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Christina Meyer: Alkoholgenuss im Alter

Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 07.04.2021

Cover Christina Meyer: Alkoholgenuss im Alter ISBN 978-3-86321-533-0

Christina Meyer: Alkoholgenuss im Alter. Konsummotive und Risikobewusstsein. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2020. 224 Seiten. ISBN 978-3-86321-533-0. D: 34,95 EUR, A: 36,00 EUR, CH: 44,00 sFr.
Reihe: Mabuse-Verlag Wissenschaft - 120.

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Thema

Das von Christina Meyer verfasste Buch beschäftigt sich mit den Trinkmotiven von älteren Menschen (ab 60 Jahren). Jeder dritte Mann und jede sechste Frau in der Schweiz im Alter zwischen 65–74 Jahren trinkt täglich Alkohol. Was die kulturell bedingten oder persönlichen Motive für den Alkoholkonsum im Alter sind, ist bisher im deutschsprachigen Raum wenig untersucht worden. Die einem qualitativen Forschungsansatz verpflichtete Promotion untersuchte soziologische, gerontologische und psychologische Aspekte des Alkoholkonsums im Alter in einer ländlichen Region der Zentralschweiz. Im Untersuchungsfokus standen die Sichtweisen und Einstellungen von älteren, zu Hause lebenden Menschen zu ihrem persönlichen Trinkverhalten.

Autorin

Dr. phil. Christina Meyer ist Dipl.-Sozialarbeiterin/​Sozialpädagogin und Master of Public Health. Sie beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit Suchtfragen und berät seit mehreren Jahren als Suchtpräventionsexpertin Institutionen, u.a. mit dem Fokus auf ältere Menschen. Frau Meyer ist beim Verein Akzent Prävention und Suchttherapie in Luzern (Schweiz) im Ressort Sucht im Seniorenalter tätig.

Entstehungshintergrund

Das Buch wurde 2019 als Dissertation am Institut für Gerontologie und demografische Entwicklung an der Tiroler Landesuniversität UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik unter dem Titel „Alkoholkonsum von älteren Menschen – ein ambivalenter Genuss“ angenommen.

Zielgruppe

Das Buch richtet sich an Suchtberater*innen und -therapeut*innen, aber ebenso an alle Berufsgruppen, die mit älteren Menschen arbeiten und die besser verstehen möchten, aus welchen Motiven ältere Menschen Alkohol trinken um mehr und zielgerichtete Ansatzpunkte für eine Alkoholprävention zu erhalten.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst ein Vorwort, neun Kapitel und einen Anhang.

Im ersten Kapitel „Einleitung“ führt die Autorin in die Thematik ein, stellt die Zielsetzung der Arbeit dar und gibt einen Überblick über die Gliederung der Dissertation.

In Kapitel 2 „Stand der Forschung“ präsentiert Frau Meyer zunächst Ergebnisse der Literaturrecherche aus dem europäischen Raum. Sie fasst hierfür die Ergebnisse von verschiedenen Publikationen jeweils kurz zusammen und bewertet daran anschließend den Forschungsstand. Frau Meyer kommt zu dem Fazit, das das Konsumverhalten älterer Menschen, insbesondere deren Trinkgewohnheiten, Konsummotive sowie die gesellschaftlichen und sozialen Aspekte ihres Trinkverhaltens, bisher wenig erforscht wurden. Auf Basis dieser Forschungslücke formuliert sie ihre zentrale Forschungsfrage: Welche Bedeutung hat der Alkoholkonsum für ältere Menschen? Frau Meyer konzentriert sich in ihrer Forschungsarbeit auf die Altersspanne 60–75 Jahre und damit auf Menschen im dritten Lebensalter.

In Kapitel 3 stellt die Autorin „Theoretische Ansätze zu Alter und Altern“ vor. Sie fühlt sich dabei einem gerontologischen und somit interdisziplinären Verständnis des Alterns und des Alters verpflichtet. Frau Meyer konzentriert sich auf einige theoretische Ansätze (Theorieansatz des erfolgreichen Alterns, Aktivitätstheorie, Kontinuitätstheorie, Disengagementtheorie, Konzept der Selektiven Optimierung und Kompensation und Theorie der sozioemotionalen Selektivität), die sie in ihren jeweiligen Hauptannahmen kurz vorstellt. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Darstellung der statistischen Datenlage zur älteren Bevölkerung in der Schweiz.

