Ulrich Engelfried: Unterbringungsrecht in der Praxis
Rezensiert von RA Isabel Romy Bierther, 25.01.2021
Ulrich Engelfried: Unterbringungsrecht in der Praxis. Freiheitsentziehende Maßnahmen im Betreuungs- und Vormundschaftsrecht. Reguvis Fachmedien GmbH (Köln) 2020. 2., vollständig überarbeitete Auflage. 315 Seiten. ISBN 978-3-8462-1058-1. D: 44,00 EUR, A: 45,30 EUR.
Thema
Das zu besprechende Buch behandelt einen besonderen Ausschnitt aus dem Betreuungsrecht, nämlich die Unterbringung und die freiheitsentziehenden Maßnahmen. Ausweislich des Titels dient das Buch für den Gebrauch durch Praktiker. Insbesondere die Unterbringung, die freiheitsentziehende Wirkung hat, geht einher mit vielfältigen Problemen, die nicht nur juristischer Natur sind. Die ethischen Probleme werden immer wieder angesprochen und bewertet. Das Buch konzentriert sich auf praktische Fragen. Wichtig ist die Aussage des Autor aus dem Vorwort, dass dieses Buch keine Anleitung „light“ ist, wie das Unterbringungsrecht funktioniert, denn es kann in diesem Rechtsgebiet keine Automatismen geben, sondern es muss immer eine Bewertung des Einzelfalls bleiben, wobei besonders in diesem Rechtsgebiet gilt, dass nie ein Einzelfall dem anderen gleicht.
Autor
Autor des Werkes ist Ulrich Engelfried. Er ist seit 1992 als Richter im Betreuungs- und Familienrecht am Amtsgericht Hamburg Barmbek tätig. Gleichzeitig ist er auch Richtermediator im Güteverfahren. Er hat über 25 Jahre praktische Erfahrung als Richter im Betreuungsrecht. Er veröffentlicht regelmäßig zu betreuungsrechtlichen Themen und ist Lehrbeauftragter der Universität Hamburg.
Aufbau
Das Buch ist in sechs Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel befasst sich mit den Grundbegriffen, dann werden im zweiten Kapitel die Unterbringung und die Zwangsbehandlung (§§ 1906, 1906a BGB) besprochen. Im dritten Kapitel geht es um die öffentlich-rechtliche Unterbringung. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Unterbringung Kindern und Jugendlichen gemäß § 1631 b BGB. Die forensische Unterbringung wird im fünften Kapitel besprochen und das sechste Kapitel beantwortet weitere Fragen zum Unterbringungsrecht.
Das Buch beinhaltet ein ausführliches Inhaltsverzeichnis. Im Anhang finden sich kommentierte Beschlussbeispiele, wie Richter sie in solchen Verfahren erlassen. Weiterhin sind bundesrechtliche Vorschriften in Auszügen abgedruckt. Auch die landesrechtlichen Regelungen zum PsychKG NRW und Hamburg sind enthalten. Als Service gibt es ein Adressverzeichnis von wichtigen Vereinen. Das Buch schließt mit einem hilfreichen Stichwortverzeichnis ab.
Inhalt
Systematisch beginnt das Buch mit den Definitionen der wichtigsten Grundbegriffe. Es werden mit praktischen Beispielen die Begriffe der materiell-rechtlichen Unterbringung, der Freiheit der Person nach Art. 104 GG, der Anspruch auf rechtliches Gehör und die Bedeutung der UN-Behindertenrechtskonvention erläutert.
Das zweite Kapitel – der eindeutige Schwerpunkt des Buches – widmet sich dann der Unterbringung im Betreuungsrecht und der Zwangsbehandlung. Hier wird zunächst der Sinn und Zweck der betreuungsrechtlichen Unterbringung erörtert. Dann werden die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Unterbringung nach § 1906 BGB definiert und mit Beispielen veranschaulicht.
Im Weiteren geht der Autor auf die Zwangsmedikation/​Zwangsbehandlung ein. Zunächst werden die gerichtlichen Entscheidungen und die gesetzgeberischen Maßnahmen, die zur aktuellen Gesetzeslage geführt haben, dargestellt. Dann werden auch hier die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen erläutert.
Im Folgenden werden die unterbringungsähnlichen/​freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1906 IV BGB besprochen. Es werden die einzelnen Voraussetzungen besprochen und erläutert. Der Autor gibt viele Hintergrundinformationen, wodurch die Thematik sehr plastisch dargestellt wird.
