: „Zuwanderung löst Kriminalitätsängste aus und führt zu vermehrten fremdenfeindlichen Straftaten, obwohl in beiden Ländern die Gesamtkriminalität trotz hoher Einwanderungszahlen nicht angestiegen ist“ (S. 159). Lappi-Seppälä (S. 161–184) diskutiert Strafrechtsreformen in den nordischen Ländern seit den 1960er Jahren und deren Bedeutung für unterschiedliche Gefangenenraten im Vergleich zu anderen europäischen Staaten. Während in den nordischen Ländern Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden die Gefangenenrate unter 60/100.000 Einwohnern liege, sei sie in westeuropäischen Ländern teilweise deutlich über 90. Inhaftierung würde vielfach durch verstärkte Nutzung von Alternativen, wie Community Service, vermieden (S. 174 ff.). Der Autor betont (S. 182): „Experience from the Nordics supports the general conclusion that it is possible to reduce prison populations without notable effects in national crime statistics“. Gleichzeitig wird jedoch darauf hingewiesen: „However, the period of liberal penal reform is now history. While the Nordic countries never engaged in the penal arms race that was visible especially in the Anglophone world, there has been a shift away from pragmatic and rational policy making toward moralistic and symbolic argumentation … Predicting is risky, especially when it concerns the future. But whatever happens in the coming years, it will not be about lowering or mitigating the intensity of penal control.“

Picotti (S. 207–227) gibt in seinem Beitrag einen kurzen Überblick zu „Online Child Pornography Offences“. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer wirksameren Strafverfolgung in dem Bereich gehe zurück auf die „Convention on the Rights of the Child“ der United Nations, die von der Generalversammlung 1989 angenommen worden sei. Möglichkeiten einer Prävention von Kinderpornographie werden kurz erörtert (S. 223 ff.). Die Entwicklung der elektronischen Medien habe zu einer enormen Ausweitung der Problematik beigetragen. „The children shall be protected not only as individual victims, but as a whole: therefore it is necessary to criminalize appearing and virtual child pornography, and to punish also the mere access to child pornography, that increases the demand for such material and its supply“ (S. 226). Pilgram (S. 229–248) diskutiert aus österreichischer Sicht das Thema „Professionalisierungsschub oder politische Wertedebatte – Was braucht die Straffälligenhilfe angesichts von erstarkendem Rechtspopulismus?“ In Österreich wird die Straffälligenhilfe vom unabhängigen Trägerverein NeuSTART, der eine große Autonomie besitzt, ausgeübt. Der Autor ist im Vorstand und Aufsichtsrat des Vereins selbst seit Jahren aktiv. In dieser Organisation wurde „die Weiterentwicklung der eigenen Arbeit und des Auftritts in der Öffentlichkeit wie nirgends sonst in der österreichischen Justiz in enger Zusammenarbeit mit der Sozialwissenschaft angestrebt und verwirklicht“ (S. 230). Kritisch werden Entwicklungen der kriminologischen Präventionsforschung diskutiert, die Interventionen fördern, „noch bevor Täter zu Tätern und Opfer zu Opfern werden“ (S. 244). „Die eigentliche Herausforderung liegt in einem ‚Leben mit Kriminalität‘ und ohne die Illusion, sie einfach abschaffen zu können durch Ausschluss von Personen möglichst schon vor befürchtetem, aber jedenfalls nach geschehenem ‚Unrecht‘“ (S. 245).

Kapitel II (S. 309–564) enthält insgesamt 13 Beiträge zu der Thematik „Strafrechtliche Sanktionen“.

