Simon Kalkhoff, Anja Böckmann et al.: Kartenset Kita - Die Pfützenhüpfer
Rezensiert von Dr. Anke Meyer, 23.10.2020

Simon Kalkhoff, Anja Böckmann, Yvonne Grüner: Kartenset Kita - Die Pfützenhüpfer. Grundkartenset. Verlag Handwerk und Technik GmbH (Hamburg) 2020. 50 Seiten. ISBN 978-3-582-04772-4. 49,95 EUR.
Thema und Entstehungshintergrund
Die schulische Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher folgt lernfelddidaktischen Grundsätzen, d.h. ein Großteil des Unterrichts basiert auf so genannten Lernszenarien, die beruflichen Handlungssituationen nachempfunden sind. Hierbei ist es für Lehrende nicht einfach, dem komplexen sozialpädagogischen Alltag gerecht zu werden. Die meisten Lernszenarien werden auf die wesentlichen Informationen reduziert, sodass häufig eine Grundlage für lebensnahe Handlungsmaßnahmen fehlt. Der Ansatz von Anja Böckmann, Yvonne Grüner und Simon Kalkhoff ist es, mittels eines Kartensets eine fiktive Kindergartengruppe zu kreieren, sodass die sozialpädagogische Praxis im Klassenraum lebendig wird.
Die drei Autor*innen arbeiten gemeinsam an der Berufsbildenden Schule Marienhain in Vechta in der Erzieher*innenausbildung. Sie wollten weg von den eindimensionalen Lernszenarien, an denen die Studierenden immer auch kritisierten, dass sie lebensfremd seien und der im Praktikum erlebten Alltag nicht gerecht würden. Ihr Anspruch war, den Studierenden einen ganzheitlichen Blick auf den Kindergartenalltag zu ermöglichen und dabei auch eine gewisse Kontinuität herzustellen, indem mit einem festen „Pool“ von Kindern gearbeitet wird. Hierfür haben sie das „Kartenset Kita“ entwickelt, in dem eine komplette Kindergartengruppe mit Hilfe von Karten und Postern dargestellt wird. Zur weiteren Arbeit gibt es darüber hinaus verschiedene Zusatzkartensets zu Themen wie Sprachentwicklung und Sprachförderung, Teamarbeit usw., die in dem Grundkartenset nicht enthalten sind.
Aufbau
Das Kartenset besteht aus:
- einer detaillierten Skizze eines Gruppenraums einer Kindertagesstätte mit einem angedeuteten Außengelände,
- einem Poster mit allen Kindern der Gruppe Pfützenhüpfer und ihren Erzieher*innen,
- 21 Karten mit ausführlichen Beschreibungen für jedes Kind,
- fünf Karten mit den Beschreibungen von Mitarbeiter*innen der Einrichtung,
- Übersichtskarten mit Kurzbeschreibungen der Kinder (sortiert nach Alter),
- einem Gruppensoziogramm,
- drei Varianten einer Einrichtungsbeschreibung (Land, Klein- und Großstadt)
- und einem Beiheft.
Die Karten sind im DIN-A-4-Format, die Raumskizze und das Gruppenposter im DIN-A-2-Format. Alle Karten sind mit kindlich anmutenden Zeichnungen illustriert.
Inhalt
Der Gruppenraum der Pfützenhüpfer besteht u.a. aus mehreren Funktionsbereichen zum Lesen, Spielen, Bauen, Essen, Kochen, Verkleiden und Malen. Es gibt einen Schreibtisch mit PC und einen Waschraum mit WC und Wickeltisch. Der Außenraum wird angedeutet.
Die Gruppe besteht aus zehn Mädchen und elf Jungen im Alter von drei bis sechs Jahren. Zu jedem Kind gibt es knappe Informationen zum Alter, zur Nationalität, zu den Geschwistern und zu den sprachlichen Voraussetzungen. Ausführlichere Informationen gibt es zu den Eltern. Außerdem wird detailliert beschrieben, wie sich das Kind in der Gruppe verhält, was es gerne spielt und was ihm eventuell Schwierigkeiten macht. Die Lebensumstände der Kinder weisen eine große Vielfalt in Bezug auf unterschiedliche Aspekte auf: Religion, nationale Herkunft, Familienkonstellationen, Krankheiten und Behinderungen, materielle Verhältnisse etc.
