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Nadia Kutscher, Thomas Ley et al. (Hrsg.): Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung

Rezensiert von Prof. Dr. Ralf Hoburg, 14.04.2021

Cover Nadia Kutscher, Thomas Ley et al. (Hrsg.): Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung ISBN 978-3-7799-3983-2

Nadia Kutscher, Thomas Ley, Udo Seelmeyer, Friederike Siller, Angela Tillmann et al. (Hrsg.): Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2020. 658 Seiten. ISBN 978-3-7799-3983-2. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 51,90 sFr.

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Thema und Entstehungshintergrund

Manche Bücher kommen zum richtigen Zeitpunkt. Zwar war das Stichwort der Digitalisierung bereits vor dem Jahr 2020 in Politik, Forschung und Wissenschaft in Medien und Fachpublikationen präsent, aber durch die Aktualität der Corona-Pandemie seit dem Jahr 2020 sind Digitalisierung, digitale Medien und digitale Wissensvermittlung sowie die Möglichkeiten digitaler Kommunikation ganz neu und viel unmittelbarer in das Rampenlicht der Öffentlichkeit getreten und haben sich wissenschaftliche Diskurse über das Thema allgemein dynamisch entwickelt.

Das Handbuch „Soziale Arbeit und Digitalisierung“ ebnet hier Wege und gibt einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung zu dem Themengebiet und ordnet das Thema sowohl in die disziplinären als auch in die organisationalen und professionstheoretischen Felder innerhalb des Bereiches der Sozialen Arbeit ein. Daneben gibt es kompendienartig einen Überblick über die Anwendung von Digitalisierung in den diversen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Man kann sagen, dass das Handbuch mit seinem Erscheinen bereits Standardwerk auf dem Gebiet „Soziale Arbeit und Digitalisierung“ ist.

Herausgebende

Die Gruppe der sechs Herausgeberinnen und Herausgeber stammen aus dem Fachgebiet Sozialer Arbeit und der Erziehungswissenschaft und befassen sich schon längere Zeit in Forschung und Wissenschaft mit Einzelaspekten innerhalb des Feldes Digitalisierung. Der Einleitung ist zu entnehmen, dass der Band in kurzer Zeit entstanden ist. Die Beiträgerinnen und Beiträger sind hauptsächlich in den Fachrichtungen der Erziehungswissenschaft, der Medienwissenschaft oder der Sozialen Arbeit bzw. den Bezugsdisziplinen der Sozialen Arbeit beheimatet.

Aufbau und Inhalt

Das insgesamt 651 Seiten umfassende Handbuch hat einen stringenten Aufbau in sieben Teilen und durchschreitet einen gedanklichen Weg von eher prinzipiell disziplinären und gesellschaftlichen Einordnungen hin zu organisationalen Überlegungen und geht dort der Frage nach, wie Digitalisierung in den Erfordernissen moderner sozialer Dienstleistungsorganisationen anzuwenden ist. Das Thema der Digitalisierung wird in vielen Beiträgen des Bandes mit dem Bereich der Mediatisierung bzw. der Medienpädagogik zusammengebracht. Die praxisorientierte Perspektive auf Handlungsfelder und auch der Abschluss des Handbuches mit Überlegungen zu Forschung ergeben einen in sich durchdachten und überlegten Aufbau.

Das Werk verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel einer Bestandsaufnahme und einer analytischen Standortbestimmung (S. 11), die mit dem Ansatz einer „Kanonisierung und Systematisierung des Wissens in diesem Themenfeld“ verbunden ist. (S. 11) Hierbei fließen aus den mit den Beiträgerinnen und Beiträgern verbundenen Fachrichtungen heraus Betrachtungen, die das Thema der Digitalisierung in verschiedenen Facetten in medienpädagogische wie auch techniksoziologische Zusammenhänge einbetten.

