Manuela Liebig: Arbeitsaufgabenbezug in der beruflichen Didaktik der Sozialpädagogik
Rezensiert von Prof. Dr. Andrea Warnke, 09.02.2021
Manuela Liebig: Arbeitsaufgabenbezug in der beruflichen Didaktik der Sozialpädagogik. Neue Ansätze für das Lehren und Lernen.
wbv
(Bielefeld) 2020.
212 Seiten.
ISBN 978-3-7639-6164-1.
D: 44,90 EUR,
A: 46,20 EUR.
Reihe: Berufsbildung, Arbeit und Innovation - Dissertationen und Habilitationen - 59.
Thema
Mit der Etabilierung einer Beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik entsteht die Frage nach einer fachrichtungsbezogenen (Berufsfeld-)Didaktik. Manuela Liebig stellt in ihrer Dissertation eine Bestandsaufnahme einer Fachdidaktik Sozialpädagogik vor und trägt zu einer Weiterentwicklung und Fortführung der didaktischen Diskussion bei.
Autorin
Die Autorin Dr.in Manuela Liebig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Berufspädagogik und berufliche Didaktiken an der Fakultät Erziehungswissenschaften der TU Dresden. Neben ihrer Tätigkeit dort ist sie im Bereich der Fortbildung von Lehrkräften für Sozialpädagogik aktiv.
Entstehungshintergrund
Die Dissertation ist in der Reihe Berufsbildung, Arbeit und Innovation als 59. Band erschienen. Die Reihe bietet ein Forum für die grundlagen- und anwendungsorientierte Berufsbildungsforschung. Das Buch entstand 2019 als Dissertation an der Technischen Universität Dresden an der Fakultät Erziehungswissenschaften.
Aufbau und Inhalt
Die rund 200-seitige Dissertation gliedert sich in elf Kapitel.
Die Einleitung (Kapitel 1) führt in die Thematik ein und legt die Problemstellung und das Ziel der Forschungsarbeit dar. Die Autorin konstatiert, dass die Zahl der Beschäftigten und damit auch der Auszubildenden in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Mit über 550.000 pädagogischen Mitarbeiter*innen ist der Bereich der Frühen Bildung mittlerweile z.B. wesentlich umfänglicher als der Grundschulbereich (rund 225.000 Lehrende).
Die Expansion sozialpädagogischer Arbeitsfelder, so Liebig, zeigt sich auch in der steigenden Schüler*innenzahl im Berufsfeld der Beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik. Es wird konstatiert, dass für die berufliche Fachrichtung Sozialpädagogik, im Gegensatz zu der Lehramtsausbildung der gewerblich-technischen Fachrichtungen, ein „Diskurs zwischen Vertretern der beruflichen Didaktik und der Berufspädagogik kaum existiert“ (S. 13).
Zwei zentrale Fragestellungen stehen dabei im Fokus der Dissertation von Manuela Liebig (vgl. S. 16):
- Wie können die Inhalte des Unterrichts in der Sozialpädagogik bestimmt und strukturiert werden?
- Welche Anforderungen stellt ein arbeitsaufgabenbasiertes didaktisches Konzept an das Handeln der Lehrenden?
Die benannten Fragestellungen werden anhand der Ausbildung zu staatlich anerkannten Erzieher*innen bearbeitet. Zum Zeitpunkt der Untersuchung befinden sich rund 64.000 Schüler*innen in einer Ausbildung zur/zum Erzieher*in (vgl. S. 16).
In Kapitel 2 werden zentrale Begriffe der vorliegenden Arbeit definiert. Die Didaktik fragt danach „WAS unterrichtet wird und WOZU es unterrichtet wird. Neben der Auswahl- besitzt die Didaktik also eine Begründungsfunktion“ (S. 22). Die Berufsfelddidaktik versteht sich als eine Didaktik, die sich auf ein Berufsfeld – und damit auf verschiedene Wissensdisziplinen – bezieht im Gegensatz zu einer Fachdidaktik, die sich auf (Schul)fach beziehen würde. Weiterhin werden Berufspädagogik und Berufs(feld)wissenschaften als Begriffe eingeführt.
Kapitel 3 gibt einen Einblick in das methodische Vorgehen. Die Autorin hat auf Grundlage vorliegender Forschungsarbeiten und Literatur (Dokumentenrecherche) inhaltlich und systematisch strukturiert, sie stützt sich dabei auf die elf Arbeitsschritte einer erziehungswissenschaftlichen Hermeneutik nach Klafki (vgl. S. 27). Weiterhin erfolgte eine schriftliche Befragung der Kultusministerien zu Zugangsvoraussetzungen zu den Themen „Zugangsvoraussetzungen“ sowie „Angebote für Seiten- und Quereinsteigende“.
Kapitel 4 umfasst die Aufarbeitung respektive einen systematischen Überblick des Forschungs- und Diskussionsstandes zur Didaktik der Sozialpädagogik. Es zeigt sich, „dass derzeit kein vollständiger Ansatz einer sozialpädagogischen Didaktik existiert (…). Gleichwohl liegen einige konzeptionelle Überlegungen vor, die sich in die Diskussion um eine Didaktik der Sozialpädagogik einordnen lassen.“ (S. 31).
Die Sozialdidaktik orientiert sich an fünf Lernebenen, die die Lernsituationen strukturieren sollen:
- „Ebene der 'konkreten beruflichen Handlungssituation mit ihren fachlichen und sozialen Anforderungen',
- Ebene des 'beruflichen Handlungswissens' (…),
- Ebene der Bezugswissenschaften,
- Personale und organisatorische Ebenen:
- Ebene der Realisierung und Aufbereitung von Erfahrungs-. Und Aneignungsprozessen,
- Ebene der Organisation des Lernens (abschlussbezogen, formalisiert).“ (S. 42).