Zunächst berichten Beyens u. Boone (S. 309–331) über „Electronic Monitoring in Belgium and the Netherlands – a Substitute for Detention Versus a Means to Facilitate Reintegration“, nachdem im ersten Kapitel bereits Redrigues, Khoury, Pádua u. Lacerda (S. 249–264) über „Elektronische Überwachung in Brasilien im Licht der Kriminologie“ informiert haben. Der Beitrag informiert über das holländische und belgische System von Electronic Monitoring – EM. In beiden Ländern haben die Fälle von EM in den letzten Jahren erheblich zugenommen, die Maßnahme wird allerdings in Belgien wesentlich mehr eingesetzt als in den Niederlanden (S. 327). Unterschiede zwischen den Ländern müssen in einem Gesamtkontext der Sanktionspolitik und -praxis gesehen werden. So ist in den Niederlanden EM „in most cases an additional measure, bringing more control to existing measures. In Belgium, electronic control has become the only punishment for prisoners with a sentence of up to three years“. Cario (S. 333–350) beschäftigt sich vor dem Hintergrund französischer rechtlicher Bedingungen mit „Restorative Justice – RJ“. RJ sei Mitte der 1970er Jahre wiederentdeckt worden. „The measures it promotes offer a space, never seen before, for discussion, dialogue and exchange between the perpetrator(s) and the victim(s) of an offense as well as to their relatives and members of their community(ies)… Much more than just looking at the past of criminal misconduct, restorative measures focus on the future of the people involved to support them towards a horizon of healing“ (S. 333). Hierbei gehe es vor allem und in erster Linie um die Wiedereingliederung der Betroffenen in die Gemeinde. Die Hauptgründe für die „Wiederentdeckung“ von RJ lägen in der „obvious and deep crisis of all contemporary criminal justice systems and the reconsideration of the victim and/or his/her relatives in the criminal trial“ (S. 333 f.). Die internationale Entwicklung wird stichwortartig dargestellt, in Frankreich wurde 2006 eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Vorschlägen für eine Integration in das Kriminaljustizsystem eingerichtet, deren Arbeitsergebnisse kurz diskutiert werden.

Harrendorf (S. 351–379) plädiert in seinem Beitrag „für eine umfassende Entkriminalisierung des Umgangs mit Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum“. In den letzten Jahren sei „in die Entkriminalisierungsdebatte … wieder etwas Bewegung gekommen“. Hierbei würden vor allem das Schwarzfahren und das Betäubungsmittelstrafrecht in den Blick genommen. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter – BDK habe eine weitgehende Entkriminalisierung der Konsument/​innen gefordert. Der Autor möchte sich „nachdrücklich für eine Gleichbehandlung aller Drogen im Rahmen der Entkriminalisierungsdebatte“ einsetzen. Es werden die „Voraussetzungen einer Entkriminalisierung der Betäubungsmitteldelikte zum Eigenkonsum einer wissenschaftlichen Überprüfung unter Berücksichtigung kriminologischer, medizinischer, straf- und verfassungsrechtlicher Erkenntnisse unterzogen“ (S. 353 f.). Der Autor diskutiert ausführlich strafrechtliche Bedingungen in Zusammenhang mit Drogenkriminalität. Das Beispiel Portugal, wo bereits 2001 eine weitgehende Entkriminalisierung von Drogenerwerb und -besitz zum Eigenkonsum stattfand, statt Sanktionen mehr fachliche Hilfe angeboten wird, zeigt deutlich die eingeschränkte abschreckende Wirkung von bloßen Verboten. Inzwischen vorliegende Forschung zeigt deutlich die weitgehend positive Wirkung des neuen Vorgehens, der teilweise befürchtete Anstieg der Drogenproblematik fand nicht statt, im Gegenteil nahm etwa die Zahl der Drogentoten und der Personen mit problematischem Konsum ab, der Zugang zu Drogenentzugstherapien wurde erleichtert und stieg an [1]. Wie der Autor betont, wurden in Tschechien 2010 ähnliche Bestimmungen wie in Portugal eingeführt, eine Bewertung der Ergebnisse sei noch zu früh (S. 375).