In Teil I finden sich unter der Überschrift „Disziplinäre Betrachtungen“ Zugänge zum Thema der Digitalisierung, die den Versuch unternehmen, die Transformation durch Mediatisierung generell in die Vollzüge und Vorgehensweisen der Sozialen Arbeit einzuordnen. In Anlehnung an Nadia Kutscher benennt der Beitrag von Friedrich Krotz hier die Anwendungsbereiche, bei denen in der Sozialen Arbeit Aspekte von Digitalisierung überhaupt eine Rolle spielen: Beratung und Unterstützung, Dokumentation und Diagnostik, mediatisierte Institutionen. (S. 38) Digitale Fallbearbeitung ist daher das Thema von Florian Eßer. Bei der Beschreibung aller Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt, wird aber durchaus gewarnt, dass der Einsatz von PC und Software im eigentlichen Sinn keine „sozialen Probleme lösen und keine kulturell basierten Werte berücksichtigen“ kann. (S. 35) In allen Beiträgen dieses Teils wird die Ambivalenz im Umgang mit Digitalisierung verschiedentlich deutlich: Einerseits findet Soziale Arbeit immer im Kontext mit Medien statt, andererseits muss berücksichtigt werden, dass sich die Soziale Arbeit durch die Digitalisierung der Lebenswelten der Adressatinnen auch selbst transformiert und verändert. Dies betrifft etwa die Art der interpersonalen Kommunikation. (S. 66) Aus diesem Grund muss vor dem Hintergrund der Digitalisierung auch das Selbstverständnis Sozialer Arbeit reflektiert werden. In Hinsicht auf das sich verändernde Selbstverständnis Sozialer Arbeit vor dem Hintergrund sozialarbeiterischer Themata wie Klientenbezug, Lösung sozialer Probleme etc. finden sich immer wieder gute Einzelbeobachtungen.

Der Teil II stellt die soziologische und gesellschaftliche Einordnung in den Mittelpunkt. Ausgegangen wird hierbei von der Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung. Besonders der sog. Dritte Sektor – also z.B. auch Gesundheitsberufe – wird durch Digitalisierung stark verändert. Betroffen von der Veränderung sind die Lehr- und Lernsettings, aber es entsteht auch die Möglichkeit neuer Beteiligungsformen durch Digitalisierung. Auch hierbei läßt sich die Ambivalenz des Themas immer wieder verdeutlichen. Betrachtet wird in Teil II besonders die Zielgruppe der Jugendlichen und deren veränderte Lebenswelt durch Mediatisierung. Hier bieten einige Beiträge neuere Analysen zur Mediennutzung. Aus der Analyse heraus stellt sich für die Soziale Arbeit das Thema einer geeigneten medialen Kompetenzvermittlung. Alle Beiträge dieses Teils gehen aus von der Zunahme von Komplexität digitaler Lebenswelten. Zu dem Feld zunehmender Komplexität kommt das Feld der „digitalen Spaltung“ und einer Zunahme sozialer Ungleichheit. Der Beitrag von Stefan Iske und Nadia Kutscher über soziale Spaltung bestätigt bereits zeitlich betrachtet vor der Corona-Pandemie, was Bildungsexperten bezüglich des Home-Schooling neuerdings beschreiben. Die ernüchternde Erkenntnis kann in der Feststellung gesehen werden, dass im digitalen Raum die sozial-strukturellen Ungleichheiten bezogen auf die Klientel reproduziert werden. (S. 125) Datensicherheit, Überwachungsmöglichkeiten, Transformation politischer Prozesse durch Online-Partizipation und das Stichwort der Algorithmisierung runden den Teil II ab. Gerade der letzte Beitrag des Teil II beschreibt, wie durch Methoden des Scorings und durch automatisierte Entscheidungsprozesse eine mögliche Algorithmisierung entsteht, die einer „Quantifizierung des Sozialen“ (Selke) Vorschub leistet oder – wie ich es selbst beschreiben würde – zu einer sozialen Gesichtserkennung führt.

