Christian Stadler: Monodrama - Szenisch-systemisches Arbeiten im Einzelsetting
Rezensiert von Farina Eggert, 20.03.2025

Christian Stadler: Monodrama - Szenisch-systemisches Arbeiten im Einzelsetting.
Klett-Cotta Verlag
(Stuttgart) 2020.
160 Seiten.
ISBN 978-3-608-89257-4.
D: 18,00 EUR,
A: 18,50 EUR.
Reihe: Leben lernen: kurz & wirksam.
Siehe auch Replik oder Kommentar am Ende der Rezension
Thema
Christian Stadlers Buch „Monodrama – Szenisch-systemisches Arbeiten im Einzelsetting“ widmet sich der Anwendung psychodramatischer Methoden in der Einzeltherapie, Beratung und Supervision. Während das Psychodrama klassischerweise für Gruppensettings entwickelt wurde, zeigt Stadler, wie sich dessen szenisch-systemische Techniken sinnvoll in Einzelsettings übertragen lassen. Therapeut:innen und Berater erhalten eine praxisnahe Einführung in die Methode und deren vielfältige Einsatzmöglichkeiten.
Autor
Christian Stadler ist ein erfahrener Psychotherapeut mit Schwerpunkt auf systemischen und szenischen Methoden. Er hat sich intensiv mit der Adaption gruppentherapeutischer Ansätze für die Einzelarbeit beschäftigt und hierzu bereits mehrere Publikationen verfasst.
Entstehungshintergrund
Die Idee des Monodramas geht auf Jacob Levy Moreno zurück, den Begründer des Psychodramas. Während Morenos Ansatz ursprünglich für Gruppen konzipiert war, wurden dessen Elemente im Laufe der Zeit für die Einzelarbeit adaptiert. Stadler greift diesen Ansatz auf und zeigt, wie er in der modernen therapeutischen Praxis umgesetzt werden kann.
Aufbau
Das Buch ist klar strukturiert und gliedert sich in mehrere thematische Abschnitte:
- Vorwort
- Psychodrama
- Grundlegendes zum Monodrama
- Die Frage der Indikation
- Zehn zentrale Monodrama-Techniken
- Monodrama in der Supervision
- Literatur
- Wo kann ich das Monodrama lernen?
Inhalt
Stadler beginnt mit einem Vorwort, in dem er nicht nur in die Thematik einführt, sondern auch grundlegende Begrifflichkeiten klärt. Monodrama wird in diesem Buch als Anwendung des Verfahrens Psychodrama im Einzelsetting von Beratung und Therapie verstanden. Das Buch soll als kompakte Einführung in die Welt monodramatischer Interventionen dienen, die auch ohne Grundkenntnisse des Verfahrens Psychodrama angewendet werden kann.
Darauf aufbauend beginnt das Buch mit einer Einführung in die Grundbegriffe des Psychodramas sowie der Erklärung zum Prozessmodell der Veränderung, dem sogenannten Kreativen Zirkel. „Das Psychodrama nimmt das, was die Menschen in ihrem Inneren beschäftigt und bringt es nach draußen, macht es für die betreffenden Patient:innen außerhalb ihrer Person sichtbar.“ (S. 7). Stadler hebt dabei hervor, dass der Vorteil dieser Bewegung in zwei Richtungen besteht: Zum einen wird das, was einen beschäftigt, offengelegt, sodass es greifbarer erscheint. Zum anderen ist der Patient gezwungen, sich und das entsprechende Umfeld zu dieser Thematik zu positionieren. Letzteres wird als Mentalisieren beschrieben: „Ich mache mir ein Bild von mir selbst, von dem, wie es in mir aussieht und von dem, wie ich die anderen sehe und erlebe“ (Bateman und Fonagy 2015 in Stadler S. 9). Anhand verschiedener Beispiele aus der eigenen Praxis zeigt er im weiteren Verlauf des Kapitels, wie das konkret aussehen kann.
Im Unterkapitel „Wie geschieht im Psychodrama Veränderung?“ erklärt Stadler den kreativen Zirkel. Das Psychodrama geht davon aus, dass Menschen im Laufe ihrer Kindheit soziale Handlungs- und Interaktionsmuster entwickeln, die er hier als Rollen bezeichnet. Dieses Rollenrepertoire ist über das gesamte Leben erweiter- und veränderbar. Dieser Prozess zeichnet den kreativen Zirkel aus.
Wenn die Erweiterung oder die Anpassung der Rollen im Repertoire nicht erfolgreich gelingt, entwickeln sich in der Regel Störungen, damit einhergehend Symptome und Krankheiten. Um den inneren kreativen Prozess zur Rollenanpassung oder -erweiterung wieder anzuregen und damit auch die Selbstheilungskräfte der Patienten zu aktivieren, können unterschiedliche Psychodramatechniken eingesetzt werden.
Im Kapitel „Grundlegendes zum Monodrama“ erklärt Stadler, dass das Monodrama das Psychodrama im Einzelsetting beschreibt. Grundlage des Monodramas ist dabei die Denkweise und das Herangehen des Psychodramas. Konkret auf die Praxis übertragen, bedeutet das, dass der Patient die eigene Problematik mit den Möglichkeiten des Psychodramas bearbeitet. Dabei sind drei Szenarien möglich:
- Patient handelt alleine mit konkreten Vorgaben
- Patient handelt in Anwesenheit eines Professionellen allein
- Patient handelt gemeinsam mit einem Professionellen
Im Anschluss beschreibt Stadler, welche Relevanz die Rolle und innere Struktur des Professionellen bei dem zweiten und dritten Setting hat.