Kreuzer (S. 397–414) geht in seinem Beitrag ebenfalls auf das Thema Drogen ein, diskutiert die „Schrittweise Reform des Betäubungsmittelstrafrechts – ‚Drug Checking‘“. Der Autor skizziert zunächst den „gegenwärtigen kriminalpolitischen Zustand: Er ist gekennzeichnet durch eine in den vergangenen beiden Jahrzehnten, namentlich in der letzten Legislaturperiode, stete Vernachlässigung kriminalpolitischer Tugenden. Das Strafrecht fundierende und begrenzende Grundsätze galten nicht mehr als verbindlicher Maßstab“ (S. 398). „Die Masse neuer strafgesetzlicher Regelungen lässt keinerlei kriminalpolitische Konzeption erkennen“ (S. 399). Der Autor will „Möglichkeiten einer nötigen neuerlichen umfassenden Entrümpelung des Strafrechts“ aufzeigen (S. 399). Was den Drogenbereich betrifft fordert der Autor vor allem die Möglichkeiten eines kostenlosen „Drug Checking“ zum Schutze der Konsumenten zu nutzen. Nagy (S. 415–430) berichtet über freiheitsentziehe Sanktionen im ungarischen Strafrecht. Der Autor geht auf das ungarische Sanktionensystem ein, vor allem auf neuere Entwicklungen. Die Gefangenenrate ist im Lande in den letzten Jahren konstant geblieben. Pruin u. Treig (S. 431–456) geben einen Überblick über Wiedereingliederungsmaßnahmen von Haftentlassenen im europäischen Vergleich, ein Thema, mit dem sich auch der Jubilar selbst immer wieder auseinandergesetzt hat. Die Autorinnen betonen die Bedeutung einer konstruktiven Zusammenarbeit aller an einer Wiedereingliederung Beteiligten. Der Beitrag von Schöch (S. 457–469) diskutiert das „Verwertungsverbot für getilgte Vorstrafen bei Sanktionsentscheidungen“, ein in der Strafrechtspraxis insbesondere auch hinsichtlich Kriminalprognosen wichtiger Aspekt. Sonnen (S. 471–484) betont den Einsatz des Jubilars für einen menschenwürdigen und humanen Strafvollzug, gerade auch im „Ziethener Kreis“, einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern und Politikern, in welcher aktuelle kriminalpolitische Themen aufgegriffen und diskutiert werden. Besonders wird auch auf die Bedeutung einer Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen. Spiess (S. 485–506) berichtet über die „Sanktionspraxis in Deutschland – Entwicklung und Struktur, Bewährung und Probleme“. Der Autor führt Vergleiche hinsichtlich Sanktionen und deren Wirkung in Deutschland und der Schweiz durch. Die empirische Forschung zeige deutlich, „dass insbesondere bei Risikogruppen wie Tätern sexueller und anderer Gewaltdelikte eine Strategie der Straftäterbehandlung mit validierten, insb. Kognitiv-behavioralen, Verfahren in Verbindung mit entlassungsvorbereitenden und -begleitenden Maßnahmen wirksam und geeignet ist, die Häufigkeit von Rückfällen zu vermindern – und damit im Ergebnis auch den Belangen des Opferschutzes Rechnung trägt“ (S. 506).

Streng (S. 507–521) behandelt das Thema „Bürgerliches Rechtsempfinden und der Ausbau der Sanktionspalette – Überlegungen anhand des erweiterten Fahrverbots (§ 44 StGB n.F.)“. Kritisch diskutiert wird die 2017 eingeführte Nebenstrafe des Fahrverbots, wodurch diese Sanktion auf Taten angewandt werden kann, „die in keinem Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges stehen und auch nicht unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen werden“ (S. 507). Pro und contra der neuen Regelung werden erörtert. Von Seite der Öffentlichkeit wird die neue Sanktion weitgehend abgelehnt, was deutlich gegen sie spricht. Villmow (S. 523–544) geht auf die „Ersatzfreiheitsstrafe und Alternativen in der aktuellen Diskussion“ ein, präsentiert Daten zur Entwicklung dieser Sanktion. Bundesweit betragen die Ersatzfreiheitsstrafen in den einzelnen Bundesländern durchschnittlich etwa 10 % der Inhaftierten, der Anteil variiert zwischen 5,2 % (Saarland) und 13,8 % (Brandenburg) (S. 527). In neuerer Zeit würden sich die Stimmen für eine Vermeidung oder Abschaffung der Sanktion mehren. Weber (S. 545–564) geht auf die Problematik des „Missbrauch(s) der ‚Behandlung von psychischen Störungen‘ zu Sicherungszwecken im schweizerischen Strafrecht“ ein. „Gesetzgeberische Fehlleistungen und eine Nullrisiko-Mentalität von Gerichten und Verwaltungsorganen“ hätten dazu geführt, „dass sich die schweizerische Variante der Behandlungsunterbringung in den letzten Jahren immer mehr zu einer ‚kleinen Verwahrung‘ gewandelt hat, bei der nicht mehr die Behandlung des Straftäters, sondern vielmehr dessen Sicherung im Vordergrund steht“. Entsprechend sei die Schweiz vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen auch gerügt worden (S. 545). Der Autor diskutiert Aspekte dieser aktuell „wohl umstrittensten Sanktion des schweizerischen Strafrechts“ (S. 545). Während in der Schweiz die freiheitsentziehenden Maßnahmen insgesamt von 2007 bis 2017 deutlich gesunken sind, auch ambulante Behandlungsmaßnahmen, sind stationäre Behandlungsmaßnahmen psychischer Störungen nahezu auf das Doppelte angestiegen (S. 547). Gleichzeitig ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im stationären Maßnahmenvollzug in derselben Zeit etwa um das 2,5-fache gestiegen. Juristische Probleme, die zu dem Anstieg beitrugen, werden erörtert.