Im 4.Kapitel („Alkoholkonsum von älteren Menschen“) stellt Frau Meyer zunächst unterschiedliche Konsummuster (genussvoller ~, sozialer Konsum, risikoarmes bis problematisches Trinken) vor bevor sie theoretische Ansätze zur Erklärung möglicher Ursachen von Alkoholproblemen von älteren Menschen thematisiert. Auch in diesem Kapitel werden wieder statistische Daten zum Alkoholkonsum älterer Schweizer und Schweizerinnen vorgestellt sowie alkoholpräventive Maßnahmen im Alter kurz skizziert. Abschließend zieht die Autorin die Verbindungen zwischen den zuvor vorgestellten Theorieansätzen zum Alter(n) und dem Alkoholkonsum Älterer.

In Kapitel 5 („Methodologische Aspekte“) stellt die Autorin ihre methodische Vorgehensweise zur Beantwortung ihrer Forschungsfrage vor. Sie hat sich für einen qualitativen Forschungsansatz entschieden, wobei sie verschiedene qualitative Methoden miteinander kombiniert:

  • episodische Interviews um Informationen zu den Motiven des Alkoholkonsums aus Sicht der älteren Menschen zu erhalten,
  • Beobachtungsverfahren von Realgruppen, um das reale Trinkverhalten in Wirtshäusern zu beobachten,
  • Gruppendiskussionen, um kollektive Orientierungen bezüglich der Einstellungen zum Alkoholkonsum zu erheben sowie
  • Experteninterviews, um Ansatzpunkte für geeignete Formen der Alkoholprävention im Alter zu gewinnen.

Die Autorin verwendet Elemente der Grounded Theory sowie der Dokumentarischen Methode für die Datenauswertung und um ihre Forschungsfrage zu beantworten.

In Kapitel 6 („Forschungsprojekt: Alkoholkonsum von älteren Menschen“) beschreibt die Autorin die Forschungsstruktur ihres Forschungsprojekts. Ihre Forschungsfrage lautet: Welche Bedeutung hat der Alkoholkonsum für ältere Menschen? Das Forschungsprojekt besteht aus den in Kapitel 5 beschriebenen vier (qualitativen) Forschungsschritten, die nacheinander durchgeführt wurden. Zu jedem Forschungsschritt formuliert sie Hypothesen.

In Kapitel 7 („Darstellung der Ergebnisse“) werden die Ergebnisse der Arbeit präsentiert. Die episodischen Interviews basieren auf 16 Interviews mit Frauen und Männern der Altersgruppe 65–75 Jahre. Die Autorin arbeitet vier Hauptkategorien für den Alkoholkonsum in der Zielgruppe heraus: persönlicher Alkoholgenuss, sozialer Alkoholgenuss, Risikobewusstsein (u.a. Alkoholwirkung im Alter, Suchtpotenzial) und einen Zufallsbefund (Selbstmedikation bei körperlichen Symptomen) und stellt die Hauptergebnisse auf Basis der Interviews (ergänzt durch kurze Interviewpassagen) überblicksartig dar. Forschungsschritt 2 (offene, halbstrukturierte Beobachtungen von kollektiven Verhaltensweisen hinsichtlich des Alkoholkonsums in Seniorengruppen) konnte nicht realisiert werden, da keine Gruppe ihr Einverständnis dafür gab. Forschungsschritt 3 umfasste Gruppendiskussionen mit vier Tischrunden der Zielgruppe (Guggenmusik = Musik bei Fastnachtszügen, Tischrunde, Kegeln und Gesprächsrunde), die sich regelmäßig treffen um zusammen zu musizieren, zu kochen, zu kegeln oder Gespräche miteinander zu führen. Im Gruppenvergleich arbeitet die Autorin heraus, dass der Alkoholkonsum in den verschiedenen Gruppen eine unterschiedliche Bedeutung hat. Der Alkoholkonsum folgt dabei informellen Gruppennormen. Als Schutzfaktor vor einem Alkoholmissbrauch oder einer Alkoholabhängigkeit im Alter vermutet die Autorin die Gruppe, da untereinander soziale Kontrolle ausgeübt wird und die Gruppenzugehörigkeit Vereinsamung im Alter verhindert. Neben den Gruppeninterviews fanden auch Experteninterviews mit vier Experten statt, die einen Bezug zum Thema und zur Zielgruppe der Untersuchung haben. Die Experten kommen aus den Bereichen Gastronomie, Suchtprävention für ältere Menschen, Seniorenverband und Weinhandel. Aus den Experteninterviews arbeitet die Autorin verschiedene Kategorien zu den Trinkmotiven der Zielgruppe heraus, die sie exemplarisch mit Interviewpassagen belegt. Auch aus Sicht der Experten überwiegt der Konsum aus Genussmotiven, der in einem maßvollen Umfang stattfindet, wenngleich es auch zu einem Alkoholkonsum aus Frust oder zur Bewältigung von schwierigen Lebenssituationen kommen kann. Am Ende des Kapitels fasst Frau Meyer ihre empirischen Ergebnisse zusammen und beantwortet ihre zentrale Forschungsfrage: Ältere Menschen trinken aus Genussmotiven. Der schädlichen Folgen des Alkoholkonsums sind sich alle Befragten bewusst, dennoch möchte die überwiegende Mehrheit nicht auf Alkohol in ihrem Leben verzichten.