Im Anschluss wird dann das gerichtliche Verfahren nach § 312 ff. FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) ausführlich besprochen. Dabei wird auf den Antrag, das zuständige Gericht, auf das notwendige Sachverständigengutachten, die Anhörung des Betroffenen und die Rechtsmittel eingegangen. Auch das gerichtliche Eilverfahren wir behandelt.
Das Kapitel endet mit Checklisten für Betreuer und Bevollmächtigte, Betreuungsgerichte, Sachverständige sowie Einrichtungen/​Krankenhäuser zur Unterbringung, Zwangsbehandlung und zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. Weiterhin gibt es Musterformulierungen für Betreuungserweiterungen, für eine Zwangsbehandlung, für unterbringungsähnliche Maßnahmen und für eine Vorsorgevollmacht.
Im dritten Kapitel widmet sich der Autor den öffentlich-rechtlichen Regelungen zur Unterbringung nach den Landesgesetzen. Da es sich bei dieser Art der Unterbringung um Polizeirecht handelt, wodurch die öffentliche Ordnung und Sicherheit geschützt werden soll, sind nach dem Grundgesetz die Länder als Gesetzgebungsorgan zuständig. Es gelten somit in jedem Bundesland eigene Regelungen. Dennoch gelingt es dem Autor einen guten Überblick über die wesentlichen Tatbestände zu geben. Ausgehend vom Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung erklärt der Autor die Voraussetzungen für die Anwendung der landesrechtlichen Regelungen. Er setzt sich intensiv mit der Frage der Fremd- und Eigengefährdung auseinander. Im Weiteren geht er auf den Umfang und die Folgen der Unterbringungsanordnung ein. Auch hier wird das gerichtliche Verfahren unter Einschluss des Eilverfahrens besprochen.
Am Ende dieses Kapitels finden sich wieder Checklisten für Gesundheitsbehörden, Gerichte, Verfahrenspfleger und Kliniken zur öffentlich-rechtlichen Unterbringung.
Im vierten Kapitel befasst sich der Autor mit der Unterbringung von Kindern nach § 1631 b BGB. Sinn der gesetzlichen Regelung ist die Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl, wobei auch die Eigen- oder Fremdgefährdung als Tatbestandsvoraussetzungen erörtert werden. Der Autor geht auch hier auf die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen ein. Weiterhin werden auch die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen, unterbringungsähnliche Maßnahmen und die Zwangsbehandlung bei Minderjährigen nach § 1631 b Absatz 2 BGB erörtert. Auch dieses Kapitel schließt mit Checklisten für Sorgeberechtigte, das Jugendamt und für den Verfahrensbestand ab.
Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der forensischen Unterbringung. Damit ist die Unterbringung nach StGB und StPO gemeint. Diese werden kurz benannt und zu der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach Landesrecht abgegrenzt.
Das sechste Kapitel befasst sich mit weiteren Fragen des Unterbringungsrechts. Hier wird die aktuell sehr oft angewandte Quarantäneregelung nach § 30 Infektionsschutzgesetz benannt und Kostenfragen dazu beantwortet.
Fazit
Dieses Buch ist eine sehr gelungen Darstellung des Unterbringungsrechts. Es ist dem Autor geglückt, diese Materie auch für Laien verständlich zu formulieren und einen umfassenden Gesamtüberblick zu geben. Die ethischen Fragen, die der Autor aufwirft, regen zum Nachdenken an und gehen dankenswerterweise über die rein juristische Darstellung hinaus. Es ist dem Autor gelungen, ein Werk zu verfassen, mit dem Praktiker sofort arbeiten können. Der Leser wird in die Lage versetzt, die wesentlichen Punkte der Regelungen zu erkennen und zu bewerten.
Rezension von
RA Isabel Romy Bierther
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Zitiervorschlag
Isabel Romy Bierther. Rezension vom 25.01.2021 zu:
Ulrich Engelfried: Unterbringungsrecht in der Praxis. Freiheitsentziehende Maßnahmen im Betreuungs- und Vormundschaftsrecht. Reguvis Fachmedien GmbH
(Köln) 2020. 2., vollständig überarbeitete Auflage.
ISBN 978-3-8462-1058-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27449.php, Datum des Zugriffs 07.10.2024.
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