Im Kapitel zur Frage der Indikation erklärt Stadler, dass Professionelle nicht mehr den Leitsatz verfolgen „viel hilft viel“ oder „alles hilft immer“, sondern inzwischen Patienten differenzierter betrachtet werden und es mehr Vorgaben seitens des Professionellen bedarf, um die Patienten optimal zu unterstützen. Der in diesem Band zugrundeliegende störungsorientierte Ansatz wird anhand einer modifizierten Version des Kreismodells von Krüger (2015) beschrieben, in dem er bestimmte Störungen und psychodynamische Abwehrmechanismen den passenden Psychodramatechniken zuordnet (S. 22f). Das Kreismodell soll dabei als Orientierung für die vorgestellten Techniken dienen.
Daran anschließend folgen zehn Kapitel zu ausgewählten Monodrama-Techniken und Interventionen. Hier wird erklärt, für welche Störungsbilder oder eher für welche Patienten mit welchem Strukturniveau welche Techniken und Interventionen hilfreich sein können. Dabei beschreibt das Strukturniveau, wie strukturiert ein Mensch unabhängig von seinen Störungsbildern oder Fragen ist. Es umfasst dabei Bereiche von Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie auch Beziehungsgestaltung und die Fähigkeit zur Selbstregulation.
Die zehn zentralen Monodrama-Techniken gliedern sich in:
- Szenenaufbau – Verstehen was ist
- Doppeln – Vertiefte Exploration und Innerer Dialog
- Rollenwechsel und Rollenspiel im kulturellen Atom – Ich bin viele
- Spiegeln – Ich und die anderen von außen betrachtet
- Rollenwechsel im sozialen Atom, Rollenspiel in der Rolle eines anderen, Rollenfeedback und Identifikationsfeedback
- Rollentausch
- Szenenwechsel
- Veränderungen in der Zeit
So ist der Szenenaufbau beispielsweise vor allem für Personen geeignet, die über ein gering integriertes Strukturniveau verfügen, da das Sortieren und Ordnen im Äußeren zu einer Übertragung im Inneren führen kann. Je nachdem, welche Störungsbilder vorliegen, kann sich der Szenenaufbau bei Psychosen beispielsweise vor allem auf zwei Tischbühnen bewähren, während bei Abhängigkeitserkrankungen häufig eine Bühne ausreicht. Bei Personen mit posttraumatischen Belastungsstörungen empfiehlt Stadler das Arbeiten auf einer Tischbühne mit einer klaren Abgrenzung zweier Hälften: traumatisiert/​nicht-traumatisiert.
Die Techniken werden anhand von Beispielen beschrieben. Am Ende der jeweiligen Unterkapitel fasst Stadler seine Aussagen nochmals zusammen und gibt einen Überblick über die einzelnen Anwendungsmöglichkeiten und Besonderheiten bei entsprechenden Störungsbildern.
Das anschließende Kapitel „Monodrama in der Supervision“ beschreibt die Anwendungsmöglichkeiten des Monodramas in der
- Supervision im Einzelsetting auf der Zimmerbühne und auf der Tischbühne,
- Online-Supervision im Einzelsetting und
- Selbstsupervision.
Er fasst zusammen, dass Supervision zum beraterischen und therapeutischen Handeln als Qualitätsinstrument unverzichtbar ist. Ziel der Anwendung im entsprechenden Setting sollte es sein, die Mentalisierung 2. Ordnung zu ermöglichen und somit Fehler durch Gegenübertragung oder eigene blinde Flecken zu vermeiden.
Nach einem ausführlichen Literaturverzeichnis widmet sich Stadler auf einer halben Seite noch den Möglichkeiten zur Erlernung der Monodrama-Techniken. Diese werden weltweit an Moreno-Instituten gelehrt und können sowohl einzeln als auch als Bestandteil der Ausbildung zur/zum Monodramatherapeut*in erlernt werden.
Diskussion
Stadler stellt eine Vielzahl an Techniken vor, mit denen Klienten durch szenische Arbeit neue Perspektiven auf ihre Themen gewinnen können. Er beschreibt praxisnah, wie innere Konflikte externalisiert und durch Rollenspiele, räumliche Anordnungen oder symbolische Objekte bearbeitet werden können. Die Fallbeispiele illustrieren anschaulich, wie Monodrama die emotionale Verarbeitung und Veränderung unterstützen kann. Zudem gibt es konkrete Hinweise zur praktischen Umsetzung und Anpassung an unterschiedliche therapeutische Kontexte.
Das Buch richtet sich bewusst an Praktiker:innen, die es zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten nutzen möchten. Dementsprechend locker ist die Sprache und entsprechend realitätsnah sind die Praxisbeispiele. Die Wiederholungen innerhalb der Kapitel unterstützen Leser:innen beim Verinnerlichen des Gelesenen.
Das Buch bietet einen wertvollen Beitrag zur therapeutischen Praxis und erweitert das methodische Repertoire von Einzeltherapeuten um eine spannende, erlebnisorientierte Komponente. Besonders hilfreich ist die klare und praxisorientierte Darstellung der Techniken. Allerdings setzt die Arbeit mit Monodrama eine gewisse Offenheit und Flexibilität der Therapeut:innen voraus, da die Methode stark auf Improvisation und kreative Gestaltung angewiesen ist. Eine fundierte Schulung oder Supervision wird daher empfohlen.
Fazit
„Monodrama – Szenisch-systemisches Arbeiten im Einzelsetting“ ist eine lohnende Lektüre für Therapeut:innen, Berater:innen und Supervisor:innen, die szenisch-systemische Methoden in die Einzelarbeit integrieren möchten. Die praxisnahen Fallbeispiele und methodischen Anleitungen machen das Buch besonders wertvoll für alle, die nach neuen, erlebnisaktivierenden Interventionen suchen.
Rezension von
Farina Eggert
Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin (B.A; M.A), Systemische Beraterin (DGSF)
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