Uwe Prell: Die Stadt
Rezensiert von Prof. Dr. Andrea Janßen, 12.11.2021

Uwe Prell: Die Stadt. Eine Einführung für die Sozialwissenschaften. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2020. 148 Seiten. ISBN 978-3-8252-5466-7. 13,00 EUR. CH: 16,90 sFr.
Thema
Das Buch beschäftigt sich dem Thema „Stadt“ und will dieses auf möglichst vielfältige Weise bearbeiten. Leitfrage ist dabei: „Für welches Problem ist die Stadt die Antwort?“ (Prell 2021, 5). Es soll also herausgearbeitet werden, welche (unterschiedlichen) Nutzen und Bedeutungen die Stadt für Menschen hat und wie das „wichtigste Werkzeug der Menschen“ betrachtet und verstanden werden kann.
Autor
Der Autor Uwe Prell ist Politikwissenschaftler und Historiker mit dem Schwerpunkt (West-)Berlin.
Aufbau
Das Buch gliedert sich in fünf größere Kapitel, von denen drei der Theorie und zwei der Praxis zugeordnet sind. Zunächst wird das Thema Stadt innerhalb unterschiedlichster Disziplinen verortet; anschließend werden wichtige Klassiker der Stadtforschung vorgestellt. Eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Wortes Stadt in unterschiedlichen Sprachen erfolgt im dritten Kapitel. Im zweiten, praxisbezogenen Teil des Buchs werden zum einen verschiedene Stadttypen – bzw. theoretische Konzepte zur Stadt vorgestellt und verglichen, zum anderen werden relevante gesellschaftliche Entwicklungen, die einen Bezug zur Stadt aufweisen, angerissen.
Inhalt
Der Frage „Auf welche Frage bietet die Stadt eine Antwort?“ wird sich in einem ersten Schritt angenähert, indem die Bezüge einzelner, potenziell relevanter Disziplinen wie Urbanistik, (Stadt-)Soziologie, Ökonomie, Geographie, Ökonomie, Rechtswissenschaften, Raum- und Stadtplanung, Geschichtswissenschaften, Philosophie und Politikwissenschaften zum Thema Stadt hergestellt und kritisch eingeschätzt werden. Oft ist die Ausbeute nicht sehr ergiebig: Sowohl in der Ökonomie als auch in den Rechtswissenschaften, den Geschichtswissenschaften (bis auf die Geschichtsschreibungen über Städte) und in den Politikwissenschaften konstatiert der Autor nur wenig Interesse an und Auseinandersetzung mit stadtbezogenen Themen. Dennoch werden für jede Disziplin relevante Anknüpfungspunkte zum Thema Stadt aufgezeigt. So wird bei den Rechtswissenschaften auf das Stadtrecht hingewiesen und bei der Ökonomie auf die Verbindung von Stadt und Markt. Die (Stadt-) Soziologie, wenngleich Prell hier „die Deutungshoheit“ (36) verortet sieht, unterliegt seiner Einschätzung nach gleich zwei Einschränkungen in der Betrachtung des Städtischen, da die Stadt in ihrer Bedeutung erstens auf die „Unterkategorie der Gesellschaft“ und zweitens auf „die maßgebliche Bühne, auf der gesellschaftliche Konflikte verhandelt werden“ (19), reduziert werde. Das Kapitel endet mit einer Synopse der wichtigsten inhaltlichen Aspekte und Merkmale der Stadt, wie sie aus der Auseinandersetzung mit den jeweiligen Disziplinen resultieren.
Im zweiten Kapitel werden verschiedene klassische Texte zum Thema vorgestellt, zum Beispiel „die Großstädte und das Geistesleben“ von Georg Simmel, „Urbanität als Lebensform“ von Louis Wirth oder der Ansatz zu „Global Cities“ von Saskia Sassen.