In Kapitel 8 („Diskussion ausgewählter Ergebnisse“) setzt sich die Autorin kritisch mit ihrer methodischen Vorgehensweise und den Limitationen der Studie auseinander. Dazu zählt sie selbst, dass die von ihr befragten älteren Menschen alle sozial gut eingebunden sind, sodass kritische Lebensereignisse (z.B. Scheidung, Tod des Partners) nicht zu einem sozialen Rückzug und damit zu einem ggf. höheren Alkoholkonsum als Kompensation negativer Gefühle führen.

In Kapitel 9 („Ausblick“) werden die Ergebnisse der Arbeit inhaltlich zusammengefasst und Empfehlungen für die verhaltensbezogene Alkoholprävention, die sich an ältere Menschen richtet, formuliert. Zudem weist die Autorin auf den weiteren Forschungsbedarf hin, der u.a. weitere Forschung auch in anderen Regionen der Schweiz, größere Untersuchungsstichproben sowie die Ausweitung auch auf andere Substanzen umfasst.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und Transkriptbeispiele der Interviews (Anhang) schließen die Arbeit ab.

Diskussion

Das Buch gibt einen umfassenden und gut verständlichen Überblick über die persönlichen Motive und sozialen Aspekte des Alkoholkonsums von älteren Menschen und widmet sich damit einem bisher wenig erforschten Feld auf dem Gebiet der Suchtforschung. Dennoch macht die Autorin selbst auch klar, dass ihre Untersuchungspopulation eine selektive Stichprobe darstellt, handelt es sich dabei doch um sozial sehr gut eingebundene und aktive Senioren und Seniorinnen, die Alkohol v.a. aus Genussgründen und in Gesellschaft trinken und Alkohol weniger als Kompensation bei persönlichen und gesundheitlichen Problemen nutzen.

Fazit

Die als Dissertation eingereichte Forschungsarbeit folgt in ihrer Gliederung, im Sprachduktus und Argumentationsweise dem klassischen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit. Dies stört aber nicht die Verständlichkeit und Lesbarkeit der Arbeit, im Gegenteil: die Argumentation und Vorgehensweise der Studie sind dadurch sehr klar und nachvollziehbar.

Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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Es gibt 20 Rezensionen von Anke Höhne.

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Zitiervorschlag
Anke Höhne. Rezension vom 07.04.2021 zu: Christina Meyer: Alkoholgenuss im Alter. Konsummotive und Risikobewusstsein. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2020. ISBN 978-3-86321-533-0. Reihe: Mabuse-Verlag Wissenschaft - 120. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27540.php, Datum des Zugriffs 28.11.2023.


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