Kapitel III (S. 567–733) enthält insgesamt 10 Beiträge zu der Thematik „Jugendstrafrecht“. Die ersten drei Beiträge beschäftigen sich mit jugendstrafrechtlichen Regelungen in Spanien (de la Cuesta, S. 567–583), Katalonien (Giménez-Salinas y Colomer, S. 585–604) und Estland (Ginter und Sootak, S. 605–623). Höynck (S. 625–640) diskutiert ausgewählte Aspekte einer Umsetzung der „EU-Richtlinie 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige ober beschuldigte Personen in Strafverfahren sind“. Dargestellt werden die Vorgeschichte und vor allem auch ausgewählte Aspekte einer Umsetzung, wie Auskunfts- und Informationsrechte, Unterstützung durch einen Rechtsbeistand, Rechte und Gewährleistungen bei einem Freiheitsentzug oder audiovisuelle Aufzeichnung bei einer Befragung. Kaspar u. Höffler (S. 641–665) erörtern Aspekte von „Jugendgerichte als ‚Problem Solving Courts‘“. Diese PSC werden nach Ausführungen der Autoren als „neuartiges Justizmodell schon seit längerer Zeit in den USA wissenschaftlich diskutiert und praktisch erprobt …, hierzulande aber bislang kaum zur Kenntnis genommen“ (S. 641). In diesem Zusammenhang seien etwa auch die „Drug Treatment Courts“, die sich speziell mit betäubungsmittelabhängigen Tätern beschäftigen, zu sehen. Das Modell der PSC wird stichwortartig vorgestellt, danach erörtern die Autoren wieweit es sinnvoll ist, den Ansatz noch intensiver aufzugreifen und umzusetzen. Neben den „Drug Treatment Courts“ würden etwa spezielle Formen bestehen für psychisch kranke Täter, bei Fällen häuslicher Gewalt, bei Straftaten von Kriegsveteranen, bei Wohnsitzlosen oder Spielsüchtigen. Der Richter werde bei den PSC zu einer zentralen Figur hinsichtlich der Resozialisierung von Straftätern. „Die Autorität des Gerichts wird gezielt eingesetzt und mit den nötigen Behandlungs- bzw. Problemlösungsmaßnahmen verbunden“ (S. 645). Kritik an dem Konzept setze vor allem bei der Frage nach der richterlichen Unabhängigkeit und Neutralität an. Elemente eines „Problem Solving“ im deutschen Jugendstrafrecht werden diskutiert. Die Idee der PSC liefere Impulse für eine mögliche Reform des Jugendstrafrechts in Deutschland.