Gerade der letzte Aspekt führt gedanklich zu Teil III des Handbuches, der überschrieben ist: „Digitalisierte Formen der Dienstleistungserbringung“. Grundsätzlich geht es um die Verortung der Dienstleistungserbringung, die ja nach Definition eine personenzentrierte Dienstleistung darstellt und in digitalen Kontexten von der persönlichen Ebene der Interaktion – etwa durch persönliche Begegnung – auf die Ebene von Abwesenheit und Substituierbarkeit gehoben wird. Dies kennzeichnet den Rahmen der „Online“-Beratung, die in verschiedenen Varianten existiert und immer abhängig ist von individuellen Ressourcen und Zugängen. Hier greift der lesenswerte Artikel von Alexandra Klein und Caroline Pulver das Feld der Online-Beratung aufund zeigen dort die Ambivalenzen auf. Einerseits sei die Bereitschaft der Fachkräfte zur Nutzung von Onlineberatung gestiegen, andererseits hängt vieles auch von den Ressourcen und Zugängen der Nutzer ab. Der Artikel nimmt die Entwicklungslinien der Onlineberatungsformen auf und fordert die „Etablierung fachlicher Standards für Onlineberatung“. (S. 198) Die Dialektik von Präsenz und Virtualität bestimmt deutlich die Reflexionen über die Ebene der Wahrnehmung in Beratungs- und Handlungskontexten. Inmitten der Virtualität wird die reale Interaktion von Menschen und deren körperliche Wahrnehmung wieder ganz neu und verstärkt zu einem Thema im Beratungskontext, aber auch die Sozialraumorientierung ist von der digitalen Transformation tangiert. Der Autor David Kergel spricht in seinem Beitrag von der „Respezifizierung des Sozialraumansatzes im digitalen Zeitalter“ (S. 229) und meint damit, dass es notwendig ist, den bislang physikalisch verstandenen Raum durch die digitale Dimension zu erweitern. Anknüpfend an die traditionelle Definition von Sozialraum verbindet der Verfasser den Milieuansatz mit digitalen Nutzungsstrukturen bzw. Netzwerkstrukturen, die er an digitalen Maps und Kartierungen etwa benachteiligter Gruppen festmacht. Der Einsatz von Dokumentation und diagnostischen Verfahren sowie den digital verankerten Assistenzsystemen bis hin zu sozialen Robotern, die im Ganzen hinsichtlich ihrer Möglichkeiten, aber auch der kritischen Potenziale diskutiert werden, bilden in gewisser Weise eine Chance der Digitalisierung. Hier existieren inzwischen auf Datenbasis Verfahren, die Prognosen ermöglichen und Handlungsoptionen erlauben. Dennoch werden auch ethische Grenzen erkennbar, die in Teil IV in einem Beitrag von Nadia Kutscher thematisiert werden. 

Teil IV des Handbuches knüpft erneut an den fachspezifischen Aspekten der Sozialen Arbeit an – neben der Disziplin nun an dem Begriff der Profession. Damit kommt die Handlungsperspektive der Akteure in den Blick, wobei die Perspektive nach wie vor auf der Notwendigkeit einer personenzentrierten Dienstleistungserbringung liegt. Wenn sich durch Digitalisierung der soziale Raum zu einem virtuellen Raum transformiert, entstehen andere Interaktionsformen und bedarf es der Veränderung von Methodiken und professionellem Handeln. Gerade die Social-Media Dienste führen zu einer Veränderung der Kommunikation im professionellen Kontext. Digitalisierung nimmt also – so beschreibt es Salvador Campayo – „Einfluss auf professionelle Sinninterpretation und -hermeneutik.“ (S. 298) Teilweise werden deshalb nun aus der Handlungsperspektive Themenaspekte aus Teil I und Teil II des Handbuches wieder aufgegriffen (Fall, Medienpädagogik) und unter der Perspektive der Profession beschrieben. Dem Begriff der Medien- bzw. digitalen Kompetenz wird hier eine wichtige Rolle zugeschrieben. Anhand der Auswertung einer empirischen Untersuchung über Themen von Digitalisierung und Medien in den Curricula der Studiengänge an Hochschulen wird deutlich, dass das Thema der Medienpädagogik in Studium und Weiterbildung durchaus verankert ist, aber Formen der mediatisierten Kommunikationspraktiken sowie das organisationale Medienhandeln bislang wenig Beachtung findet. (S. 344) Nadja Kutscher reflektiert wie oben erwähnt abschließend in diesem Teil des Handbuches die Relevanz von Ethik im Kontext von Digitalisierung. Der Beitrag zeigt auf, dass neben der Forderung ethischer Aspekte der Digitalisierung bislang Forschungsdesiderate im Bereich der Erkennung und Wahrnehmung moralischer Konflikte existieren. (S. 359)

