Stefanie Debiel, Fabian Lamp et al.: Fachdidaktik Soziale Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen, 09.12.2020

Stefanie Debiel, Fabian Lamp, Kristin Escher, Claudia Spindler: Fachdidaktik Soziale Arbeit. Fachwissenschaftliche und lehrpraktische Zugänge.
Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2020.
295 Seiten.
ISBN 978-3-8474-2402-4.
D: 35,00 EUR,
A: 36,00 EUR.
Reihe: Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit - 20.
Thema
Das Studium der Sozialen Arbeit setzt sich aus verschiedenen Lehrformaten und -konzepten zusammen: theoretisch-inhaltliche Lehrveranstaltungen, Praxisphasen, Übungen, fallbasiertes Lernen, praxisbegleitende Reflexionsseminare etc. Bestenfalls setzen sich Lehrende im Vorfeld nicht nur mit den Inhalten ihrer Lehrveranstaltung auseinander, sondern auch mit den verschiedenen didaktischen Möglichkeiten. Wie baut man eine Lehrveranstaltung für Studierende der Sozialen Arbeit sinnvoll, gewinnbringend und auch diskussionsanregend oder reflexionsanregend auf? Welche Ziele sollen mit einer Lehrveranstaltung erreicht werden?
Zu den fachdidaktischen Herausforderungen des Studiums der Sozialen Arbeit und dem Wechselspiel von Theorie und Praxis (-phasen) möchte der Band beispielbezogen Auskunft geben.
Herausgeber*innen
- Prof. Dr. Stefanie Debiel HAWK Hildesheim, Holzminden, Göttingen
- Prof. Dr. Fabian Lamp Fachhochschule Kiel
- Kristin Escher, M.A., Dipl. Soz. Arb./Soz. Päd. HAWK Hildesheim, Holzminden, Göttingen
- Prof. Dr. Claudia Spindler Hochschule Nordhausen
Der Herausgeber*innenband ist Teil der Reihe „Theorie, Forschung und Praxis der Sozialen Arbeit“ herausgegeben von der DGSA.
Entstehungshintergrund
Der Herausgeber*innenband ist das Ergebnis von Diskussionen in der DGSA-Fachgruppe „Soziale Arbeit in der Lehre“, deren Sprecherinnen Stefanie Debiel und Claudia Spindler sind. Über die Fachgruppe hinaus sollen Einblicke in Diskussionen der Fachgruppe und konkrete Lehrkonzepte für grundständige BA-Studiengänge Sozialer Arbeit gegeben werden.
Aufbau
Nach einem Vorwort ist der Herausgeber*innenband in vier Teile gegliedert:
- Eine Einführung durch die Herausgeber*innen.
- Zwei Beiträge zu fachdidaktischen Grundüberlegungen.
- Sechs exemplarische Lehrkonzepte und ein Beitrag zur lehrbezogenen Vermittlung des Diskurses zur Theorie/nbildung Sozialer Arbeit unter der Kapitelüberschrift „Theorie/n Sozialer Arbeit und deren Vermittlung“.
- Die Kapitelüberschrift „Bedeutung und Begleitung praxisintegrierender Professionalisierungsprozesse im Studium“ umfasst sechs Beiträge. Nach einem einführenden Beitrag werden fünf Lehrkonzepte zur Praxisbegleitung dargestellt.
Inhalt
Es folgt eine kurze Darstellung ausgewählter Beiträge des Herausgeber*innenbandes.
„Lehren und Studieren in der Sozialen Arbeit – Annährungen und Fragen aus hochschuldidaktischer Perspektive“ von Claudia Spindler: Nach allgemeinen Überlegungen zur Didaktik, hochschuldidaktischen Fragen und Anforderungen folgt ein historischer Abriss zur Entwicklung der Fachhochschulen und der damit einhergehenden Akademisierung Sozialer Arbeit. Ein Übergang zu fachdidaktischen Überlegungen Sozialer Arbeit wird mit folgendem Satz eingeleitet: „Die besondere Herausforderung für die Fachdidaktik besteht neben der Vermittlung akademischer Fähigkeiten an die Studierenden auch darin, die Verknüpfung von wissenschaftlichem Wissen mit praxisbezogenen Erklärungs-, Handlungs- und Reflexionskompetenzen zu ermöglichen.“ (S. 29–30). Vor dem Resümee geht die Autorin kurz auf die Rolle und das Kompetenzprofil von Lehrenden ein (S. 41).
Ein systematisierender Zugang zu Theorie/n Sozialer Arbeit im fachwissenschaftlichen Diskurs wird von Stefanie Debiel vorgestellt. Die Autorin stellt ein von ihr entwickeltes Schema vor, wo Theorien innerhalb der Sozialen Arbeit und Theorien der Sozialen Arbeit unterschieden werden (S. 78). Im Anschluss daran werden fünf Grundlagenpublikationen zu Theorien der Sozialen Arbeit anhand der Systematisierung von Theorien verglichen und Ableitungen zu einer studierendenbezogenen Vermittlung des Fachdiskurses getroffen. Das Ergebnis dieses Vergleichs wird tabellarisch aufgearbeitet (S. 85). Die Autorin endet mit Typisierungsansätzen von Theorien der Sozialen Arbeit und diskutiert den Ansatz der „vier sozialen Tatbestände“ von Rauschenbach/Züchner und die „fünf sozialen Tatsachen“ nach Lambers zur wissenschaftstheoretischen Gegenstandsbestimmung Sozialer Arbeit. Abschließend wird die zentrale Frage aufgeworfen, wie Orientierung für Studierende geschaffen werden kann.
Ein Lehrkonzept zu Grundbegriffen und Konzepten der Sozialen Arbeit wird von Claudia Spindler vorgestellt. Im Beitrag wird das Konzept einer Lehrveranstaltung für das erste Semester im Studiengang „Gesundheits- und Sozialwesen“ an der Hochschule Nordhausen beschrieben. Der Fokus des Seminars liegt auf dem Lesen und Verstehen von Texten zu Grundbegriffen Sozialer Arbeit und der Arbeit in Kleingruppen. Auf Seite 115 kann die Begriffsauswahl für das WS 2018/2019 eingesehen werden. Im Seminarverlauf erarbeitet jede Kleingruppe eine „Lernkartei“ für einen Begriff, die zur Prüfungsvorbereitung dient. Der Beitrag endet mit der Beschreibung der Ergebnisse der Lehrevaluation, als Feedback der Studierenden und Überlegungen zur Weiterentwicklung des Seminars.
Leonie Wagner erläutert ihr Lehrkonzept für ein Lektüreseminar für das fünfte Semester des BA-Studiengangs „Soziale Arbeit“ an der HAWK Holzminden. Inhaltlich geht es um die vertiefende Auseinandersetzung mit Theorien der Sozialen Arbeit. Trotz dessen, dass ein Lektüreseminar als „klassisches“ Hochschulangebot zählt, verweist die Autorin auf die recht dünne hochschuldidaktische Literatur zu diesem Format. Ganz bewusst „entschleunigend“ konzipiert sollen sich die Studierenden intensiv mit Primärtexten vorher gemeinsam ausgewählter Theorien der Sozialen Arbeit auseinandersetzen. Anhand des gemeinsamen Lesens im Seminar, des Klärens von Verständnisfragen und der inhaltlichen Diskussion sollen nicht nur Erkenntnisse zu den jeweiligen Theorien (und im Vergleich zueinander) erlangt werden, Ziel ist es auch, den wissenschaftlichen Sozialisationsprozess anzuregen.
Die Bedeutung von praxisintegrierenden Professionalisierungsprozessen im Studienverlauf diskutiert Thomas Harmsen. Der Autor wirft zu Beginn seines Beitrags eine wesentliche Kernfrage für Studiengänge Sozialer Arbeit auf: Welcher Stellenwert wird Theorie-Praxis-Anteilen im Studium zugeschrieben? Zunächst werden professionstheoretische Aspekte skizziert. Hierbei legt Harmsen den Schwerpunkt auf die Identitätsdiskussion der Sozialen Arbeit, die u.a. in der Debatte zum Ausdruck kommt, ob Soziale Arbeit nun Profession oder Disziplin sei. Die fünf Positionen zur professionellen Identität von Heiko Kleve werden dargestellt und kritisch diskutiert. Eine Frage, die der Autor dabei anspricht ist, inwieweit diese fünf Positionen zur Deprofessionalisierung Sozialer Arbeit betragen. Im weiteren Verlauf der Ausführungen werden Lernorte und Lernarrangements als Möglichkeiten vorgestellt, wie im Studium die Auseinandersetzung mit der eigenen professionellen Identität gefördert werden kann. Eine Möglichkeit sind praxisintegrierende Elemente. Hierbei genießt der Transferaspekt zwischen Praxiserfahrung und wissenschaftlichen Inhalten besondere Aufmerksamkeit. Der Autor schließt seinen Beitrag mit folgendem Statement „Gelingende Professionalisierungsprozesse entstehen durch die sinnhafte Nutzung der drei beschriebenen Lehrformate Vermittlung, Relationierung, Aneignung“ (S. 206).
Diskussion
Der Sammelband umfasst vor allem eine Zusammenstellung verschiedener Lehrkonzepte zur Theorievermittlung in der Sozialen Arbeit und die Begleitung praxisintegrierender Phasen als Professionalisierungsprozess im Studium. Die Erläuterung der Lehrkonzepte hat meist deskriptiven Charakter. Lesende erfahren etwas über Ziele und den Aufbau einer Lehrveranstaltung sowie das Feedback der Studierenden.
Neben der reinen Beschreibung eines Lehrkonzeptes hat die hier vorgenomme Darstellung auch etwas Reflexives. Zumeist werden Vorgehen und Literaturauswahl in Bezug auf die Zielgruppe und den Gesamtkontext des Moduls begründet. Dies muss für Lesende nicht immer relevant sein. Die Beiträge sind ist jedoch gute Beispiele, wie eigene Ideen für Lehrveranstaltungen in Bezug auf die Zielgruppe, das Ziel einer Lehrveranstaltung sowie den professionellen Sozialisationsprozess hinterfragt und zielgruppenspezifisch umgesetzt werden können. Diese beispielgebende Funktion des Bandes ist in einem Hochschulalltag umso wichtiger, wo die didaktische Vorplanung von Lehrveranstaltungen nicht immer Teil des Kerngeschäfts ist.
Insgesamt merkt man dem Band an, dass ein hochschulübergreifender Austausch über Lehrkonzepte im Vordergrund steht. Anhand der verschiedenen Lehrkonzepte wird jedoch nicht deutlich und beitragsübergreifend herausgearbeitet, was nun das eigentlich Spezifische einer Fachdidaktik der Sozialen Arbeit ist/sein kann. Es bleibt unklar, wie die Position der Herausgeber*innen in Bezug auf eine Fachdidaktik Sozialer Arbeit ist oder welche beitragsübergreifenden Ableitungen für eine (Weiter-) Entwicklung dieser getroffen werden können. Zusammengefasste Punkte oder ein Statement für die Anregung einer weiterführenden Diskussion wären abschließend wünschenswert gewesen.
Fazit
Dieser Herausgeber*innenband zur Fachdidaktik Sozialer Arbeit ist meines Erachtens ein absolutes Novum. Den Herausgeber*innen und Autor*innen gilt ein Dank für die Initiative zur Gestaltung des Bandes und den Einblick, den Lesende in Lehrkonzepte und didaktische Überlegungen zur Wissensvermittlung von Theorien Sozialer Arbeit und unterschiedlichen Formen der Praxisbegleitung erhalten.
Wenngleich keine zusammengefassten Ableitungen für eine mögliche Fachdidaktik Sozialer Arbeit bzw. deren eventuelle Besonderheiten getroffen werden, so stellt der Band eine inspirierende Lektüre für (zukünftig) Lehrende in Studiengängen Sozialer Arbeit dar.
Rezension von
Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen
IU Internationale Hochschule Erfurt
Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin (FH)
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