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Arielle Schwartz, Barb Maiberger: EMDR-Therapie & somatische Psychologie

Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 05.03.2021

Cover Arielle Schwartz, Barb Maiberger: EMDR-Therapie & somatische Psychologie ISBN 978-3-944476-32-2

Arielle Schwartz, Barb Maiberger: EMDR-Therapie & somatische Psychologie. Interventionen zur Verstärkung der Verkörperung bei der Traumabehandlung. G.P. Probst Verlag GmbH (Lichtenau) 2020. 352 Seiten. ISBN 978-3-944476-32-2. D: 29,00 EUR, A: 29,90 EUR, CH: 39,90 sFr.

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Thema

Traumatisierte Klient*innen, die EMDR-Therapeut*innen aufsuchen, setzen darauf, dass sie durch Augenblicke ihrer größten Verletzlichkeit geleitet werden. Traumata hinterlassen im Körper eine Spur. Deshalb ist es sehr bedeutsam, den Körper in die EMDR-Therapie einzubeziehen, um Klient*innen umfassend zu helfen. Das Buch erweitert den Anwendungs- und Wirkungsbereich von EMDR, indem es somatische Interventionen integriert. Damit beschreibt es ein integratives Behandlungsmodell, das zum einen Klient*innen darin unterstützt, ihren Körper besser spüren und fühlen zu können und zum anderen die Möglichkeit eröffnet, dass Klient*innen sicher reguliert durch ihre traumatischen Erinnerungen geleitet werden können. Schlussendlich fördert der beschriebene Ansatz eine dauerhafte Integration.

AutorIn oder HerausgeberIn

  • Arielle Schwartz ist lizensierte klinische Psychologin, Beraterin in EMDR, somatische Therapeutin und zertifizierte Yoga-Trainerin. Sie arbeitet als Ausbildnerin in EMDR-Therapie, therapeutisches Yoga und somatischer Psychologie für die Arbeit mit Traumatisierten.
  • Barb Maiberger ist lizensierte Fachberaterin und hat einen Magister in somatischer Psychologie. Sie ist Gründerin des Maiberger Institute, in denen sie von EMDRIA anerkannte Ausbildungen in EMDR sowie EMDR Advanced Workshops anbietet.

Aufbau

Das Buch ist im Din A 5 Softcover Format erschienen und hat einen Umfang von 352 Seiten. Diese gliedern sich in zwei Teile und acht Kapitel. An den oberen Seitenrändern finden sich Überschriften zu den jeweiligen Kapiteln. Grau hinterlegte Textboxen halten Embodiment-Übungen für die Therapeutin/den Therapeuten bereit, die an verschiedenen Stellen eingearbeitet sind. Eingerückte Abschnitte geben Anweisungen zur direkten Anwendung. Die Anleitungen zu den Interventionen (diese sind durchnummeriert) heben sich vom übrigen Fließtext ab, sie sind so formuliert, dass sie sich direkt an die Therapeut*innen wenden. Es gibt einmal Erklärungen zur Arbeitsweise und dazu Erklärungen in Bezug auf die/den gerade behandelten Klientin/​Klienten.

Inhalt

Das Vorwort schrieb Robin Shapiro. Nach der Einleitung findet sich eine Liste der 47 Interventionen, die durchnummeriert und mit Seitenzahlen versehen sind.

Teil I erläutert grundlegende Konzepte (Kapitel 1–3). Kapitel eins handelt von der Verkörperung in der Traumabehandlung und beschreibt zum einen die EMDR-Therapie und zum anderen die somatische Psychologie. Die Wissenschaft der Verkörperung ist Inhalt des zweiten Kapitels. Darin geht es um das sog. Embodiment in Bezug auf folgende Aspekte: Embodiment und verkörperte Wahrnehmung, um Embodiment in Beziehungen und um das Embodiment in der Psychotherapie. Mit Embodiment ist die Verkörperung gemeint, also das Zusammenspiel von Körper/Leib und Geist. Es gibt eine Wechselwirkung von Körper und psychischen Prozessen, also von Denken und Fühlen (Gefühl, Emotionen) und Handeln (Handlung). Daran schließen sich Erklärungen zur sog. Somatischen Intelligenz an. Auch die Themen Neurobiologie von Stress und Trauma, die Neurobiologie der Bindung und die Verkörperung und interpersonale Neurobiologie werden besprochen. Es besteht ein Zusammenwirken von Traumata und Gesundheit. Das Kapitel schließt mit der Neurobiologie des Gedächtnisses und der Dissoziation sowie mit dem Thema der neuronalen Netze und die Traumabehandlung.