Der Schwerpunkt in Teil V liegt auf dem Zusammenhang von Digitalisierung und Organisation, womit wiederum an Teil III angeknüpft und auf Handlungszusammenhänge hin weitergeführt wird. Ausgegangen wird hierbei von der Beobachtung, dass Soziale Arbeit seit langem ein schwieriges Verhältnis zu Organisationen hat und gleichzeitig aber durch Management-Ansätze aufgerufen ist, sich mit der Veränderung der organisationalen Welt zu befassen, wozu auch Digitalisierung zählt. Zwischen formalen und informellen Prozessen weisen Organisationen Infrastrukturen auf, bei denen digitale Prozesse und Plattformen sich zu Standards entwickelt haben. Digitalisierung betrifft demnach die diversen Management- und Steuerungsprozesse der Organisation, die die Kommunikation, aber vor allem auch ökonomische Aspekte betreffen. Eher die nach außen, in Richtung der Gesellschaft und der Öffentlichkeit gerichteten Aspekte der Digitalisierung in Organisationen werden im Handbuch mit den Stichworten E-Government, informationeller Selbstbestimmung (Datenschutz) sowie Social Media und Öffentlichkeitsarbeit behandelt. Damit greift das Handbuch vor allem die aktuelle Debatte um Datenschutz sowie der Datenrechte auf.

Den Praxisteil VI kennzeichnet eine systematisierende Betrachtung von Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit. Hier wird von einer Systematisierung ausgegangen, die jeweils fünf Fragenkreise aufgreifen sollen. Im Fokus steht dabei die Frage, in „welcher Form Digitalisierung in dem Handlungsfeld eine Rolle spielt“ (S. 440) Dem sind zugeordnet die Betrachtung der Akteure, die Funktion der Medien innerhalb des Handlungsfeldes, die Relation zu Methoden und die Beleuchtung der Relevanz der Digitalisierung in dem Handlungsfeld. Entsprechend der klassischen Gliederungssystematik in der Sozialen Arbeit werden Kinder- und Jugendarbeit, Hilfen zur Erziehung sowie dann die spezifischeren Handlungsfelder zwischen Altenhilfe, Familienhilfe sowie Spezialfelder wie Behindertenhilfe, Drogen und Obdachlosenhilfe behandelt. Gemeinsam ist allen Beiträgen, dass einerseits fast durchgängig von der Digitalisierung der Lebenswelten ausgegangen und andererseits Strukturen der Beteiligung eingefordert werden. Auf der dritten Seite spielt die Medienkompetenz der Akteure eine zentrale Rolle. Gerade bei der Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen dominiert der Aspekt der Medienrezeption, der Kinderrechte und des Medienjugendschutzes. Neue Kommunikationswege zu den Adressaten und digitale Fallverarbeitung im Jugendamt sind Aspekte im Bereich der Arbeit in der Jugendhilfe. In der Altenhilfe etwa differenzieren die Autorinnen und Autoren des Beitrages in klientenbezogene, versorgungsprozessbezogene und arbeitsprozessbezogene Systeme, die konkrete Anforderungen an Techniksysteme stellen. Förderung von Teilhabe und Abbau von sozialer Ungleichheit sowie Internetbasierte Interventionsmethoden z.B. App-gestützte Formen spielen in der Alten- und Drogenhilfe eine Rolle, während in der Obdachlosenhilfe generell die Frage nach der Nutzung mobiler Medien gestellt wird. Neuartige Überlegungen begegnen auch in dem Beitrag zu Digitalisierung und Flüchtlingshilfe.

Im letzten Teil VII geht es um Perspektiven der Forschung. Hier werden in drei Beiträgen eher grundsätzliche Erwägungen zu qualitativen Forschungsansätzen erörtert. Im Mittelpunkt stehen weniger konkrete Forschungsfragen, sondern behandelt werden vielmehr methodische Überlegungen im Bereich der Konversationsanalyse bzw. dem neueren Ansatz der sog. Workplace Studies, der Textanalyse und qualitativer Interviews sowie ein abschließender Blick auf die internationale Forschung gerichtet.

Diskussion

Der Ansatz des vorliegenden Bandes zur Systematisierung und Beschreibung des Feldes der Digitalisierung ist komplex. Es werden beinahe alle Felder im Fachbezug der Sozialen Arbeit sowohl in Theorie- als auch Praxisperspektiven analysiert und kritisch in Bezug auf Digitalisierung durchleuchtet. Der gedankliche Focus liegt in der Erkenntnis, dass durch Digitalisierung und Mediatisierung eine grundlegende Transformation im Handlungsfeld Sozialer Arbeit in Gang gesetzt wurde. Dies betrifft die Theorieperspektiven von Disziplin und Profession als auch die Handlungsvollzüge im Einzelnen.

