Joachim Engl, Franz Thurmaier: Kommunikationstherapie
Rezensiert von Prof. Dr. Konrad Weller, 19.10.2020

Joachim Engl, Franz Thurmaier: Kommunikationstherapie. Ein paartherapeutischer Ansatz.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2020.
127 Seiten.
ISBN 978-3-8017-2916-5.
24,95 EUR.
CH: 32,50 sFr.
Reihe: Standards der Psychotherapie - 7.
Thema
Der Band präsentiert einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz, mit dessen Hilfe konflikthafte Paargespräche strukturiert und gesteuert werden können.
Autoren
Dr. rer. nat. Joachim Engel und Dr. rer. nat. Franz Thurmaier, beide approbierte Psychologische Psychotherapeuten und leitende Mitarbeiter am Institut für Kommunikationstherapie e.V. München.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in Einführung, sechs Kapitel, die Literaturübersicht einige didaktische Prüfungsfragen sowie einen Anhang mit Arbeits-, Reflexions- und Infoblättern.
Kapitel 1 widmet sich, ebenso knapp wie faktenreich, den Zusammenhängen zwischen partnerschaftlichem/​familiärem Leben und individueller Gesundheit, dem Risikopotenzial partnerschaftlicher Konflikte, sowie der Bedeutung gelingender Kommunikation für partnerschaftliche Beziehungsqualität. Hervorgehoben wird, dass es nicht die Konfliktthemen sind, die glückliche von unglücklichen Paaren unterscheiden, sondern die Art, damit umzugehen.
Im 2. Kapitel werden Erklärungsmodelle der Paarinteraktion erläutert, das Konzept des sozialen Austauschs, der (positiven, sich wechselseitig belohnenden) Reziprozität gelingender Kommunikation und spiegelbildlich der konfliktverstärkenden Kritik, der Abwertungs- und Bestrafungsmodi. Kognitive Verzerrungen werden erläutert: selektive Aufmerksamkeit, vorschnelle und verallgemeinernde Schlüsse, Alles-oder-nichts-Denken, unausgesprochene und inadäquate Erwartungen an Beziehungen sowie defizitäre Attributionsmuster. Als ein weiteres theoretisches Konzept wird das Balance-Modell von Gottman dargestellt (wonach eine Beziehung dann als ausbalanciert gilt „… wenn zwischen den Partnern ein positives Kommunikationsverhalten fünfmal häufiger ist als ein negatives“/19). Unterschieden werden konstruktive, impulsive und vermeidende Paare.
Diagnostische Aspekte der Partnerschaft werden in verallgemeinerter Weise bezogen auf den Partnerschaftsfragebogen PFB sowie die Problemliste PL nach Hahlweg im 3. Kapitel dargestellt.
Das umfangreiche und tief gegliederte Kapitel 4 widmet sich der Praxis der Paartherpie: dem Aufbau der therapeutischen Beziehung und der Initiierung konstruktiver Gesprächserfahrungen durch Vermittlung einfacher Regeln (z.B.: Zuhören heißt nicht zustimmen, Verständnis nicht Einverständnis/30), sowie der Steuerung der therapeutischen Gesprächsführung anhand von Regeln und Fehlerbeispielen. Die Anwendung der Gesprächsregeln werden durch viele Beispiele konkretisiert. Im Anschluss erfolgt die detaillierte Darstellung der neun Übungseinheiten (vier Doppel- und eine Einzelstunde zu 100 bzw. 50 Minuten) eines von den Autoren entwickelten Paarkommunikationstrainings.
Kapitel 5 stellt weitere von den Autoren entwickelte, evaluierte und in Deutschland von mehr als 2.000 Trainer*innen durchgeführte Paar-Trainingsprogramme vor: Ein Partnerschaftliches Lernprogramm EPL, Konstruktive Ehe und Kommunikation KEK sowie KOMmunikationsKOMpetenztrainig in der Paarberatung KOMKOM. Informiert wird weiterhin zu Fortbildungsangeboten, zu interaktiven Medien und Online-Programmen.
Das abschließende 6. Kapitel liefert Ergebnisse der Forschung zur Wirksamkeit von Paar-Trainingsprogrammen aus den letzten 30 Jahren.
Diskussion
Die Autoren kritisieren zu Beginn des Buches moderne mediale Diskurse zum „Bedeutungsverlust der Ehe“, dem „Auslaufmodell Familie“ und der „Pluralisierung der Lebensformen“. Sie weisen mit wenigen statistischen/​sozialwissenschaftlichen Befunden nach, dass stabile Partnerschaften und familiäres Leben für die große Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor zentrale Lebenswerte darstellen. Und da die Dauerhaftigkeit partnerschaftlichen Lebens heutzutage mehr denn je an die Beziehungsqualität geknüpft ist, ist die Sinnhaftigkeit von Programmen zur Verbesserung der partnerschaftlichen Zufriedenheit evident. Die kognitiv-verhaltenstherapeutischen Paartherapien verbessern für mindestens 40 % der Paare die Beziehungsqualität nachhaltig, für weitere 30 % zumindest kurzfristig (93). Dass ein Therapieerfolg nicht alleinig im Erhalt von Paarbeziehungen bzw. Ehen besteht, liegt für die erfahrenen Autoren auf der Hand: „Andererseits könnte es aber auch als Erfolg gewertet werden, wenn die Partner aufgrund der Paartherapie in die Lage versetzt werden, sich bewusst gegen eine krankmachende Beziehung zu entscheiden, und sie so manchmal erst befähigt werden, sich zu trennen oder zu scheiden. Wenn das dann noch ohne 'Rosenkrieg' gelingt, ist es nicht selten für die Beteiligten, auch für die Kinder, die beste Lösung.“ (92)
Fazit
Das übersichtlich strukturierte Buch ist trotz wissenschaftlicher Sprache sehr gut lesbar und sollte ein breites Fachpublikum ansprechen, das beraterisch und therapeutisch mit Paaren arbeitet.
Rezension von
Prof. Dr. Konrad Weller
Professor i.R. für Psychologie und Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg, Diplom-Psychologe (Universität Jena), Analytischer Paar- und Sexualberater (pro familia)
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