Thomas Hanstein, Andreas Ken Lanig: Digital lehren
Rezensiert von Prof. Dr. Jan V. Wirth, 05.01.2021

Thomas Hanstein, Andreas Ken Lanig: Digital lehren. Das Homeschooling-Methodenbuch. Tectum (Baden-Baden) 2020. 400 Seiten. ISBN 978-3-8288-4522-0. D: 28,00 EUR, A: 28,80 EUR.
Thema
In Digital lehren bieten die Autoren mit ihren langjährigen Erfahrungen in der Schul- und Hochschuldidaktik ihre Erkenntnisse für das hybride Klassenzimmer von morgen an. Das Buch richtet sich an Lehrende und Fachdidaktiker, die Teile ihres Unterrichts digital anbieten möchten oder müssen und diesen didaktisch reflektieren wollen.
Der Schwerpunkt des Buches (eBook, PDF, broschiert) geht der Frage nach: Welche Methoden aus analogen Lehr- und Lernprozessen sind brauch- und adaptierbar für den virtuellen Fernunterricht?
Autoren
Dr. Thomas Hanstein, Jahrgang 1971 ist Diplom Theologe, berufsbildender Oberstufenlehrer, Seelsorger, Vorerfahrungen in der freien Wirtschaft; Lehraufträge in Sozialer Arbeit und Creative Direction; Vorbild nach und Businesscoach; Schwerpunkte: Führung mit Werten, Berufsethik, Teamentwicklung, Selbst- und Veränderungsmanagement; Promotion mit der Arbeit: „Ästhetische Kompetenz und religiöse Lernprozesse“; Forschungsschwerpunkte: Kompetenzerwerb und Resilienz, Milieus und Codes, kulturelle Identitäten; verheiratet und dreifacher Vater.
Professor Dr. Andreas Ken Lanig, Jahrgang 1975; Diplom-Designer, Master of Arts, als solcher seit über zwei Jahrzehnten selbstständig; Hochschullehrer und Professor für gestalterische Fächer: Unternehmenskommunikation, Gestaltungsgrundlagen, Designmanagement auf Bachelor- und Masterebene; Promotion mit der Arbeit: „Virtualisierung der Fernlehre in gestalterischen Fachbereichen“; Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Virtuelle Designdidaktik, Unternehmenskommunikation, Medien- und Designkonzepte; verheiratet und Vater von zwei Söhnen.
Entstehungshintergrund
Dieses Buch wird von den Autoren aus der Perspektive von Lehrern geschrieben, die viele Jahre Erfahrungen in der virtuellen Hochschullehre und im virtuellen Coaching gesammelt haben. Die Motivation besteht darin, die Vorerfahrungen für den schulischen Bereich weiterzugeben. Damit entstehen nach Ansicht der Autoren Ausgangspunkte für eine tiefergehende methodisch-didaktische Betrachtung. Auf die Frage, was also ist das Angebot dieses Buches, wird geantwortet, dass ein reflektierter und methodisch-didaktischer Beitrag zur bildungstheoretischen und aktuellen lehrpraktischen Debatte geleistet werden soll. Basis für die Beantwortung dieser Fragen sind Experten Gespräche, welche die Bildungsbiografie von Lehrenden mit den Erfahrungen kontrastieren, die in den letzten zehn Jahren der virtuellen Lehre zu beobachten waren.
Aufbau und Inhalt
Das Buch besteht aus dem Vorwort von Universitätsprofessor Dr. Jürgen Handke von der Universität Marburg, der Einleitung und insgesamt 5 Kapiteln. Im fünften Kapitel finden die Leser 64 Methoden für das virtuelle Klassenzimmer. Das Buch wird abgerundet durch ein Schlusswort, einem Anhang 1 und Anhang 2, die sich jeweils auf Umfragen unter Lehrenden bzw. Lernenden beziehen und einem Anhang 3, genannt Literaturverzeichnis.
Im Vorwort werden 7 Forderungen postuliert, um so wörtlich „herauszukommen aus dem digitalen Steinzeitalter“.
In der Einleitung wird der Wandel der Lernkulturen beschrieben sowie der Umgang mit neuartigen Lernformen und Lehrformen, insbesondere dem virtuellen Lernen. Außerdem werden verschiedene Hinweise und Rezepte für einen guten Unterricht gegeben, die gleichwohl nicht dogmatisch oder verbindlich zu behandeln sind. Am Ende werden 10 Merkmale guten Unterrichts zitiert.