Im dritten Kapitel werden die sieben Prinzipien der EMDR-Therapie und der somatischen Psychologie für die Traumabehandlung konkreter erklärt.

  • Prinzip 1: phasenorientiert,
  • Prinzip 2: achtsamkeitsbasiert,
  • Prinzip 3: nicht deutend,
  • Prinzip 4: erlebensbasiert,
  • Prinzip 5: relational,
  • Prinzip 6: regulationsfokussiert und
  • Prinzip 7: resilienzorientiert.

Teil II konzentriert sich in fünf Kapiteln (Kap. 4–8) auf die Arbeit mit Interventionen. Das vierte Kapitel stellt Interventionen zur Stärkung der Verkörperung bei der Traumabehandlung in den Mittelpunkt. Aufgelistet werden die verschiedenen Interventionsmöglichkeiten, ohne, dass es eine Nummerierung gibt. Dabei geht es insbesondere um das somatisches Vokabular und die Beobachtungsfertigkeiten von Therapeutinnen und Therapeuten, die Stärkung des Körpergewahrseins, die Wahrnehmung von Nähe und um das somatische Leiden, welches durch Containment bezwungen werden kann. Es geht um die Erdung, das Atemgewahrsein, um Grenzen und Körper, um die Stärkung der Affekt- und Empfindungstoleranz, um das Pendeln zwischen belastenden Empfindungen und Ressourcenzuständen und um das Gewahrsein der Haltung.

Für die Zielentwicklung ist eine empfindungsbasierte Untersuchung geeignet. Auch das sog. Körper-Mapping kann als Intervention eingesetzt werden. Möglich ist auch, eine Geschichte ohne Worte zu erzählen oder habituelle Reaktion auf Stress einzusetzen. Eine weitere Form der Zielentwicklung kann über eine Körperempfindung geschehen. Während der Desensibilisierung haben sich das sog. sequencing und die somatische Umstrukturierung bewährt.

Bei stagnierender Verarbeitung kann somatisch Eingewoben werden oder es kann mit dem Gewahrsein zwischen inneren und äußeren Vorgängen gependelt werden. Das Kapitel schließt mit Erklärungen zur Verkörperung und Integration der EMDR-Therapie und der Somatischen Psychologie.

Von Komplexer PTBS und Bindungstrauma handelt das fünfte Kapitel. Beschrieben werden Symptome dieser komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS oder sog. C-PTBS) aus der frühen Kindheit. Frühkindliche Erinnerungen werden in motorischen Mustern, Empfindungen, affektiven Zuständen und psychophysiologischen Erregungszuständen gespeichert. In diesem Zusammenhang werden vier Bindungsstile genauer ausgeführt. Neben den Symptomen werden auch Interventionen sowie die Anamnese bei C-PTBS (anhand von Entwicklungsphasen und deren potentieller Ziele) erklärt. Auch die Arbeit an Scham findet dabei Beachtung. Es gilt, die Sicherheit im Körper zu stärken. Anhand von Ich-Zuständen, auch genannt Ego-States, kann mit Anteilen gearbeitet werden. Es lassen sich auch relationale Ressourcen entwickeln. Eine weitere Intervention besteht darin, ein Team von Verbündeten zusammenstellen, auf den Seiten 191/2 werden Arten von Verbündeten benannt.

Auch zentrale negative Kognitionen und Identität, die Entwicklung von Zielen für C-PTBS und Bindungstraumata und die Zielentwicklung bei einem generationenübergreifenden Bindungstrauma sind Thema. Während der Desensibilisierung kann auch eine psychobiologische Regulation erfolgen.