Ostendorf (S. 667–679) beschäftigt sich mit der „Einziehung zur Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht“. Möglichkeiten und Wirkungen einer Vermögensabschöpfung im Jugendstrafrecht werden diskutiert. Es gehe vor allem darum, dass sich Straftaten nicht lohnen dürften, Tatgewinne sollten beim Straftäter eingezogen werden. Die Neuregelung gelte grundsätzlich auch im Jugendstrafrecht, eine Individualprävention dürfe aber nicht behindert werden. Pitsela u. Chatzispyrou (S. 681–688) gehen kurz auf das „Treatment of Juveniles According to the Law on Drugs in Greece“ ein. Zusammenfassend wird festgestellt, „a minor who violates the law on drugs fades educational or therapeutic measures, if (s)he is addicted. The imposition of detention is only possible in the most severe cases of drug trafficking…“ (S. 684). Eine therapeutische Behandlung sollte jedoch nicht nur Vorrang erhalten, „but should also be practically applicable and further promoted“ (S. 686). Eine effektive Drogenpolitik, insbesondere hinsichtlich Minderjährigen, „requires the cooperation of many institutions and agencies in the fields of education, public health and social care, policing and justice as well as wider societal affirmative action“ (S. 687). Storgaard (S. 689–700) widmet sich in ihrem Beitrag aus dänischer Sicht dem Thema „Children and Juveniles between Support and Punishment“. In Dänemark habe die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit antisozialen Einstellungen auch vor dem Hintergrund von Medieneinflüssen zugenommen. Das habe dazu beigetragen, dass „the Scandinavian tradition of political pragmatism and the prioritising of social welfare over punishment concerning juvenile offenders is jeopardised“ (S. 698 f.). „The prioritising of offending children and juveniles indicates that the ambition is more of a punitive than a social welfare character“ (S. 699). Uit Beijerse (S. 721–733) macht in ihrem Kapitel „Including Young Adult Offenders in the Juvenile Justice System – German Principles and Dutch Pragmatism“ einen Vergleich der Jugendgerichtssysteme zwischen Deutschland und den Niederlanden, arbeitet Ähnlichkeiten und Unterschiede auch in der zeitlichen Entwicklung heraus. Die Frage, wie mit jungen Straftätern umgegangen werden soll, sei eine der wesentlichen Themen bei entsprechenden Reformen in Europa.

Kapitel IV (S. 737–1048) enthält insgesamt 17 Beiträge zu der Thematik „Straf- und Maßregelvollzug“. Während bereits in früheren Beiträgen das Thema Strafvollzug als wesentliches Arbeitsfeld des Jubilars immer wieder angesprochen wurde, werden hier weitere Texte zu der Thematik präsentiert, vor allem auch zu einzelnen Fragestellungen aus dem Ausland, so etwa aus Amerika (Castro Morales, S. 757–775), Neuseeland (Parosanu, S. 893–908), Polen (Stando-Kawecka, S. 941–953) oder Tschechien (Válková, S. 955–964). Beecken u. Neubacher (S. 737–755) berichten aus einem empirischen Projekt zu einem „Abgleich von Gefangenenpersonalakten mit Befragungsdaten junger Frauen und Männer im Jugendstrafvollzug“. Weibliche Jugendstrafgefangene stellen im deutschen Strafvollzug eine kleine Minderheit dar, auch deshalb gibt es sehr wenig relevante Forschung, sie werden vielfach „übersehen“, was auch besondere Probleme für diese Gruppe mit sich bringt [2]. Innerhalb des eigenen Projekts wurden 269 junge Frauen in neun Vollzugsanstalten teilweise mehrfach befragt. Weiterhin wurden in vier Anstalten 187 Gefangenenpersonalakten ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Gefangenenpersonalakten das Ausmaß der Gewalt auch im Jugendstrafvollzug von Frauen deutlich unterschätzen. Das Dunkelfeld ist bei weiblichen Jugendstrafgefangenen auch deutlich höher als bei der männlichen Gruppe (S. 753). Cornel (S. 777–799) beschäftigt sich in seinem Beitrag mit „Jugendstrafvollzug in Berlin und Brandenburg – langfristige Legalbewährung im Kontext von Biografie und Vollzugsgeschehen“. Der Autor wertete differenziert Gefangenenpersonalakten von in Berlin und Brandenburg Inhaftierten männlichen Straftätern aus, holte ferner Ergebnisse aus den Bundeszentralregistern und den Erziehungsregistern ein, um Zusammenhänge zwischen Anlassdelikt, Biografie und Vollzugsverlauf herauszuarbeiten. Es zeigte sich, dass „mehr als 80 % der entlassenen Jugendstrafgefangenen erneut wegen irgendeines Delikts verurteilt werden, dass aber nur die Hälfte davon in den Strafvollzug zurückkehrt und zehn Jahre später weniger als 10 % der 2004 Entlassenen inhaftiert sind“ (S. 797). Die Studie nähre Zweifel, „inwieweit dem Konstrukt des Rückfalls und damit des Rückfalltäters selbst über das soziale Ereignis hinaus an sich ein kriminologischer Erklärungswert zukommt“ (S. 798).