Auch die Mitarbeiter*innen der Einrichtung werden ausführlich beschrieben: ihre unterschiedlichen beruflichen Qualifikationen und Funktionen in der Einrichtung, ihr beruflicher Werdegang, Einstellungen zu fachlichen Fragen und besondere Interessen und Fähigkeiten. Auch hier werden Vielfaltsaspekte berücksichtigt.
In die Einrichtungsbeschreibungen fließen Informationen zum Träger, zur Größe der Einrichtung, zu Öffnungszeiten, räumlichen Bedingungen, Besonderheiten des pädagogischen Profils und zum Umfeld der Einrichtungen ein.
Auf vier Übersichtskarten, werden die Kinder noch einmal kurz nach Alter sortiert mit den wesentlichen Hinweisen zu ihren Spielinteressen dargestellt.
Einen Gesamtüberblick über die Gruppe gibt es durch das Poster zur Gesamtgruppe und das Soziogramm. Im Soziogramm ist zu sehen, wer gerne mit wem spielt.
Im Beiheft gibt es eine weitere Übersichtstabelle zu den Kindern, die durch Hinweise auf ihre Bedeutung für die Zusatzkartensets versehen sind.
Diskussion
Das Kartenset ist zunächst einmal einfach ansprechend: Man öffnet eine Box mit liebevoll gestalteten Materialien, die einen widerstandsfähigen und für den Alltagsgebrauch geeigneten Eindruck machen.
Die Karten-Kinder repräsentieren eine große Vielfalt an Eigenschaften und Lebensumständen. Dabei finden sich sowohl die „typischen“ Konstellationen, wie z.B. das Kind Serma, das mit seinem Migrationshintergund auch die typischen Sprachschwierigkeiten aufweisen. Gleichzeitig werden die Stereotype häufig gebrochen. So sind Sermas Eltern hochqualifiziert, können in Deutschland aber nicht in ihren erlernten Berufen arbeiten. Insgesamt finden sich bei den Kindern viele unterschiedliche Nationalitäten und Familienkonstellationen, die gute Ansatzpunkte für eine differenzierte Betrachtung von Lebenswelten geben.
Die große Vielfalt, die allein auch durch die Anzahl von 21 sehr unterschiedlichen Kindern zustande kommt, wird durch Zusatzmaterialien übersichtlich und handhabbar gehalten. Der Gruppenraum ist eher konventionell gestaltet und entspricht so dem, was die Studierenden vermutlich meist in ihren Praktika vorfinden. Ein kleines Manko sind für mich die kindlich gestalteten Illustrationen: Sie sind zwar durchaus ansprechend, dabei aber eher kindgerecht und nicht angemessen für Studierende als Zielgruppe, die dadurch infantilisiert werden.
Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass das Material auch digitalisiert wird. Dann könnten alle Studierenden die Karten-Kinder jederzeit abrufen. Der Gruppenraum könnte umgestaltet werden. Es könnte Blanko-Karten für Kinder geben, die entweder die Studierenden auf der Grundlage ihrer Praxiserfahrungen selbst kreieren, oder die Lehrpersonen im Hinblick auf ihre Unterrichtsziele. Auch die Einrichtungsbeschreibungen könnten den regionalen Bedingungen angepasst werden.
Fazit
Insgesamt wird das Material dem eigenen Anspruch der Autor*innen gerecht: Es bietet eine gute Grundlage, sozialpädagogische Lernsituationen im Elementarbereich ganzheitlich und komplex zu gestalten. Das Kartenset bietet eine gute Grundlage, um Lernsituationen zu erstellen, sowohl selbst entwickelte als auch in Anlehnung an die Szenarien in den Zusatzkartensets.
Rezension von
Dr. Anke Meyer
Lehrerin am Berufskolleg,
Fachleiterin für Sozialpädgogik in der LehrerInnenausbildung
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