Therese Steiner, Insoo Kim Berg: Handbuch lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern
Rezensiert von Dipl. Soz.-Arb. Annegret Sirringhaus-Bünder, 04.07.2006
Therese Steiner, Insoo Kim Berg: Handbuch lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2005.
272 Seiten.
ISBN 978-3-89670-478-8.
D: 29,95 EUR,
A: 30,80 EUR,
CH: 52,00 sFr.
Reihe: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Originaltitel: Children's solution work.
Das Thema
Die Autorinnen geben in ihrem Handbuch einen weit gefächerten Einblick in die "Werkstatt" lösungsorientierten Arbeitens mit Kindern und Jugendlichen. Dabei berücksichtigen sie typische Fragen von Interessierten und Skeptikern an diese Art des therapeutischen Arbeitens mit Kindern oder Jugendlichen. Voran stellen sie ihrem Buch einen kurzen Überblick über die historische Entwicklung der lösungsorientierten Kurztherapie und eine Begründung, warum lösungsorientierte Kurztherapie und Kinder gut zusammen passen.
Zu den Autorinnen
- Dr. Therese Steiner ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychotherapie FMH, tätig in eigener Praxis in Embrach, in der Schweiz. Sie hat eine Ausbildung in lösungsorientiertem Denken und Handeln, in Hypnose, Paar- und Familientherapie.
- Insoo Kim Berg ist Master of Social Work (M.S.W.) und hat die lösungsorientierte Kurztherapie gemeinsam mit ihrem Mann Steve de Shazer entwickelt. Sie ist Leiterin des Brief Family Therapy Center in Milwaukee, Wisconsin.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist gegliedert in 9 Kapitel, ein Vorwort von Jürgen Hargens, einem Vorwort der Autorinnen, einer Einleitung, kurzen Hinweisen zum Buch, einem Nachwort der Autorinnen, einem Fragebogen für Eltern als Anhang, einem Literaturverzeichnis und einem übersichtlichem Stichwortverzeichnis.
- In ihrem Vorwort formulieren die Autorinnen ihr Anliegen, mit diesem Buch "klare und praktische Anleitungen" zu geben, "wie man respektvoll mit Kindern und Eltern umgeht", "Werkzeuge zu vermitteln, die in vielen Settings anwendbar sind", "Leserinnen und Leser, die in der Arbeit mit - insbesondere jüngeren- Kindern noch relativ unerfahren sind, ermutigen und ihnen zeigen, wie man mit Kindern redet, was man zu ihnen sagt, wie man zu einem verschlossenen Kind Zugang findet und wie man die einzigartigen Ressourcen eines Kindes erschließt und zu Lösungen findet." (S.13)
- Die Einleitung besteht aus je einem Kapitel jeder Autorin. Therese Steiner beschreibt darin ihren eigenen Weg zu und ihre Faszination an dieser Art des Arbeitens. Es ist der "präzise Gebrauch der Sprache", die Nachdrücklichkeit, mit der der Wunsch des Klienten berücksichtigt wird, "positive Veränderungen in seinem Leben zu erreichen" und die Annahme, "dass der Klient zur Gestaltung seines Lebens imstande ist" (S.16). Sie schildert, wie sie Kinder in ihrer Arbeit erlebt und welche Haltung den Zugang zu Kindern erleichtert. Darunter versteht sie u.a. eine "sehr persönliche Kontaktaufnahme" mit jüngeren Kindern "nicht durch Reden, sondern durch Spielen, Berühren und gemeinsame Aktivität", um den Stärken des Kindes begegnen zu können. "Die Kreativität liegt im Kind selbst. Die Kinder sind die Experten und bringen uns bei, was sie brauchen, wenn wir nur aufmerksam zuhören und beobachten und das, was sie sagen und tun ernst nehmen." (S.20) Insoo Kim Bergbeschreibt in ihrer Einleitung ein "Schlüsselerlebnis", an dem sie "erkannte, dass manche Kinder ihre Probleme selbst in die Hand nehmen und eigenständig Lösungen finden müssen." (S.21)
- Im ersten Kapitel geben die Autorinnen einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Lösungsorientierten Kurztherapie (LOKT) in den 70er Jahren in den USA. Stichworte dazu sind: der Teamansatz, geschichtliche Quellen, wie z.B. die Arbeit der Palo-Alto-Gruppe, Milton Erikson, Erikson, Rossi und Haley, Ausnahmen vom Problem "als bis dahin unbeachtete(s) Lösungselement", die Überzeugung, "dass Probleme und Lösungen gesellschaftlich konstruiert sind", "ein Problem kein festes Gebilde ist, sondern ein veränderbarer Posten, der vom sozialen Kontext abhängt", "es keinen kausalen Zusammenhang zwischen Problemen und Lösungen gibt" und dass "die Fokussierung auf die Lösung potentiell zur Auflösung der Probleme führt". (S. 25) Sie beschreiben kurz, wie dieser therapeutische Ansatz seit den 70er Jahren validiert wurde, was das Spezifische der LOKT im Vergleich mit herkömmlicher Spieltherapie ausmacht, einschließlich der grundlegenden Annahmen und Haltungen.
