Danielle Graf, Katja Seide: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten
Rezensiert von Prof. Dr. Raika Lätzer, 28.10.2020
Danielle Graf, Katja Seide: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn. Das Geschwisterbuch. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2020. 331 Seiten. ISBN 978-3-407-86578-6.
Thema
Wie der Titel bereits sagt, beschäftigen sich Danielle Graf und Katja Seide mit dem elterlichen Umgang mit ihren Kindern. Es geht den beiden Autorinnen grundsätzlich um eine bedürfnisorientierte, moderne und kindzentrierte Erziehung. In diesem Band stehen insbesondere das Verhältnis von Geschwistern zueinander und den elterlichen Umgang mit den entstehenden Anforderungen bei der Geburt nachfolgender Geschwisterkinder im Mittelpunkt.
Autorinnen
Danielle Graf und Katja Seide schreiben bereits seit mehreren Jahren überaus erfolgreich den gemeinsamen Blog „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn“. Die beiden Autorinnen haben bereits zwei weitere Bücher mit dem gleichen Obertitel veröffentlicht. Danielle Graf ist Rechts-Ökonomin und Mutter von zwei Kindern, Katja Seide ist ausgebildete Sonderpädagogin und arbeitet an einer Grundschule in Brandenburg. Sie hat drei Kinder.
Entstehungshintergrund
Nach den ersten beiden Bänden „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn – Der entspannte Weg durch Trotzphasen“ und „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn – Gelassen durch die Jahre 5 bis 10“ entstand „Das Geschwisterbuch“. Den Autorinnen zufolge verschärfen sich die Herausforderungen an Eltern mit der Ankunft eines oder mehrerer Geschwisterkinder und die Autorinnen zeigen Wege auf, wie die Eltern mit den Herausforderungen entspannt umgehen können.
Aufbau und Inhalt
Die Autorinnen haben das Buch in 8 Großkapitel unterteilt:
- „Der erste Liebeskummer“
- „Das Erstgeborene auffangen“
- „Geschwisterliebe anbahnen“
- „Geschwisterliebe erhalten“
- „Geschwister außerhalb der Norm“
- „Geschwisterstreit liebevoll begleiten…“
- „Geschwisterhass auflösen“
- „Streit fair zu begleiten ist schwer“.
Die Großkapitel sind wiederum in mehrere Unterkapitel aufgeteilt.
In den ersten beiden Großkapitel wird einfühlsam und aus der Sicht des oder der erstgeborenen Kinder dargestellt, welche Empfindungen die Kinder bei der Ankunft eines Geschwisterkindes mutmaßlich haben. In den darauffolgenden beiden Kapiteln „Geschwisterliebe anbahnen“ und „Geschwisterliebe erhalten“ geht es um die entstehende Bindung zwischen den Geschwistern und den elterlichen Möglichkeiten, diese Geschwisterliebe mittel- und langfristig zu unterstützen und aufrecht zu erhalten. Hierbei kann laut den Autorinnen insbesondere das ältere Geschwisterkind unterstützt werden, indem es seine Spielsachen „in Sicherheit“ bringen darf, indem es Exklusivzeit mit den Eltern erleben darf und für jedes Kind separate Freiräume geschaffen werden.
Im darauffolgenden Kapitel geht es um Geschwisterkinder, bei denen eines „außerhalb der Norm“ ist, also eine Beeinträchtigung hat. Die Autorinnen plädieren dafür, auch dem Kind ohne Beeinträchtigung Raum, Aufmerksamkeit und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. In „Geschwisterstreit liebevoll begleiten…“ geht es um die Möglichkeiten, Streitsituationen auszuhalten und die Notwendigkeiten elterlichen Eingreifens abzuwägen. „Geschwisterhass auflösen“ beschreibt geschwisterliches Mobbing und die Handlungsmöglichkeiten der betroffenen Familien. Im letzten Kapitel wird ein tabuisiertes Thema aufgegriffen: Das (un)bewusste Bevorzugen eines Geschwisterkindes durch einen Elternteil und die Möglichkeiten, mit dieser Tatsache umzugehen.
Diskussion
Genau wie die beiden anderen „Wunschkind“-Bücher überzeugt auch dieses Buch durch eine Mischung an gewitzter Sprache, fundiertem Fachwissen und praktischen Beispielen. Trotz des gewitzten und kurzweiligen Sprachstils aber hat das Buch eine wissenschaftliche Basis: Die beiden Autorinnen haben sich mit einschlägiger Fachliteratur auseinandergesetzt, stellen diese Literatur an entsprechenden Stellen vor und zitieren daraus. Dass die Fachliteratur teilweise etwas verkürzt dargestellt ist, ermöglicht einen uneingeschränkten Lesefluss und ermöglicht das Weiterlesen in den entsprechenden Publikationen.
Darüber hinaus überzeugt das Buch durch den bedürfnisorientierten Ansatz, der alte Erziehungsmodelle und -methoden mit guten Argumenten über Bord wirft und sich den echten Bedürfnissen der gesamten Familie zuwendet. Es wird versucht, Möglichkeiten zu finden, die Eltern und Kinder gerecht werden und es wird insbesondere den Kindern auf Augenhöhe begegnet und Verständnis entgegengebracht. An vielen Stellen wird erklärt, warum Kinder mutmaßlich auf eine bestimmte Weise handeln. Es wird nach den Hintergründen gesucht und es werden nicht vordergründig Methoden vorgestellt, um unerwünschtes Handeln zu unterbinden.
Zuletzt entfaltet das Buch gewissermaßen nebenbei auf ganz selbstverständliche Weise ein vielfältiges Bild von Familie: Katja Seide lebt mit einer Frau zusammen und es sind ganz selbstverständlich auch Beispiele einer Zwei-Mama-Familie neben Beispielen aus traditionellen Familienstrukturen zu finden.
Einziges Manko: Manchmal sind auch bedürfnisorientierte Eltern mit ihren Nerven am Ende und haben keine Kraft mehr, um auf die Kinder einzugehen. Für den Umgang mit den eigenen Emotionen könnte ein ausführliches Kapitel hilfreich sein.
Fazit
Ein sehr empfehlenswertes Buch für Eltern, die versuchen, in erster Linie sich selbst und ihren Kindern gerecht zu werden. Das Buch ist außerdem auch für Fachkräfte aufgrund der wissenschaftlichen Fundierung gut geeignet.
Rezension von
Prof. Dr. Raika Lätzer
Professorin für Musikpädagogik in der Sozialen Arbeit, Katholische Stiftungshochschule München
Website
Mailformular
Es gibt 18 Rezensionen von Raika Lätzer.