Drenkhahn (S. 801–815) geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wieweit „Bildung als Katalysator für Desistance“ dient. Die Autorin geht auf Projekte zur universitären Bildung im Vollzug in den USA ein, beschreibt Ansätze und Schwierigkeiten in Belgien, Dänemark und Deutschland. Bildung kann nach den Ergebnissen der Analyse „ein Element in einem umfassenden Angebot an Resozialisierungsmaßnahmen sein“ (S. 813). Hagemann (S. 817–833) diskutiert in seinem Beitrag über „Restorative Gefängnisse“ die Frage, „kann der Strafvollzug so umgestaltet werden, dass restorative, heilende und viktimologische Erkenntnisse umgesetzt werden? Wie müsste ein ‚restorative prison‘… aussehen“ (S. 817)? In diesem Kontext werden einschlägige belgische und englische Erfahrungen stichwortartig geschildert. Die Menschenwürde gelte auch für Straffällige. Deutsche erste Ansätze werden kritisch diskutiert. Der Autor kommt zu dem Schluss, der „Strafvollzug sollte auch gegenüber den Opfern Verantwortung übernehmen. Er sollte ihnen die Möglichkeit einräumen, Täter im Rahmen organisierter Gruppenarbeit zu befragen. … (eine) Maximierung restorativer Umgangsformen und Maßnahmen, Verantwortungsübernahme durch Täter und Ausgleich mit dem Opfer wirken präventiv und integrativ und bringt nicht zuletzt eher Ausstiege aus ‚kriminellen Karrieren‘ oder zumindest seltenere Rückfälligkeit. Zusammen mit veränderten gesellschaftlichen Bedingungen (Restorative Society) können Ausmaß und Schwere zukünftiger Opferwerdungen reduziert werden“ (S. 829). Morgenstern u. van Zyl Smit (S. 861–892) stellen die Frage „Internationale Menschenrechte im Justizvollzug – Wo stehen wir im Jahr 2020?“ Gefängnisse weisen innerhalb „ein erhebliches Machtgefälle auf“, ferner können Sie, wie in der kritischen Literatur immer wieder betont, „als Unterdrückungsapparate der Regierenden missbraucht werden“ (S. 861). Internationale Entwicklungen auf der Ebene der Vereinten Nationen bzw. des Europarats hinsichtlich der Beachtung der Menschenrechte von Gefangenen werden stichwortartig dargestellt. Deutlich wird, wie hart das Ringen um einen menschenwürdigen Strafvollzug sich immer wieder gestaltet. Die Herausforderung bestünde darin, dass kleine „Schritte zu mehr und konkret bestimmten Gefangenenrechten im Vollzugsalltag nicht den Blick darauf“ verstellen dürften, „dass es noch immer darum geht, den Rückgriff auf Gefängnisstrafen zu reduzieren und den Freiheitsrechten der Einzelnen zu mehr Geltung zu verhelfen“, ein Ziel, das der Jubilar stets verfolgt habe (S. 890). Sakalauskas (S. 909–926) betont in seinem Beitrag unter dem Titel „Wie überwindet man den Totalitarismus im Strafvollzug?“, aus der Sicht Litauens, dass es immer noch schwierig sei, auch nach dreißig Jahren der Wiederherstellung der Unabhängigkeit in seinem Land, „einen Strafvollzug aufzubauen, der den internationalen Standards entspricht und mehr dem westlichen als dem alten totalitären sowjetischen System ähnelt“ (S. 909). Zentrale Voraussetzung für einen humanen Strafvollzug sei „das klar festgesetzte Ziel der Resozialisierung, der auch als soziale Integration, Inklusion oder Wiedereingliederung genannt werden kann“ (S. 912). Besonders betont der Autor die Bedeutung von vollzugsöffnenden Maßnahmen und eine gute Entlassungsvorbereitung, unterstützt damit Forderungen des Jubilars und der kriminologischen Forschung insgesamt.

