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Elfie J. Czerny, Dominik Godat et al.: Faszination Lösungsfokus

Rezensiert von Prof. Dr. Stefan Godehardt-Bestmann, 16.10.2020

Cover Elfie J. Czerny, Dominik Godat et al.: Faszination Lösungsfokus ISBN 978-3-03909-260-4

Elfie J. Czerny, Dominik Godat, Margret E. Gaiswinkler, Harald Payer, Marlies Titak: Faszination Lösungsfokus. Wie du mit gezieltem Blick die gewünschte Zukunft gestaltest. Versus Verlag (Zürich) 2020. 236 Seiten. ISBN 978-3-03909-260-4. D: 29,80 EUR, A: 29,80 EUR, CH: 34,00 sFr.

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Thema

Der Ansatz der Lösungsfokussierung nach Berg/Kelly (2001), Jong/Berg (2003) sowie de Shazer (1975, 1992, 1998) zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass der Mensch selbst als der entscheidende und alleinige Experte für die Generierung von Lösungsideen angesehen wird (Walter/​Peller 2004, S. 46). Ausgehend von einem radikal konstruktivistischen Modell (Watzlawick 1976) und einem konse­quent ressourcenorientierten Vorgehen geht dieser Ansatz davon aus, zur Entwicklung von Lösungen für eine ver­änderte Zukunft nach einem ‚Stattdessen’ zu forschen. Ein wichtiger und zugleich radikal ressourcenfokussier­ter Baustein ist die Vorannahme, dass es in fast jeder problematischen Situation zu­mindest Momente von Ausnahmen gibt, in welchen der Mensch seine problemati­sche Situation als weniger bedrohlich oder auch ein problematisches Verhalten als weniger stark bzw. bedeutsam erlebt. Das Suchen nach noch so klein wirkenden Ausnahmen und den darin liegenden Potenzialen für eine andere, gelingendere Zukunft bringt die Menschen selbst (wieder) in eine kompetente und aktive Rolle. Sie sehen, dass bereits im Bestehen problematischer Situationen ein ‚Stattdessen’ möglich ist und sie erfahren, dass nur sie und eben nicht Außenstehende über dieses Wissen verfügen. Mit der Betonung der Stärken werden Motivation und Selbstverantwortlichkeit fokussiert. Zudem führt das Entwickeln eigener Lösungswege dazu, dass Lösungen nachhaltiger im Alltag der Menschen wirken. Dieser nunmehr seit über vierzig Jahren sich etablierende Ansatz hat in seinem radikalen Verständnis sich einerseits stets weiterentwickelt und wird in den unterschiedlichsten Handlungskontexten von Begleitung und Beratung, Therapie und Entwicklung in unterschiedlichsten internationalen Kontexten umgesetzt. Andererseits bleibt der im Grunde sehr unkomplizierte, zugängliche und zugleich durchweg fachlich in der Anwendung anspruchsvolle Kern des Ansatzes der Lösungsfokussierung für die Begleitung von Veränderung in Alltagskomplexität bestehen. Dieses Buch der Austrian Solution Circle gibt einerseits einen kompakten und begeisterten Einblick in das fachlich konzeptionelle Verständnis der langjährigen Umsetzungserfahrung in Österreich. Andererseits werden in 21 Praxiskurzgeschichten von Umsetzungserfolgen der Praktiker*innen berichtet.

Autorinnen

Die Herausgeber*innen dieses Buches Elfie J. Czerny, Dominik Godat, Margret E. Gaiswinkler, Harald Payer und Marlies Titak versammeln unterschiedlichste akademische Hintergründe sowie langjährige praktische Erfahrungen in der Anwendung des Lösungsfokussierten Ansatzes. Gemeinsam eint sie ihr Engagement in der nunmehr zehnjährigen Koordination des Austrian Solution Circle, um diesen Ansatz in Österreich zu befördern. Zudem finden sich weitere 22 Autor*innen mit ihren Praxiserfolgsgeschichten in dieser Veröffentlichung.