In Kapitel 5 erfolgt die Darstellung der Rahmenbedingungen der Ausbildung von Erzieher*innen an Fachschulen für Sozialpädagogik in Deutschland. Im Schuljahr 2014/15 existierten 593 Fachschulen, so die Autorin. In Abschnitt 5.1 wird das Berufsbild und die Geschichte der Ausbildung von Erzieher*innen aufgegriffen. Abschnitt 5.2 thematisiert das Ausbildungsziel und den Bildungsauftrag von Fachschulen für Sozialpädagogik, 5.3 die Bildungsvoraussetzungen der Auszubildenden. Die Zusammensetzung des Lehrkörpers an Fachschulen für Sozialpädagogik wird in Abschnitt 5.4 dargestellt und umfasst neben einer allgemeinen Analyse Hinweise zu Qualifikationsprofil, Altersstruktur, Geschlechtsverteilung sowie Beschäftigungsumfang.
Kapitel 6 stellt das Lernfeldkonzept dar. „Die Einführung des Lernfeldkonzeptes ist mit der Intention verknüpft, theoretische und praktische Ausbildungsinhalte stärker als bisher miteinander zu verzahnen sowie die Zusammenarbeit der Lernorte zu verstärken.“ (S. 74).
Als Konsequenz für den Unterricht lässt sich daraus ableiten:
- „Handlungs- und Situationsbezug,
- Betonung eigenverantwortlicher Schüleraktivität,
- Lösen komplexer und exemplarischer Aufgabenstellungen,
- Fachwissenschaftliche Kontextualisierung der beruflichen Handlungen inklusive Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen (ebd.) [Kultusministerkonferenz 2017].“ (S. 74).
Liebig konstatiert, dass die Einführung des Lernfeldkonzeptes auf bildungspolitische Motive zurückzuführen ist und es Kritik daran sowohl seitens berufsbildender Schulen als auch von Hochschulen gibt. Insbesondere die fehlende theoretische Fundierung und die Vernachlässigung des Wissenschaftsprinzip wird als problematisch angesehen. In Rahmen der Erzieher*innenausbildung wurden Anfang der 2000er Jahre die ersten lernfeldstrukturierenden Ausbildungscurricula implementiert. „Aus Sicht der Schulleitungen ist im Zusammenhang mit dem Thema Lernfeldkonzept vor allem das Prinzip der Handlungsorientierung als positiv zu bewerten. (…) Skeptiker hingegen mahnen eine zu starke Ausrichtung der Ausbildungsinhalte an der Praxis an, die zur befürchteten 'Zerstückelung' führe.“ (S. 81).
In Kapitel 7 erfolgt eine Diskussion über Arbeitsprozessorientierung und arbeitsaufgabenbasiertes Lehren und Lernen. Es schließt sich Kapitel 8 an mit der Identifizierung von Arbeitsaufgaben für Erzieher*innen.
Kapitel 9 überträgt Manuela Liebig den Ansatz des arbeitsaufgabenbasierten Lehrens und Lernens auf die Erzieher*innenausbildung und stellt ergänzend mögliche Konsequenzen für die Ausbildung der Lehrenden dar.
In Kapitel 10 wird die Ausbildung von Lehrenden in der Beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik systematisiert dargestellt und beinhaltet sowohl die Beschreibung und Analyse der Lehramtsstudiengänge als auch die Darstellung eines möglichen Seiten- respektive Quereinstiegs. Ergänzend werden diese Ausführungen um einen Abschnitt zu Fortbildungsangeboten für Lehrende an Fachschulen für Sozialpädagogik.
Kapitel 11 fasst die Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammen und gibt einen Ausblick.
Diskussion
Mit der Etablierung einer Beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik entsteht die Frage nach einer fachrichtungsbezogenen (Berufsfeld-)Didaktik. Manuela Liebig stellt in ihrer Dissertation eine Bestandsaufnahme einer Fachdidaktik Sozialpädagogik vor und trägt zu einer Weiterentwicklung und Fortführung der didaktischen Diskussion bei. Ergänzt wird dies um einen sehr guten Überblick über die Lehramtsausbildung in der Beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik.
Das Buch ist sehr gut und strukturiert aufgebaut. Der Inhalt – für eine Dissertation nicht immer selbstverständlich – ist auch für einen praxisbezogenen Einsatz gut geeignet.
Fazit
Das Buch kann einen Beitrag zum wissenschaftlichen Diskurs über den Arbeitsaufgabenbezug in der Didaktik der Sozialpädagogik leisten. Die Ausführungen zu Auswahl und Strukturierung der Ausbildungsinhalte im Kontext der Lernfeldorientierung bieten einen fundierten und umfänglichen Überblick über das Thema und scheinen für Mitarbeitende an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ebenso geeignet wie für Interessierte aus dem fachschulischen Kontext. Bezogen auf die Lehramtsausbildung ist es auch wie ein Nachschlagewerk zu nutzen, hier mag es auch für Studieninteressierte nutzbar sein.
Rezension von
Prof. Dr. Andrea Warnke
Professorin für Soziale Arbeit, IU Duales Studium, Campus Bremen
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Es gibt 29 Rezensionen von Andrea Warnke.
Zitiervorschlag
Andrea Warnke. Rezension vom 09.02.2021 zu:
Manuela Liebig: Arbeitsaufgabenbezug in der beruflichen Didaktik der Sozialpädagogik. Neue Ansätze für das Lehren und Lernen. wbv
(Bielefeld) 2020.
ISBN 978-3-7639-6164-1.
Reihe: Berufsbildung, Arbeit und Innovation - Dissertationen und Habilitationen - 59.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27388.php, Datum des Zugriffs 12.12.2024.
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