Vom chronischen Schmerz und Krankheit sowie dem Verstehen von Schmerz handelt das sechste Kapitel. Vorgestellt werden Interventionen, die Anamnese, die Vorbereitungsphase und die Ressourcenentwicklung bei chronischem Schmerz und bei Krankheiten, dazu gehören auch sog. „Zielentwicklungsskripte“. Bewährt haben sich auch sog. mentale Filme z.B. für die Selbstfürsorge oder für guten Schlaf, Yoga in der EMDR-Therapie, das Selbstmitgefühl, Dankbarkeit und Gesundheit. Mithilfe dem sog. Focusing kann dem Schmerz quasi zugehört werden. In diesem Zusammenhang sind die Assessmentphase und die Zielentwicklung bei chronischem Schmerz und Krankheit zentral. Mittlerweile ist bekannt, dass negative Kognitionen mit chronischem Schmerz und Krankheiten zusammenhängen sowie mit sekundären Gewinnen und Verlusten, auch eine Desensibilisierung kann bei chronischem Schmerz und Krankheit gelingen, dabei sind auch achtsame Bewegung zu erforschen. Bei chronischem Schmerz und Krankheit kann an den Selbstanteilen gearbeitet werden, zudem kann mit Hilfe von Installation, Integration und Reevaluation bei chronischem Schmerz und Krankheit Einfluss genommen werden.

Um den kulturellen Kontext geht es im siebten Kapitel. Verkörperung ist vom kulturellen Kontext nicht zu trennen, von Geburt an sind wir von der sozialen Umgebung beeinflusst. In der Psychotherapie existiert eine kulturelle Kompetenz z.B. die Selbstwahrnehmung, Verständnis für die Weltsicht des Klientels oder die Entwicklung von kulturellen Fertigkeiten und Interventionen. Das Thema der verkörperten Kultur wird angerissen sowie die nonverbale Kommunikation im kulturellen Kontext angesprochen, eine verkörperte Kultur lässt sich auch in Aktionen finden. Herangezogen werden können kulturelle Verbündete und Fürsprecher*innen, auch der mentale Film kann befähigen, aber auch negative Kognitionen spielen im kulturellen Kontext eine Rolle.

Das letzte achte Kapitel mit dem Titel Werkzeuge für die Selbstfürsorge von Therapeuten nehmen das Burnout-Spektrum, Risikofaktoren des Burnout-Spektrums sowie stressbezogene Fragen zur persönlichen Situation von Therapeutinnen und Therapeuten in den Blick. Diese Berufsgruppe sollte auf die eigene Selbstfürsorge achten sowohl in Bezug auf eine körperbasierte Selbstfürsorge vor einer Therapiesitzung, körperbasierte Selbstfürsorge während einer Therapiesitzung und körperbasierte Selbstfürsorge nach einer Therapiesitzung. Am Ende des Buches finden sich eine Zusammenfassung der im Buch vorgestellten Ressourcen sowie den dazu gehörigen Seitenzahlen, die sich in Listen, Anamnese-Werkzeuge, Zielentwicklungs-Skripts und Embodiment-Übungen für Therapeut*innen untergliedern, dazu gibt es ein Literaturverzeichnis und ein Sach- und Personenregister zum Nachschlagen.

Diskussion

Der erste Teil mit um die 60 von 352 Seiten erläutert grundlegende Konzepte und dabei die Prinzipien einer erfolgreichen Traumabehandlung. Diese hat sieben Merkmale: sie ist phasenorientiert, achtsamkeitsbasiert, nicht deutend, erlebensbasiert, relational und regulationsfokussiert und sollte die Resilienz fördern.

Den größeren inhaltlichen Umfang nimmt der zweite Teil mit den 47 Interventionen ein, die ausführlich erläutert werden, dazu werden direkte Anweisungen zur Anwendung gegeben.

Dieses integrative Behandlungsmodell erweitert den Anwendungs- und Wirkungsbereich von EMDR, indem es somatische Interventionen integriert. Zum einen werden Klient*innen darin unterstützt, ihren Körper besser spüren und fühlen zu können und zum anderen wird die Möglichkeit eröffnet, sicherer reguliert durch traumatischen Erinnerungen geleitet werden zu können, sodass schlussendlich eine dauerhafte Integration gefördert wird.