Obwohl die Digitalisierung explizit auch auf dem Feld der Organisationen betrachtet werden soll, bleibt dieser Teil aus meiner Perspektive als Rezensent, der im Bereich Sozialwirtschaft und Organisationen verortet ist, etwas blass. Digitalisierung spielt doch im Bereich von Controlling, Alltagskommunikation im Büro bis hin in die Personalverwaltung eine mittlerweile immer wichtiger werdende Rolle und gestaltet auch entscheidend die Kommunikationsroutinen innerhalb der Mitarbeitendenschaft. Die Probleme von Mails, die Hydra ständiger Erreichbarkeit mit Diensthandys oder Aspekte wie Datensicherheit in Organisationen, zu denen auch digitale Aufbewahrungspflichten oder der Bereich einer Gewährleistung von Verschwiegenheitspflicht in digitalen Kommunikationen zählen, sind heute zu wichtigen Themen einer Digitalisierung der Arbeitswelt geworden. Der „Mitarbeitende“ im Netz digitaler Kommunikation jenseits von Profession sollte als Aspekt in einer Neuauflage des Handbuches unbedingt als Einzelfeld bedacht werden. Die Blickrichtung des Handbuches ist primär fachbezogen und ausgerichtet auf die Klientenperspektive. 

Ein weiterer Punkt, der mir aufgefallen ist, ist die Absenz rechtlicher Aspekte. Bis auf Datenschutz werden rechtliche Aspekte der Digitalisierung wenig reflektiert. So ist z.B. die Frage zu beantworten, wie die rechtliche Situation und Absicherung von Videoaufzeichnungen in digitaler Klientenkommunikation zu bewerten sind. Da Recht und Ethik oft miteinander verwoben sind, wäre auch die ethische Frage eng mit den rechtlichen zu betrachten und verdient es, in mehr als nur einem Beitrag behandelt zu werden.

Dadurch, dass das Handbuch einer Darstellung der Komplexität des Bereiches der Digitalisierung verpflichtet ist, muss sich der Lesende in vielfach komplexe Sachzusammenhänge einzelner Beiträge hineindenken. Ein didaktischer Leitfaden zur Nutzung des Handbuches oder etwa ein Summary am Anfang eines jeden Teiles wäre vielleicht wünschenswert. Aus der theoretischen Perspektive überzeugt vor allem Teil I des Handbuches, weil hier die Einordnung von Digitalisierung in den Fachdiskurs Sozialer Arbeit im Vordergrund steht. In den anderen Teilen geben aus der Perspektive der Sozialen Arbeit vor allem die Verbindungslinien zur Falldiagnostik und zu Medienpädagogik/​Medienkompetenz sehr viel hier, wobei die Trennlinie zwischen Digitalisierung und Medienpädagogik dabei nicht immer scharf ist.

Fazit

Das Handbuch zu Digitalisierung in der Sozialen Arbeit hat eine Pionierleistung vollzogen, aber es kann nicht auf alle Facetten auf diesem komplexen Feld gleichermaßen und in gleicher Intensität eingehen. Gleichzeitig ist mit Digitalisierung ein gesellschaftliches Mega-Thema verbunden, das einer rasanten Dynamik und Weiterentwicklung unterliegt. Dem wird auch das Handbuch in Zukunft Rechnung tragen müssen. Durch die Corona-Pandemie ist das Feld des „Home-Office“ als digitale Arbeitswelt öffentlichkeitswirksam hochgespült worden und hat sich das Thema einer digitalen Video-Beratung rasant entwickelt. Pro und Contra der Digitalisierung im Sozialen Feld müssen im Handbuch in Zukunft stärker vorkommen.

Das Handbuch präsentiert sich als profundes Nachschlagewerk zum Thema der Digitalisierung. Es fördert die intensive Beschäftigung in Forschung, Lehre und Praxis und ist ein unverzichtbarer Meilenstein auf diesem Gebiet. Es ist sehr lesenswertes fachwissenschaftliches Werk, das bei der Lektüre volle Konzentration fordert und eine unendliche Fülle von wichtigen Einzelerkenntnissen enthält.

Rezension von
Prof. Dr. Ralf Hoburg
Hochschule Hannover, Lehrgebiet Sozialwirtschaft und Theorie des Sozialstaats
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Es gibt 14 Rezensionen von Ralf Hoburg.

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ISSN 2190-9245