Aufbau und Inhalt

Nach zwei kurzen Vorworten und einem überraschend persönlich und direkt ansprechenden ‚Herzlich Willkommen!‘ an die Lesenden wird das Buch in sieben Hauptkapitel gegliedert. Kapitel eins erläutert sehr kompakt und feingliedrig strukturiert die Zielstellung und eine Transparenz an die Lesenden, „wie Du dieses Buch nutzen kannst“ (S. 14). In den nun folgenden drei Kapiteln widmen sich die Herausgebenden in je nach Kapitel unterschiedlichen Autor*innenzusammensetzungen dem fachkonzeptionellen Verständnis der Lösungsfokussierung. Zunächst wird mit vielen O-Tönen die „Faszination“ an diesem Ansatz nachvollziehbar gemacht bspw. die Einfachheit, Vielseitigkeit, Wirksamkeit, Perspektivveränderungen, Gelingensfokus und Wertschätzung sowie der respektvolle Umgang mit dem Gegenüber. Es folgt ein beeindruckend kompakt gehaltener Einblick in die Grundsätze und praktischen Verfahrensweisen. Den Abschluss dieser Ouvertüre bildet eine Art Kontrastierung der Lösungsfokussierung gegenüber „klassischen Problemlösungsverfahren“ (S. 42), um so die notwendigen Prinzipien nochmals sehr anschaulich zu pointieren, auch zur pragmatischen gleichsam notwendigen Klärung von „alltäglichen Missverständnissen“ (S. 48), was alles Lösungsfokussierung nicht ist. Nun folgt der Hauptteil des Buches mit 21 „Erfolgsgeschichten aus der Praxis für die Praxis“ (S. 52). Diese können hier selbstredend nicht im Einzelnen vorgestellt sein. Allen gemein ist ein zwar sehr kompakt gehaltener, gleichwohl tiefgehender, bisweilen persönlicher Einblick in die jeweilig durchaus sehr unterschiedliche Umsetzungspraxis (Coaching, Therapie, Teamentwicklung, Organisationsbegleitung, Soziale Arbeit, Managementberatung, Personalentwicklung und derlei mehr). In jeder Geschichte werden die jeweiligen Annahmen, Erfahrungswerte bis hin zu hilfreichen Reflexionsfragen dargelegt. Beispielhaft sei die Erfolgsgeschichte 11 von Marianne Roessler und Wolfgang Gaiswinkler hervorgehoben, die auf beindruckend knappen zehn Seiten nachvollziehbar machen, „wie Behörden und Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe lösungsfokussierte Praxis Schritt für Schritt entwickeln“ (S. 131). So geben sie neben der Darlegung ihres Grundverständnisses des von ihnen auf Grundlage des ‚Signs of Safety‘ Ansatzes nach Andrew Turnell und Steve Edwards (1999) ausgearbeiteten ‚SEN-Modells‘ [ Sicherheit entwickeln – Entwicklung nutzen] zudem einen sehr praxisbezogenen Einblick in ihre konkrete Arbeit mit sogenannten ‚Falllandkarten‘ für die ressourcenorientierte, kooperierende und sehr alltagsnah fokussierte Arbeit im Bereich der Kindeswohlgefährdung. Das Buch schließt mit einem Kapitel zum Austrian Solution Circle sowie den über Österreich hinaus bestehenden lösungsfokussierten Netzwerken weltweit, einem selbstreflexiven Fragebogen und einer umfassenden Literaturübersicht.

Fazit

Als jemand der den ‚Spirit‘ und das pragmatische Vorgehen noch selbst bei Steve de Shazer und Insoo Kim Berg kennenlernen durfte, ist es eine große Freude, diese ‚Faszination Lösungsfokus‘ nicht nur normativ sondern maßgeblich so praxisevident dargelegt lesen zu dürfen. Wenngleich inhaltlich nichts wirklich Neues an Haltung, Verfahrensweisen oder Fragetechniken zu erwarten ist, empfiehlt sich dieses Buch allein aufgrund der jeweils einzigartigen Geschichten aus der Praxis eben durchaus auch für in diesem Ansatz erfahrene Praktiker*innen. Auf jeden Fall sollte dieses Büchlein in jedem Studiengang, der sich mit personalen Interaktionsgestaltungen befasst, eine unabdingbare Lektüre darstellen. Ein guter Ausgangspunkt, um sich dann vertiefend mit weiteren Büchern zu diesem Beratungsverständnis zu befassen bspw. Chris Iveson, Evan George, Harvey Ratner: Brief Coaching. Ein lösungsfokussierter Ansatz (2018) (https://www.socialnet.de/rezensionen/​25050.php), Harvey Ratner, Denise Yusuf: Kurzzeit-Coaching mit Kindern und Jugendlichen. Ein lösungsorientierter Ansatz. (2017) (https://www.socialnet.de/rezensionen/​23129.php) oder Therese Steiner, Insoo Kim Berg: Handbuch lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern. (2019) (https://www.socialnet.de/rezensionen/​26045.php).

Zum Schluss sei bemerkt, dass das ganze Buch von der Philosophie der Wertschätzung und Ressourcenorientierung sowie des respektvollen Umgangs mit jeweils geklärter Expertise auch von der grafischen Gestaltung, der einladenden Strukturierung und der unkomplizierten An_Sprache durchweg durchdrungen ist, geradewegs ein Festband zum 10 jährigen Bestehen des Austrian Solution Circle.

Literatur

Berg, I.K./Kelly, S. (2001): Kinderschutz und Lösungsorientierung. Erfahrungen aus der Praxis – Training für den Alltag. Dortmund: verlag modernes lernen

Jong, P. de/Berg, I.K. (2003): Lösungen (er-)finden. Dortmund: verlag modernes lernen

Shazer, S. d. (1975): Brief Therapy: two's company. In: Family Process Heft 14 S. 79–93

Shazer, S. d. (1991): Das Spiel mit den Unterschieden. Heidelberg: Carl-Auer

Shazer, S. d. (1998): „…Worte waren ursprünglich Zauber“. Dortmund: verlag modernes lernen 2. Auflage

Walter, J.L./Peller,J.E. (2004): Lösungs-orientierte Kurztherapie – Ein Lehr- und Lernbuch. Dortmund: verlag modernes lernen

Watzlawick, P. (1976): Wie wirklich ist die Wirklichkeit. München: Piper

Rezension von
Prof. Dr. Stefan Godehardt-Bestmann
Professor für Soziale Arbeit im Fernstudium an der IU Internationale Hochschule und Studiengangleiter sowie seit 2000 in freier Praxis als Sozialarbeitsforscher, Praxisberater und Trainer tätig. Schwerpunkte: Sozialraumorientierte Soziale Arbeit, Inklusion, Partizipation, Gesundheitsförderung von Kindern und Jugendlichen, Lösungsfokussierter Beratungsansatz, Inklusion, Partizipation, Organisationsentwicklung, Personalentwicklungsmaßnahmen in Organisationen Sozialer Arbeit, Gestaltung von Qualitätsmanagementprozessen, partizipative Praxisforschungen und Evaluationen.
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Es gibt 34 Rezensionen von Stefan Godehardt-Bestmann.

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ISSN 2190-9245