- Die folgenden Kapiteln 2 bis 6 geben Einblicke in die Werkstatt lösungsorientierten Arbeitens mit Kindern und Jugendlichen. Es geht darum, zu lernen, wie Kinder denken und handeln. Methodisch-technische Elemente werden kurz und übersichtlich beschrieben. Es geht um Fragetechniken oder wie man Ziele erfassen und sich auf sie verständigen kann. Es geht darum, wie der Ablauf von Sitzungen gestaltet und wie man kindgerecht kommunizieren oder die Kreativität und Lebendigkeit von Kindern nutzen kann, um sie zu unterstützen, ihre eigenen Lösungen zu finden. Dazu werden eine Fülle praktischer Beispiele und methodischer Hinweise gegeben.
- Im 7. Kapitel geht es um die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit besondern Bedürfnissen, wie beispielsweise Hyperaktivität und die Haltung zu Medikamenten, um sexuell missbrauchte, misshandelte oder anderweitig traumatisierte Kindern, um Kinder, die einnässen, die Regeln nicht einhalten, lügen, stehlen oder gewalttätig sind.
- Das 8. Kapitel widmet sich speziell der Arbeit mit Jugendlichen und auf welche Weise es in der Therapie möglich ist, Zugang zu ihnen zu finden, besonders, wenn sie unfreiwillig kommen. Auch die Zusammenarbeit mit den Eltern wird hier thematisiert. Der Umgang mit Störungsbildern, wie Gewalttätigkeit, Suizidandrohungen oder Essstörungen wird kurz erfasst, ebenso das Thema "Jugendliche und ihre Geheimnisse" oder "Jugendliche mit unrealistischen Erwartungen".
- Das 9. Kapitel schließt den Bogen mit einem "Blick aus der therapeutischen Ecke" mit praktischen Hinweisen, wie Ziele überprüft, Sackgassen genutzt und die Leistungen von Eltern und Betreuern gewürdigt werden können.
Zielgruppen
Die Autorinnen selbst nennen als Zielgruppe "Leserinnen und Leser, die mit der lösungsorientierten Kurztherapie bereits vertraut sind, als auch (...) jene, denen noch die Sicherheit fehlt, die (LOKT) in ihrer täglichen Arbeit mit Kindern anzuwenden. Auch Eltern, Erzieher, Lehrer, Betreuer, Sozialarbeiter oder Therapeuten, die nach anderen Methoden mit Kindern arbeiten (...)" ebenso "Berater, Programmentwickler, Manager und Supervisoren" (S.13) können von diesem Buch profitieren. Zu ergänzen wären Studierende der Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Pädagogik oder Psychologie, die sich speziell mit dem Thema "lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern und Jugendlichen" beschäftigen und natürlich alle Kolleginnen und Kollegen, die sich in Weiterbildungskontexten mit dieser Thematik befassen.
Fazit
Ich habe das Buch mit großem Vergnügen gelesen und halte es für eine Fundgrube für alle, die nach praktischen Möglichkeiten lösungsorientierten Arbeitens mit Kindern und Jugendlichen suchen. Darüber hinaus geben die Autorinnen Orientierungshilfen für eine förderliche Beratungshaltung und respektvolle Einstellung gegenüber den jungen Klienten/Patienten und ihren Eltern. Kritische Fragen, die den Autorinnen in der Praxis gestellt wurden, werden an verschiedenen Stellen des Buches formuliert und beantwortet. Damit gibt das Buch auch Argumentationshilfen für diejenigen, die eine lösungsorientierte Haltung und Methodik in ihrem Arbeitsfeld entwickeln wollen, oder rechtfertigen, bzw. begründen müssen. Der historische und theoretische Überblick am Anfang des Buches ist sehr knapp gehalten.
Die Stärke des Buches liegt in der Fülle von praktischen Hinweisen und Beispielen. Sie bringt es mit sich, dass viele Aspekte nur kurz angeschnitten oder rezeptartig dargestellt sind. Das Buch ersetzt daher für beraterisch und therapeutisch Tätige nicht eine weitergehende, vertiefende auch theoretische Auseinandersetzung mit diesen Themen. Es ermöglicht aber einen guten und schnellen Überblick und kann als Fundgrube und Ermutigung zu lebendiger, fröhlicher, kreativer und respektvoller Arbeit mit jungen Menschen und ihren Angehörigen genutzt werden.
Rezension von
Dipl. Soz.-Arb. Annegret Sirringhaus-Bünder
Dpl. Sozialarbeiterin, Supervisorin (DGSF), Lehrende für systemische Beratung und –Therapie (DGSF), MarteMeo-Licensed Supervisor, freie Praxis für Fort- und Weiterbildung, Supervision und Coaching, Einzel-, Paar-, und Familienberatung in Brühl /Rhld.
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Es gibt 15 Rezensionen von Annegret Sirringhaus-Bünder.
Zitiervorschlag
Annegret Sirringhaus-Bünder. Rezension vom 04.07.2006 zu:
Therese Steiner, Insoo Kim Berg: Handbuch lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2005.
ISBN 978-3-89670-478-8.
Reihe: Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. Originaltitel: Children's solution work.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2760.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.
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