Válková (S. 955–964) berichtet über die „Reform des Strafvollzugs – Chronische Probleme und Hindernisse auf dem Weg zu einem effizienteren Vollzug der Freiheitsstrafe in Tschechien“. Nach der Wende sei der Strafvollzug in Tschechien mehr und mehr reformiert worden. Es sei im Laufe der Jahre gelungen, „zumindest einen Teil der Strafvollzugsanstalten so umzubauen und auszustatten, dass sie zumindest in ihren grundlegenden Parametern den Europäischen Strafvollzugsregeln entsprechen“ (S. 958). Nach wie vor seien die Vollzugsanstalten jedoch chronisch überfüllt. Wichtig sei es für eine konstruktive Weiterentwicklung, nicht „amerikanischen Rezepten“ mit dem „Aufbau einer massiven Gefängnisindustrie“ zu folgen, neue „Formen und Behandlungsweisen von Tätern, die Einführung von im Ausland bewährten Erziehungsprogrammen und die schrittweise Öffnung der Strafvollzugsanstalten stellen den zukunftsträchtigeren Weg dar“ (S. 964). Walkenhorst (S. 985–1007) diskutiert in seinem Beitrag das Thema „Förderung – Begleitung – Nachhaltigkeit – Pädagogische Annäherungen an die Gestaltung der Sicherungsverwahrung“. Obwohl die Zahl der Sicherungsverwahrten relativ klein sei, würden diese „aufgrund ihrer Lebens- und vielleicht auch Leidensgeschichte sowie der Geschichte und Qualität ihrer Straftaten bzw. Verbrechen eine besondere Aufgabe für Fachkräfte und ehrenamtlich Tätige“ darstellen (S. 985). Besonders geht der Autor auf die wesentlichen Aspekte „Förderung – Begleitung – Nachsorge – Personal“ hinsichtlich einer Resozialisierung des besonders problematischen Klientels ein (S. 995 ff.). Angesichts langer Haftzeiten ist gerade eine Übergangsgestaltung und effektive Nachsorge und Nachbetreuung ausgesprochen wichtig (S. 1001 ff.). „Der strukturelle Widerspruch zwischen letztlich ‚totaler Institution‘ mit ihren vielfach beschriebenen Wirkungen und dem Angleichungs- und Gegenwirkungsgrundsatz scheint nicht auflösbar, sondern nur ein wenig reduzierbar zu sein“ (S. 1003). Walter (S. 1009–1024) beschreibt vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrungen als Leiter einer Justizvollzugsanstalt für Jugendliche den „dornigen Weg zu Vollzugslockerungen – Eine Fallstudie“. Lockerungen des Vollzugs, wie Ausgang, Urlaub und Freigang, würden „allgemein zur Reduzierung von haftbedingten Beeinträchtigungen, zum Erlernen und Einüben von sozial verantwortlichen Verhaltensweisen sowie neu erworbenen Kompetenzen und freiheitlichen Bedingungen und natürlich zur Entlassungsvorbereitung als besonders geeignet, ja als unverzichtbar angesehen“ (S. 1009). Kurz werden Länderregelungen und die unterschiedliche Lockerungspraxis diskutiert. Auf der Basis einer Fallgeschichte werden die ausgesprochen zögerliche Gewährung von Vollzugslockerungen trotz Gutachten, die solche empfehlen, und die Hintergründe einer punitiven Kriminalpolitik kurz diskutiert. Ein „Spielen auf Zeit, das Verzögern von Entscheidungen zu Lasten von antragstellenden Gefangenen, ist keine seltene, sondern leider weit verbreitete Praxis. … Das Ergebnis ist eine Vollzugsgestaltung, die weder dem Angleichunsgrundsatz noch dem Wiedereingliederungsgrundsatz Rechnung trägt, die Resozialisierungschancen im Einzelfall vergibt, familienfeindlich ist und, da Freigänger mit freiem Beschäftigungsverhältnis neben einem Haftkostenbeitrag auch Steuern und Sozialabgaben bezahlen und einen Beitrag zum Familienunterhalt leisten, den Steuerzahler über Gebühr belastet“ (S. 1023). Eine großzügige Lockerungspraxis sei nach empirischen Ergebnissen auch eher mit reduzierten als mit gesteigerten Missbrauchsraten verbunden. Wirth (S. 1025–1048) beschäftigt sich im letzten Beitrag des umfangreichen Bandes mit der Thematik „Behandlung im Strafvollzug – Unklarer Begriff, vielfältige Befähigungsziele und offene Wirkungsfragen“. Der Autor bemängelt vor allem die Vernachlässigung von Erfolgsforschung zur Effizienz von Behandlungsmaßnahmen. Behandlung und Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug, deren Ziele, seien vielfach wenig klar definiert, ebenso die Beurteilung der Wirkung. Ein Schriftenverzeichnis der ausgesprochen zahlreichen Veröffentlichungen des Jubilars und die Liste der Autorinnen und Autoren schließen den Band ab.