In Kapitel 1 werden das Verhältnis von Sozialformen, Methoden und Tools diskutiert. In Kapitel 2 plädieren die Autoren für eine angemessene Lehre statt eines Methoden-Zaubers. In Kapitel 3 wird der Weg weg vom mechanistische Denken hinzu einer Didaktik der Beziehung beschrieben. Von Seite 63 bis Seite 91 gibt es einen Exkurs mit dem Titel „Ist digitale Schul- und Hochschulbildung mehr als eine fantastische Erzählung?“ Hier stehen u.a. Aspekte der Kompetenzentwicklung im Vordergrund. In Kapitel 4 werden verschiedene Prinzipien formuliert, in denen der Zusammenhang von Lernprozessen und Gruppenentwicklung erläutert wird. Wie in anderen Kapiteln wird auch in diesem Kapitel der Text durch Tabellen und Zeichnungen bereichert. In Kapitel 5 werden ausgewählte Tools den Leserinnen unterbreitet, die sich nach der Erfahrung der Autoren bewährt haben. Ab Seite 126 werden dann zusammen mit einer Gliederung die 64 Methoden systematisiert und nacheinander vorgestellt. Hier beginnt es mit der „Asynchronen Videokonferenz“ über „Kamerafahrten“, „Rotationsfeedback“ bis hin zur „Zielscheibe“.
Im Schlusswort weisen die Autoren daraufhin dass der Erfolg in virtuellen Klassenzimmern bzw. Lernumgebungen davon abhängt, den Übergang von vormals dialektisch verstandenen Welten zu einer hybriden Lehrpraxis zu gestalten und zu erreichen.
Im Anhang 1 gibt es eine Übersicht über eine quantitative Umfrage unter allen virtuell Lehrenden der Diploma Hochschule, an der beide Autoren Haupt- oder nebenberuflich tätig sind. Im Anhang 1 ab Seite 345 gibt es eine quantitative Umfrage von Schülern. Die Stichprobe fand direkt nach einem Seminar im Frühjahr 2020 im berufsbildenden Schulwesen statt.
Auf Seite 383 gibt es Angaben zu den Autoren und Kontaktmöglichkeiten zu diesen.
Diskussion
Der Titel ist passend gewählt und verspricht eine Fundgrube an interessanten Unterrichtsmethoden zu sein. Der Untertitel für mich etwas ungewohnt, da ich Homeschooling als Begriff (Heimunterricht) bisher damit assoziierte, dass im Gegensatz zum Lernen in der Schule ein Lernen zu Hause stattfindet. Der klassische, d.h. von Eltern oder Privatlehrern durchgeführte Hausunterricht ist in Deutschland nicht erlaubt. Der Rezensent fragt, ob nicht der Untertitel „Virtueller Fernunterricht“ besser gewesen wäre.
Das theoriebasierte Methodenbuch bietet ein abwechslungsreiches Spektrum an Methoden virtueller Lehre. 64 erprobte Methoden mit anschaulichen Illustrationen ergeben einen praxisnahen Fundus für die Unterrichtsvorbereitung und für die methodische Lernstrukturierung. Bei den Methoden wäre eine deutliche Systematik hilfreich gewesen.
Beispielhaft sei auf die Methode 19 hingewiesen die da heißt „Haustiere, Jogginghosen und Mitbewohner“. Auf den ersten Blick wird nicht ersichtlich, was und vor allem wozu geschehen kann oder soll. Im Fließtext findet sich dann die Stelle, dass sich eine behutsame Einladung auf das Thematisieren der jeweiligen Hintergründe der Teilnehmer im Kontext ihrer Zimmereinrichtungen beziehen soll:
„Binden Sie diese Wahrnehmung systematisch in die Unterrichtsgespräche ein: Indem sie bewusst dazu aufrufen, die Gegenstände sprechen zu lassen oder fordern Sie die Teilnehmer bloß bewusst auf, sich gezielt über ihre Zimmereinrichtung miteinander auszutauschen.“ (Seite 185).
Dies macht es erforderlich, sich in die einzelnen Methoden genau hinein zu lesen. Zuweilen lassen sich auch Schnittmengen zu anderen Methoden erkennen. In der Methode 50, Seite 274, wird ebenfalls mit der Technik der sprechenden Gegenstände gearbeitet.
Der Theorieteil ist didaktisch und fachwissenschaftlich sicherlich gelungen. Die Lesefreundlichkeit für weniger akademisch interessierte bzw. gebildete Leserinnen und Leser mag vom Rezensenten bezweifelt werden. Hier hätte eine kurze, klare und deutliche Sprache durchaus mehr Wirkung erzielt.
Fazit
Das sehr empfehlenswerte Buch kann für jede Pädagogin oder Pädagogen hilfreich sein, die ihr didaktisches Spektrum an Handlungsmöglichkeiten erstens überprüfen, zweitens ergänzen und drittens vertiefen möchten. Damit schließt das Buch sicherlich eine große und wichtige Lücke bei dem Transfer von Unterrichtsmethoden vom analogen in den digitalen Raum und bei der Vermehrung an didaktischen Lern- und Lehrformen. Anschauliche Illustrationen lockern das Buch sowohl im Theorieteil als auch im voluminösen Methodenteil auf. Mit einem Verkaufspreis von 28 € kann sich das Buch sehen lassen und die Investition wird sich nach Meinung des Rezensenten auszahlen.
Rezension von
Prof. Dr. Jan V. Wirth
Studiendekan „Psychosoziale Beratung in Sozialer Arbeit" (M.A.) an der DIPLOMA Hochschule, Praxisberater / Supervisor (SYSTEAMS.ORG), Dipl.-Sozialpädagoge/-arbeiter (FH), Homepage www.systemisch-arbeiten.info
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