Im Kapitel sieben führen die Autorinnen Erklärungen zum kulturellen Kontext aus. Sie wissen aus ihrem vielfältigen Erfahrungsschatz, dass die Verkörperung vom kulturellen Kontext nicht zu trennen ist. Der Mensch ist von Geburt an von der sozialen Umgebung beeinflusst. In der Psychotherapie existiert eine kulturelle Kompetenz z.B. die Selbstwahrnehmung, Verständnis für die Weltsicht der Klientel oder die Entwicklung von kulturellen Fertigkeiten und Interventionen. Es braucht eine kultursensitive Therapiearbeit, die der zunehmenden Diversität Rechnung trägt. „Zu den kulturell relevanten Faktoren zählen rassische und ethnische Besonderheiten, der sozioökonomische Status, das Geschlecht, die geschlechtliche Identität, die sexuelle Orientierung, das Alter, eventuelle Behinderungen und die Religion“(S. 265). Das Einbeziehen dieser Faktoren hat Einfluss auf den Erfolg der Behandlung. Ein sehr wichtiger Aspekt, dem umfassend Aufmerksamkeit zu schenken ist! Zum Beispiel in der Arbeit mit Geflüchteten bedarf es nicht nur an Wissen über die Behandlung von Traumatisierung, sondern vor allem auch um Wissen zur Herkunft und kulturellen Biografie. Auch in der Arbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten sind die o.g. Aspekte miteinzubeziehen, denn unter den Bedingungen eine Beeinträchtigung zu leben hat großen Einfluss auf den Menschen, seine Entwicklungsmöglichkeiten und seine Kompensationsstrategien.

Die Autorinnen wollen EMDR-Therapeut*innen anregen, sich dem zunehmenden Bedürfnis nach Integration von Interventionen der somatischen Psychologie zu öffnen und in die acht Phasen der EMDR-Therapie zu integrieren. Das Buch endet mit einem Modell körperbasierter Selbstfürsorge für Therapeut*innen, dessen Ziel es ist, Mitgefühlserschöpfung und Burnout zu verhindern. Grau hinterlegte Textboxen halten Embodiment-Übungen für die Therapeutin/den Therapeuten bereit, die an verschiedenen Stellen im Buch eingearbeitet sind und die Bedeutung der Selbstfürsorge fortlaufend in den Fokus rücken. Die Arbeit mit traumatisierten Klient*innen kann kräftezerrend sein und braucht einen achtsamen Umgang mit der eigenen Rolle. Die eingearbeiteten Übungen sind so formuliert, dass sie sich direkt an die Therapeutin/den Therapeuten wenden und damit den Aufforderungscharakter diese konkret umzusetzen, erhöhen.

Fazit

Traumatisierte Klient*innen, die EMDR-Therapeut*innen aufsuchen, setzen darauf, dass sie durch Augenblicke ihrer größten Verletzlichkeit geleitet werden. Traumata hinterlassen im Körper eine Spur. Deshalb ist es sehr bedeutsam, den Körper in die EMDR-Therapie einzubeziehen, um Klient*innen umfassend zu helfen. Das Buch erweitert den Anwendungs- und Wirkungsbereich von EMDR, indem es somatische Interventionen integriert. Damit beschreibt es ein integratives Behandlungsmodell, das zum einen Klient*innen darin unterstützt, ihren Körper besser spüren und fühlen zu können und zum anderen die Möglichkeit eröffnet, dass Klient*innen sicher reguliert durch ihre traumatischen Erinnerungen geleitet werden können. Schlussendlich fördert der beschriebene Ansatz eine dauerhafte Integration.

Das hier vorgelegte Buch ist prall gefüllt mit Interventionen, die so beschrieben sind, dass sie direkt anwendbar sind. Die Erläuterungen im ersten Teil bilden ein gutes Fundament. Der Aufbau ist praxisnah und es ist den Autorinnen gelungen, ihren großen Wissens- und Erfahrungsschatz weiter zu geben – ein Gewinn für traumatisierte Menschen und deren Therapeut*innen.

Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Zitiervorschlag
Petra Steinborn. Rezension vom 05.03.2021 zu: Arielle Schwartz, Barb Maiberger: EMDR-Therapie & somatische Psychologie. Interventionen zur Verstärkung der Verkörperung bei der Traumabehandlung. G.P. Probst Verlag GmbH (Lichtenau) 2020. ISBN 978-3-944476-32-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27640.php, Datum des Zugriffs 20.03.2023.


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