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David Shenk: Das Vergessen. Alzheimer. Porträt einer Epidemie

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 29.11.2005

Cover David Shenk: Das Vergessen. Alzheimer. Porträt einer Epidemie ISBN 978-3-203-82002-6

David Shenk: Das Vergessen. Alzheimer. Porträt einer Epidemie. Europa Verlag GmbH & Co. KG (München, Wien) 2005. Erstausg. Auflage. 312 Seiten. ISBN 978-3-203-82002-6. 19,90 EUR. CH: 34,90 sFr.
Originaltitel: The forgetting.

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Zur Thematik des Buches

Demenzen sind als Thema mehr und mehr in einer zunehmend alternden Gesellschaft in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses vorgedrungen. Reportagen, Berichte und Gesprächsrunden im Fernsehen verdeutlichen u. a. diese Entwicklung. Auf dem Buchmarkt hat sich dieser Trend auch niedergeschlagen, werden doch augenblicklich über 160 verschiedene deutschsprachige Publikationen zu verschiedenen Aspekten der Demenz angeboten. Doch handelt es sich hierbei überwiegend um Fachbücher, Berichte pflegender Angehöriger und Ratgeberbücher, populärwissenschaftliche Darstellungen hingegen sind äußerst selten. Die vorliegende Publikation kann in diese Rubrik einer populärwissenschaftlichen Darstellung der Thematik Alzheimer-Demenz eingeordnet werden.

Bei dem Autor handelt es sich um einen Journalisten und Buchautor aus New York (USA).

Inhalt

Das Buch ist in Anlehnung an die gängige dreiphasige Unterteilung der Alzheimer-Demenz in drei Teile mit insgesamt 17 Kapiteln untergliedert.

  1. In Teil 1 (Anfangsstadium: Seite 13 - 109) werden in sechs Kapiteln verschiedene Aspekte der Alzheimer-Demenz wie das hirnpathologische Geschehen, die Epidemiologie, Gedächtnisleistungen und ihre demenzspezifischen Einbußen, die Gesundheitskosten und vieles mehr allgemeinverständlich dargestellt. Eingerahmt werden diese Fakten durch Exkurse über das Vergessen, die von der Antike über Ralph Waldo Emerson bis hin zu Ronald Reagan reichen. Zusätzlich geht er auf die wissenschaftliche Forschung ein: beginnend mit den Bahnbrechenden Entdeckungen von Alois Alzheimer bei der Patientin Auguste D. bis hin zu den augenblicklichen internationalen Forschungsbemühungen, möglichst bald ein Mittel gegen Alzheimer entwickeln zu können.
  2. Teil 2 (Mittleres Stadium: Seite 111 - 226) befasst sich in sieben Kapiteln mit einer Reihe von Themenbereichen, die für dieses Stadium der Erkrankung von Bedeutung sind. Er beschreibt recht plastisch den weiteren Abbauprozess in bestimmten Hirnarealen und deren Auswirkungen auf das Gedächtnis und andere kognitive Leistungen. Eingehend erläutert er dabei u. a. das Modell der so genannte Retrogenese von Reisberg: das siebenstufige Modell des körperlichen und geistigen Abbaus der Alzheimer-Demenz in der umgekehrter Parallelität zur Entwicklung des Kindes mitsamt der hirnphysiologischen Korrelate der Reifung und Degeneration. Kritisch führt er in diesem Teil des Buches Veränderungen in der wissenschaftlichen Forschung an, die nun vorrangig von Marktinteressen dominiert werden. Konkret bedeutet dies u. a., dass auf Kongressen und Tagungen nicht mehr die neuesten Erkenntnisse der Fachöffentlichkeit offeriert werden. An die Stelle der Konkurrenz der Forscher um die Erringung neuen Wissens tritt zunehmend die Konkurrenz von Pharmaunternehmen um Marktanteile und Renditeerwartungen.
  3. In Teil 3 (Endstadium: Seite 228 - 278) wird in vier Kapiteln Neues aus der Forschung und auch über den weiteren Abbauprozess berichtet. Zu Beginn geht der Autor auf die ersten Impfversuche hinsichtlich des Beta-Amyloids (Elemente der senilen Plaques) ein, die aufgrund von Hirnhautentzündungen bei einigen Probanden eingestellt werden mussten. Die Impfaktionen zuvor bei genmanipulierten Mäusen verliefen hingegen ohne diese Nebenwirkungen, denn Mäuse können keine Alzheimer-Demenz entwickeln. Des Weiteren beschreibt er den unaufhaltsamen Zerstörungsprozess im Endstadium: Nach dem Abbauprozess im Bereich der Großhirnrinde wird der älteste Teil des Gehirn, der Hirnstamm, zuständig für die unwillkürlichen Funktionen wie Atmung, Blutdruck, Herzschlag und Schlafrhythmus, krankhaft verändert. Innerhalb weniger Tage "schaltet" der Körper dann seine Funktionsbereiche ab: die Extremitäten erkalten und bilden Flecken, denn das Gewebe wird nicht mehr mit Sauerstoff versorgt. Essen, Trinken gelingt nicht mehr, denn das Verdauungssystem und die Nieren können die Nährstoffe nicht länger verarbeiten und auf normalem Wege entsorgen. Der Tod tritt hierbei meist im Schlaf ein.

Kritische Würdigung und Fazit

Der Rezensent ist positiv überrascht, denn selten ist ihm eine solch ausgewogene und fachlich fundierte Veröffentlichung in die Hände gelangt. Es ist deutlich zu spüren, dass jahrelange Recherche, Kontakte zu Wissenschaftlern, Alzheimer-Erkrankten und deren Angehörigen die Grundlage seiner Ausführungen bilden. Deutlich ist auch die Emphase und Sensibilität für das Leiden und die Bewältigungsversuche der Betroffenen zu spüren. Positiv ist auch hervorzuheben, dass in diesem leicht zu lesenden populärwissenschaftlichen Buch eine Reihe aktueller und bedeutsamer Fakten und Erkenntnisse vermittelt werden. Es kann daher gewünscht werden, dass sich diese Veröffentlichung einen großen Leserkreis erschließen wird.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Es gibt 224 Rezensionen von Sven Lind.

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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 29.11.2005 zu: David Shenk: Das Vergessen. Alzheimer. Porträt einer Epidemie. Europa Verlag GmbH & Co. KG (München, Wien) 2005. Erstausg. Auflage. ISBN 978-3-203-82002-6. Originaltitel: The forgetting. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2765.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.


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