Zielgruppen

Der Band enthält wesentliche Beiträge zu den Arbeitsschwerpunkten des Jubilars, vor allem den Thematiken Strafvollzug, Resozialisierung, Alternativen zur Haft (Restorative Justice), Jugendstrafrecht, Straffälligenhilfe und Kriminalpolitik. Der Band ist vor allem Praktikern und Wissenschaftlern zu empfehlen, die an einer Weiterentwicklung des (Jugend-)Strafvollzugs und des Strafrechts interessiert sind. Zahlreiche Aspekte aus den Bereichen werden, auch in Beiträgen aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland, angesprochen. Es wird aus verschiedenen Perspektiven auf Mängel des bisherigen Umgangs mit Straftätern hingewiesen.

Fazit

Der Jubilar sei, wie Sonnen in seinem Beitrag (S. 471) betont, national und international „für seinen engagierten und unermüdlichen Einsatz für eine humane, wissensbasierte, effiziente und nachhaltige rationale Kriminalpolitik bekannt und geschätzt“. Das geht auch aus den einzelnen Beiträgen hervor. Die Autoren weisen eingangs vielfach auf die gute und menschliche Zusammenarbeit, auf seine Unterstützung und kreativen Anregungen hin. Beeindruckend ist vor allem auch die breite internationale Kooperation mit Experten und Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis aus zahlreichen Ländern. Die umfangreiche Liste seiner Veröffentlichungen belegt deutlich die Kreativität und Produktivität des Jubilars. Wer an einer Weiterentwicklung des Strafvollzugs und des Strafrechts interessiert ist, wird aus den einzelnen Beiträgen zahlreiche Anregungen erfahren.

Das Gesamturteil ist vor diesem Hintergrund: Empfehlenswert.


[1] Vgl. a. Kury, H., Quintas, J. (2010). Zur Wirkung von Sanktionen bei Drogenabhängigen – Argumente für eine rationale Drogenpolitik. Polizei & Wissenschaft, 1, 31–56; Kury, H., Quintas, J. (2010). Sanktionen oder Hilfe? Einstellungen zu Drogentätern – Ergebnisse aus Portugal. Kriminalistik 64, 403–409; Kury, H., Kuhlmann, A., Quintas, J. (2019). On the Preventative Effect of Sanctions for Drug Crime: The United States, Germany and Portugal. Archiwum Kryminologii, Polska Akademia Nauk, Instytut Nauk Prawnych, 41, 261–295, http://ak.inp.pan.pl/index.php/ak/issue/view/20.

[2] Vgl. a.: Kury, H., Löw, M. (2020). Frauen im Maßregelvollzug. Zur Unterbringung von straffälligen Frauen in Zusammenhang mit einer Suchtproblematik nach § 64 StGB. Forum Strafvollzug – FS, im Erscheinen.

Rezension von
Prof. Dr. Helmut Kury
Universität Freiburg, Max Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht (pens.)
Mailformular

Es gibt 17 Rezensionen von Helmut Kury.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Helmut Kury. Rezension vom 30.07.2020 zu: Kirstin Drenkhahn, Bernd Geng, Joanna Grzywa-Holten, Stefan Harrendorf, Christine Morgenstern (Hrsg.): Kriminologie und Kriminalpolitik im Dienste der Menschenwürde. Festschrift für Frieder Dünkel zum 70. Geburtstag. Forum Verlag Godesberg GmbH (Mönchengladbach) 2020. ISBN 978-3-96410-014-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27280.php, Datum des Zugriffs 19.09.2024.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht