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Josefa Kny: Too big to do good?

Rezensiert von Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker, 28.01.2021

Cover Josefa Kny: Too big to do good? ISBN 978-3-96238-239-1

Josefa Kny: Too big to do good? Eine empirische Studie der Gemeinwohlorientierung von Großunternehmen am Beispiel der Gemeinwohl-Ökonomie. oekom Verlag (München) 2020. 376 Seiten. ISBN 978-3-96238-239-1. D: 35,00 EUR, A: 36,00 EUR.
Reihe: Transformationsdesign.

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Entstehungshintergrund und Thema

Das Buch ist in der Reihe „Transformationen“ erschienen, die von Dr. Michaela Christ, Dr. Bernd Sommer und Prof. Dr. Harald Welzer in Zusammenarbeit mit dem oekom Verlag herausgegeben wird und nach Angaben des Herausgeberteams ein Forum für Forschungsarbeiten bietet, das die sozial-ökologischen Veränderungen dezidiert unter einer sozial- und kulturwissenschaftlichen Perspektive betrachtet. Der vorliegende Band ist die Dissertation der Autorin, die im Kontext des Forschungsprojekts „Gemeinwohl-Ökonomie im Vergleich unternehmerischer Nachhaltigkeitsstrategien“ (GIVUN) am Norbert Elias Center for Transformation Design & Research (NEC) der Europa Universität Flensburg entstanden ist.

Verfasserin

Dr. Josefa Kny war von 2013 bis 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am NEC der Europa Universität Flensburg. Von 2018 bis 2020 war sie Promotionsstipendiatin des Landes Schleswig-Holstein. Die Verfasserin arbeitet seit 06/2020 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin im Projekt „tdAcademy – Transdisziplinäre Forschung und Studien“. Der Schwerpunkt ihrer Lehraufträge sowie ihrer Forschungs- und Publikationstätigkeit liegt in der Interdisziplinären Transformations- und Nachhaltigkeits- sowie Zukunftsforschung. Ferner ist sie seit 2012 redaktionelle Mitarbeiterin bei der FUTURZWEI.Stiftung Zukunftsfähigkeit und bei taz.FUTURZWEI – Magazin für Zukunft und Politik.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist nach dem Vorwort der Autorin (S. 9–10) in acht Kapitel unterteilt. Literatur (S. 343–374) und Abkürzungen (S. 375) ergänzen die Untersuchung.

1. Einleitung (S. 11–24)

Mit der vorliegenden Studie verfolgt Josefa Kny die Frage „ob und unter welchen Bedingungen sich multinationale Großunternehmen zuvorderst an Gemeinwohl und Nachhaltigkeit ausrichten können“ (S. 11). Einleitend verweist sie auf frühe und aktuelle Erkenntnisse von Ökonomen und aktuellen Studien zur Debatte über eine Wirtschaftsform, die sich mit der Überwindung von ungleicher Verteilung von Chancen und Vorschlägen zur unternehmerischen Verantwortung und zum Nachhaltigkeitsmanagement beschäftigen. Da Groß- und multinationalen Unternehmen ein erhebliches sozial-ökologisches Transformationspotenzial zugeschrieben wird, untersucht sie, ausgehend vom Modell der Gemeinwohl-Ökonomie (GWO) inwieweit der Handlungsbedarf bei den ausgewählten Unternehmen bereits erkannt und umgesetzt wurde. Ihre Fragestellung fasst sie wie folgt zusammen: „Können multinationale Großunternehmen gemeinwohlorientiert, im Sinne der GWÖ, wirtschaften und welche Faktoren sind dafür relevant?“ (S. 20).

2. Gemeinwohl-Ökonomie und Großunternehmen (S. 25–56)

Dieses Kapitel stellt zu Beginn die Gemeinwohl-Bilanz samt zugehöriger Matrix in der Version 4.1 des Handbuchs vor. Das von Felber (2014) aus der Gemeinwohl-Bewegung entstandene Verständnis von Gemeinwohl repräsentiert dabei eine eigene Variante, für die Anwenderfreundlichkeit und eine basisdemokratische Legitimation besonders wichtig sind. Sowohl Kritiker dieser normativen Setzung als auch Felber (2014) wissen, dass das Modell erst in Ansätzen methodisch unterfüttert ist. Der zweite Abschnitt legt Knys zugrunde gelegtes Verständnis von Großunternehmen offen, indem sie insbesondere organisationstheoretische Ansätze bemüht, die sich mit dem Verhältnis zur und den Einfluss auf die Umwelt beschäftigen und im Inneren die Entscheidungsgrundlagen und -prozesse fokussieren. Im dritten Kapitel referiert die Autorin die seit der Gründung der GWÖ im Jahr 2010 vorliegende Rezeption des Modells sowie die vorhandenen Studien und Einordnungen des Modells im Vergleich und in Abgrenzung zu anderen Ansätzen. Im vierten Abschnitt zeigt Kny deshalb Schnittflächen zu anderen Modellen auf und ordnet das GWÖ-Modell im Hinblick auf Großunternehmen und soziologische, psychologische und wirtschaftswissenschaftliche Forschungsergebnisse entsprechend ein.

3. Datengrundlage und Methoden (S. 57–86)

Da zum Zeitpunkt der Erhebung noch kein Großunternehmen (mehr als 750 Mitarbeitende) eine Gemeinwohlbilanz veröffentlicht hatte, nähert sich die Studie dem Gegenstand in mehreren Schritten qualitativ-explorativ. Aus vorliegenden Dokumenten (wie z.B. Unternehmens-, Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten) werden Unternehmenskennzahlen, -strukturen, Geschäftsmodelle und -strategien, Branchenpositionen und Nachhaltigkeitsthemen gemäß den Kriterien der Gemeinwohlbilanz extrapoliert und damit die Sicht des Unternehmens, wie es nach außen präsentiert wird, erhoben. Sie wird ergänzt durch eine Innensicht, die von ausgewählten Expert/​innen (Abteilungs- und Bereichsleiter/​innen aus unterschiedlichen Bereichen) eines jeden Unternehmens in Fokusgruppendiskussionen erhoben wurde. Initiativ fanden zwei Workshops statt: Im ersten wanderten die Expert/​innen durch Poster zu den Indikatoren und machten sich Gedanken, wie das Unternehmen bei einer Gemeinwohlbilanzierung abschneiden würde, welche Schwierigkeiten und Potenziale es im Unternehmen als Begründung für die Einordnung gibt. Die Einschätzungen der Teilnehmenden wurden den Postern in einer zweiten Spalte hinzugefügt. In einem zweiten Workshop entwickelten die Teilnehmenden zunächst Zukunftsentwicklungen des Unternehmens und beschrieben danach anhand zweier Szenarien unternehmensinterne und Umweltveränderungen und daraus folgende Maßnahmen im Hinblick auf Wahrscheinlichkeit, Machbarkeit und Wünschbarkeit, die es bräuchte, um GWÖ-konformer zu werden. Vier weitere Interviews mit Jurist/​innen zu rechtlichen Fragen und ein Interview eines Beratungsinstituts für Nachhaltigkeit ergänzten die Datenbasis. Die Fallauswahl erfolgte nach drei Kriterien des maximalen Kontrasts: bisherige Integration von Nachhaltigkeitsthemen, Branche und Eigentümer- und Entscheidungsstruktur. Alle mithilfe der o.g. methodischen Varianten gewonnenen Daten liegen in Schriftform vor (Transkripte, Fotos, Verlaufsprotokolle usw.). Die Auswertung erfolgte nach der Thematic Analysis von Braun und Clarke (2012). Dabei wurden die Themen nach Intensität kategorisiert (bereits realisiert, machbar, möglich, kaum möglich, unmöglich). Mit Anmerkungen zu den „Grenzen des Ansatzes“ (S. 85) erweist die Verfasserin ihr methodenkritisches Bewusstsein.

4. Die untersuchten Unternehmen (S. 87–112)

Die Autorin stellt relevante Zahlen, Daten und Fakten der ausgewählten Unternehmen dm-drogerie markt, Otto Group, E.ON und MAN vor. Präsentiert werden die Organisationsstruktur, die Geschäftsfelder und Unternehmenskennzahlen, die den Geschäftsberichten der Jahre 2014 bis 2016 entnommen wurden. Für Aussagen zur Unternehmenskultur und den Strategien zieht Kny Nachhaltigkeitsberichte und Medieninterviews der Unternehmensleitung hinzu. Die „offiziell“ kommunizierten Angaben werden ergänzt um Aussagen zum direkten Umfeld (Aufgaben- und globale Umwelt) aus den Workshops mit den Unternehmensvertreter/​innen (Selbsteinschätzungen) aus dem Jahr 2016. Ergänzt werden die Daten um Branchen- und Berichterstattungsanalysen.

dm-drogerie markt mit Sitz in Karlsruhe, 1973 gegründet von Götz Werner und nunmehr in Besitz der gemeinnützigen dm-Werner-Stiftung und Günther Lehmann als stillem Gesellschafter konzentriert sich auf den stationären Einzelhandel mit Drogerieartikel. Dagegen ist die Otto Group, gegründet 1949 von Werner Otto mit Sitz in Hamburg ein Handelsimperium, das Einzelhandelsunternehmen und handelsnahe Dienstleistungen weltweit verbindet (Multichannel-Einzelhandel in den Segmenten Mode, Einrichtung, Spielen, Freizeit), Finanzdienstleistungen und Services mit 123 Konzerngesellschaften. Es befindet sich in Besitz der Familie Otto. Der Energieriese E.ON entstand 2000. Er ist eine europäische Aktiengesellschaft SE, deren Aktien sich in Streubesitz befinden. Der Essener Konzern hat in den vergangenen Jahren verschiedene Zu- und Verkäufe getätigt und konzentriert das Geschäft seit 2016 vorwiegend auf Energienetze, Kundendienstleistungen und Erneuerbare Energien. MAN blickt auf eine über 200-jährige Geschichte als Fahrzeugbauer zurück. Die europäische Aktiengesellschaft MAN SE ist ein Nutzfahrzeug- und Maschinenbauunternehmen mit Sitz in München, die in 14 Ländern produziert (Busse, LKW, Transporter, Dieselmotoren, Turbomaschinen und Getriebe für Schiffe und Kraftwerke). Die MAN-Gruppe ist seit 2016 zu mehr als zwei Dritteln in Besitz der Volkswagen-AG und deshalb in deren Konzerngeflecht eingebunden.

5. Wie gemeinwohlorientiert handeln die Großunternehmen? (S. 113–187)

Die Autorin präsentiert die Resultate zu den gemeinwohlorientierten Maßnahmen der Unternehmen entlang der Stakeholder-Gruppen und nimmt eine Einordnung in den GWÖ-Bewertungshorizont nach dem Stufenmodell des GWÖ-Audits in „erste Schritte“, „fortgeschritten“, „erfahren“ und „vorbildlich“ vor. Wo möglich hat sie über ihre Datenerhebung eruierbare weitere Informationen einbezogen. Folgende Stakeholder-Gruppen werden nacheinander für jedes Unternehmen untersucht sowie die jeweils gewonnenen Erkenntnisse unter Bezug auf die Quellen präsentiert: Lieferanten, Geldgeber, Mitarbeiter/​innen, Kund/innen, Wettbewerber, Produkte und Dienstleistungen und das gesellschaftliche Umfeld. Dabei ergibt sich ein sehr differenziertes und auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Stakeholder-Gruppen verdeutlichendes Bild innerhalb des Unternehmens wie auch zwischen den Unternehmen. In der Zusammenfassung des Abschnitts nimmt Josefa Kny einen interessanten Vergleich mit einem kleinen Unternehmen vor, das bis zum Zeitpunkt der Studie eines der besten Ergebnisse bei der Indikatorenbewertung im GWÖ-Audit erzielt hat. Dabei befinden sich die analysierten Unternehmen, mit deutlichen Abweichungen, in Summe „weitestgehend am Anfang des Weges zum gemeinwohlorientierten Wirtschaften im Sinne der GWÖ“ (S. 183). Bei einem Drittel der Subindikatoren stehen die Unternehmen in der Kategorie „erste Schritte“. Maximal ein Fünftel der Indikatoren wird mit „fortgeschritten“ eingeschätzt. Als „erfahren“ oder „vorbildlich“ werden nur eine Subkategorie bzw. maximal vier von 52 Subindikatoren gesehen. Bei allen Unternehmen zählt das Service-Management darunter. Feststellbar sei nach Kny, dass in den Unternehmen zwar bereits ein geschärftes Bewusstsein für Themen vorhanden sei, jedoch keine Maßnahmen daraus folgten.

6. Zukunftsperspektiven unternehmerischer Gemeinwohlorientierung (S. 188–195)

Dieses Kapitel gibt die Ergebnisse des Zwischenschritts beim methodischen Vorgehen wieder, der eingeschoben wurde, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen und in welchem Ausmaß die Unternehmen gemeinwohlorientiert handeln würden. Dafür wurden die Repräsentant/​innen mit zwei Zukunftsszenarien konfrontiert: 1) Ein Regulationsszenario, bei dem für das Jahr 2030 verbindliche CO2-Steuern gelten, nachhaltige Infrastrukturen subventioniert werden und das BIP von einem Wohlfahrtsindex abgelöst wurde und 2) das Wettbewerbsszenario, in dem ökonomische Aspekte Vorrang haben, ökologische und soziale Kriterien auf niedrigem Niveau bleiben und Investitionen in nachhaltige Infrastruktur nur auf Druck passieren. Im Wesentlichen kann konstatiert werden, dass gesetzlich fixierte ökologische und soziale Standards die Unternehmen motiviert, diesen zu folgen, weil sie für alle gelten. Unternehmen unterscheiden sich darin, ob sie dies wollen oder nicht. Ferner kann festgehalten werden, dass die Unternehmen auf gesellschaftliche und Kundenbedürfnisse reagieren und ihr Geschäftsmodell anpassen, wenn es wirtschaftlich solide möglich ist. Reputationsgründe allein tragen nicht lange. Bei starkem finanziellem Druck auf die Unternehmen steigt die Bedeutung externer Investor/​innen, was der Gemeinwohlorientierung zuwiderläuft. Im Hinblick auf die Mitarbeiterbeziehung kann es zu einer Einkommensspreizung zwischen hoch qualifizierten Mitarbeitenden und gering Qualifizierten kommen oder Tendenzen, diese in das Ausland zu verlagern.

7. Was beeinflusst die Gemeinwohlorientierung großer Unternehmen? (S. 196–322)

In diesem Kapitel bespricht Kny die sechs von ihr identifizieren Einflussfaktoren, welche die Unternehmen über das bisherige Engagement hinaus für die Gemeinwohlorientierung einbringen könnten oder was sie abhält, diese geltend zu machen. Die zwei externen und vier internen Faktorenbündel stellt sie auf Basis vorhandener Fachliteratur sehr ausführlich dar.

Im 1) „ökonomischen Rahmen“ erkennen die Unternehmen die Leitmotive Wachstum, Wettbewerb und Internationalisierung als kaum hinterfragbare Anreizstrukturen. Unternehmerische Handlungsfelder für gemeinwohlorientierte Abweichungen sehen sie in der Beschaffung, im Produktabsatz, der Entlohnung und den Arbeitsformen, in unternehmensübergreifenden Kooperationen und Transparenz sowie in Finanzierungsformen. Entscheidungs- und Handlungsspielräume für die Zukunft ergeben sich durch eine differenziert betrachtete Gewinnmaximierung, die Infragestellung des Größenwachstums und die disparaten Auswirkungen der Digitalisierung.

Dem 2) „rechtlichen Rahmen“, den der Staat für das Wirtschaftshandeln setzt, attestieren die Befragten einen entscheidenden Einfluss mit dem Fokus auf Deutschland und die EU und gesetzliche Vorgaben hinsichtlich von Gemeinwohlorientierung (z.B. Mitbestimmungs-, Tarif-, Teilzeitarbeitsrecht, Transparenzpflichten und branchenspezifischen Vorschriften). Ambivalenzen ergeben sich beispielsweise aus dem Kartell- und dem Aktienrecht, der Steuertransparenz und Gewinnverwendung und branchenspezifischen Barrieren. Für Handlungsspielräume wären weitere (internationale) Regulierungen nötig, um sozialen und ökologischen Standards mehr Raum zu geben bzw. den gegebenen Raum nicht zu unterlaufen.

In Bündel 3) werden „Akteur/​innen“, konkret Kund/innen und Lieferant/​innen, sowie „Strukturen im Unternehmensumfeld“, nämlich das Finanzsystem, materielle Infrastrukturen und Mitarbeiter/​innen in ihrer Mittlerrolle analysiert. Die Macht der Kund/innen, Unternehmen in Richtung gemeinwohlorientierten Verhaltens zu drängen, wird von den Befragten vergleichsweise hoch eingeschätzt, während sich umgekehrt die Unternehmen in ihrer Beeinflussung der Kundschaft als weniger wirkungsvoll erachten. Hinsichtlich der Lieferanten wird ein engerer Kreis an direkten und der entfernte Kreis in der Lieferkette unterschieden. Ersterer sei unmittelbar beeinflussbar, während letzterer weit schwieriger zu fassen und nur mit Hilfe von staatlichen Regulierungen zu beeinflussen sei. Das Größenverhältnis spiele zwar eine gewisse Rolle, sei insgesamt aber nicht weiter zu instrumentalisieren.

Bei den 4) Geschäftsmodellen wird deutlich, wie dominant in der Aktion sie bei den Großunternehmen betrachtet werden. Im Weiteren werden Aspekte extrapoliert, die gemeinwohlorientierte Geschäftsmodelle verhindern und welche, die sie befördern. In der „Massenmarkt- und Suffizienzorientierung“ scheint eine große Unvereinbarkeit zu liegen.

Auch im Hinblick auf die 5) Unternehmenskultur spielt das zugrundeliegende Geschäftsmodell eine prägende Rolle, was z.B. die Auffassungen über den Wettbewerb anbetrifft, aber ebenso unternehmensinterne Gestaltungsoptionen wie z.B. Transparenz oder Mitbestimmung. Die ermittelten Unternehmenskulturen sind in der Integration von sozialen und ökologischen Aspekten sowie in der Kongruenz von (Außen-)kommunikation und gelebter Praxis sehr heterogen. „Kulturwandelpotenziale“ (S. 301) sind umso wahrscheinlicher, je stärker prägende Vorbilder wirken, Zielsetzungen vorhanden sind und eine gesellschaftliche Debatte das Umfeld prägt. Verhindert werden sie von Beharrungstendenzen, vor allem in den großen Unternehmen.

Bei der 6) Eigentümerstruktur lässt sich eine Dichotomie von familiengeführten und börsennotierten Unternehmen darstellen: Erstere kennzeichnet ein hoher Konzentrationsgrad und große Macht, eine auf Langfristigkeit ausgerichtete und damit nicht nur gewinnmaximierende Vorgehensweise, letztere ist in Streubesitz einer wenig homogenen Masse mit weniger Einfluss und auf kurzfristige Erfolge fokussiert. Die Ausrichtung in Richtung GWÖ ist in beiden Eigentümerstrukturen möglich, lässt sich – bei vorhandener Offenheit der Eigentümer –, in den familiendominierten Formen leichter umsetzen.

8. Fazit und Ausblick (S. 323–342)

Der Abschnitt fasst alle wesentlichen Aspekte der Studie zusammen, pointiert die „Veränderungspotenziale in Richtung Gemeinwohlorientierung“ (S. 335), erwähnt Anregungen für Anschlussforschung und ebenso „praktische Implikationen“ (S. 339).

Diskussion

Dem methodischen Vorgehen einer Dissertation gemäß liefert das Buch sehr differenzierte und transparente Resultate über gemeinwohlorientiertes Veränderungspotenzial von großen Unternehmen. Bei aller Begrenztheit der Studie aufgrund der Auswahl der Unternehmen und deren befragten Repräsentant/​innen gibt sie zu erkennen, dass das „Henne-und-Ei-Problem“ durchaus Auswege gestattet, wenn das einfache „Spiel“ des stetigen Rückverweises verlassen wird und – wenn auch nur kleine – Schritte in Gang gesetzt werden, statt auf den einzigen befreienden großen Sprung zu warten. Wenngleich in großen Unternehmen die Mechanismen der manifesten und latenten Status-Quo-Sicherung eine sehr starke Wirkung entfalten, verspüren sie externe Treiber wie beispielsweise den Druck von Kunden oder die gesellschaftliche Debatte, die zumindest auf manchen Gebieten dazu führen, sich zunächst „fremdmotiviert“ auf die soziale und ökologische Dimension der GWÖ einzulassen. Wird die GWÖ als Messlatte gesetzt, wie dies bei Kny der Fall ist, so können bei allen Unterschieden der Unternehmen, doch verschiedene Optionen von Vorgehensweisen identifiziert werden. Dabei gibt es bei den großen Playern durchaus unterschiedliche Herangehensweisen zum Anstoßen von Veränderungen, die sich in einer eher proaktiven Praxis zeigen kann, wie z.B. ein klares Bekenntnis von einflussreichen Inhabern und eine entsprechende Übersetzung einer Strategie in unternehmenskulturelle Maßnahmen, aber auch eine Fortsetzung in Lieferketten – trotz internationaler Verflechtungen.

Eine Form reaktiver Praxis zeigt sich darin, sich auf den Wettbewerb und dessen „Gesetzmäßigkeiten“ zu berufen, abzuwarten, bis rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, zu bedauern, dass ein Ausscheren nicht möglich ist, sich auf die Gewinnmaximierungserwartungen der Aktionäre zu berufen und ethische Fragen auszuklammern. Kny konnte mit ihrer Studie Aspekte herausschälen, die simple Antworten von Unternehmen mit Verweis auf die Größe, die Komplexität, die internationalen Verflechtungen nicht mehr länger glaubhaft erscheinen lassen. Die Autorin bringt mit der Studie Bewegung in die Diskussion, hält sich selbst strikt an eine sachliche Darstellung und vorverurteilt nicht, stellt auch Rückfragen an das GWÖ-Modell. Studien dieser Art liefern Fakten für eine offene Auseinandersetzung und verhindern eine vorschnelle Zuordnung in festgefahrener Weise. Die aufgezeigten differenzierten Zusammenhänge fordern beim Lesen gelegentlich heraus, sind andererseits aber gerade die Brücke für den weiteren Dialog. „Too big to do good“ lässt sich pauschal jedenfalls nicht bestätigen.

Fazit

Das Buch zieht mit der Anspielung auf den „too-big-to-fail-Begriff“ die Aufmerksamkeit auf sich. Was es an Erkenntnissen beinhaltet, enttäuscht ob des attraktiven Titels nicht. Es ist ausgesprochen lesenswert für alle, denen gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit wichtige Anliegen sind.

Rezension von
Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker
Lehrgebiete Sozialmanagement und Bildungsarbeit an der Fakultät Sozial- und Gesundheitswissenschaften der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg
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Es gibt 82 Rezensionen von Irmgard Schroll-Decker.

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ISSN 2190-9245