Das dritte Kapitel näher sich dem Begriff der Stadt auf eine andere Weise, indem die Bedeutung des Begriffs in unterschiedlichen Sprachen untersucht wird. Hier kommen z.T. noch neue Aspekte zutage wie z.B. dass Städte eine „weitaus größere Tag- als Nachtbevölkerung“ ausweisen (69). Als Fazit des ersten Teils kommt Prell zu folgender Definition der Stadt: „Stadt ist eine strukturierte, Vielfalt einschließende Einheit kreativer Verdichtung“ (80). Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf das Handeln gelegt, sowohl in Hinblick darauf, als dass die Stadt den Rahmen individuellen Handels bildet als auch dahingehend, dass es ein spezifisches „städtisches Handeln“ selbst gibt. Diese Eigenschaften werden als Desiderat des ersten Teils auf den zweiten übertragen. Hier stehen verschiedene Stadtkonzepte und -typen zur Diskussion, die in den Grundzügen erläutert und dann im Hinblick auf die Eigenschaften der Stadt überprüft werden. Zudem erfolgt eine systematische Einordnung, was das jeweilige theoretische Konzept oder der Stadttyp zu leisten vermag und ein Angebot, auf welche Frage die jeweiligen Stadtkonzepte eine Antwort bieten wie z.B. auf die Frage der Zuwanderung oder der Digitalisierung. In dieser Weise erfolgt ein Einblick in Diskurse wie der Arrival- oder der Smartcity.
Im letzten Kapitel werden gesellschaftliche Themen aufgegriffen, die im Beziehung zur Stadt stehen; hier finden beispielsweise die Wohnungsfrage oder auch (nochmals) Aspekte der Zuwanderung ihren Platz.
Diskussion
Das Buch liest sich interessant und anregend; gerade die eher schlaglichtartige Darstellung kann Interesse wecken, sich nochmals näher mit einem Konzept oder einem theoretischen Ansatz zu beschäftigen. Somit wird insgesamt ein guter Überblick gegeben, mit welchen Inhalten und Fragen sich die Stadtforschung beschäftigt und welche Antworten sie auf diese Fragen anzubieten hat. Zudem ist das Buch gespickt mit persönlichen Empfehlungen in Bezug auf Musik oder Literatur, was den Eindruck eines insgesamt spannenden Sammelsuriums verstärkt. Weniger nachvollziehbar erscheint die doch recht eingeschränkte Wahrnehmung der Arbeiten der (Stadt-) Soziologie: Zwar wird ihr ein reduziertes Verständnis der Stadt vorgeworfen, die vorgestellten Klassiker aber und auch die Stadtkonzepte im zweiten Teil sind mehrheitlich in der Soziologie oder der (soziologischen) Stadtforschung zu verorten. Nun gehört die Frage nach der Existenzberechtigung der Betrachtung der Stadt als eigenständiges Thema zum Diskurs der Stadtforschung selbst (als Beispiele Krämer-Badoni 2004, Höhne/Michel 2021). Überdies gibt es aber viele weitere Arbeiten – wie das Kapitel zu den Stadtkonzepten auch (unfreiwilligerweise?) zeigt – die sich mit der „Besonderheit des Städtischen“ (vgl. gleichnamigen Titel von Hermann et al. 2011, ebenso z.B. Siebel 2015) auseinandersetzen und dort auch zu Ergebnissen kommen, die über eine Betrachtung der Stadt als „Gesellschaft im Kleinen“ hinausgehen. Im letzten Kapitel macht Prell das, was er selbst der Soziologie vorwirft: Er benennt z.T. gesellschaftliche Entwicklungen, die am Beispiel der Stadt besonders gut beobachtet werden können, da sie dort in verstärkter Form auftreten. Insgesamt hat Prell damit zwar kein soziologisches, aber doch ein soziologiereiches Buch geschrieben.
Fazit
Das Buch „Die Stadt“ von Uwe Prell nähert sich seinem Gegenstand mit multidisziplinären Anspruch und durchsucht – ausgehend von der Leitfrage: „Für welches Problem ist die Stadt die Antwort?“ – systematisch verschiedene Disziplinen, unterschiedliche Sprachen, klassische Texte, markante Ergebnisse der Stadtforschung und aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen nach Antworten. Das Buch wird durch die Vielseitigkeit des Zugangs und durch die schlaglichtartige Auseinandersetzung mit den einzelnen Aspekten in Bezug auf das Thema Stadt interessant und kurzweilig und eignet sich daher als erste Hinführung zum Thema.
Literatur
Herrmann, Heike; Keller, Carsten; Neef, Rainer; Ruhne, Renate (2011) (Hg.): Die Besonderheit des Städtischen – Entwicklungslinien der Stadt(soziologie). Wiesbaden: VS
Höhne, Stefan; Michel, Boris (2021): Das Ende des Städtischen? Pandemie, Digitalisierung und planetarische Enturbanisierung. suburban. Zeitschrift für Kritische Stadtforschung, 9(1/2), 141–149. https://doi.org/10.36900/​suburban.v9i1/2.683
Krämer-Badoni, Thomas (2004): Die europäische Stadt und die alteuropäische Soziologie – Kommunaler Sozialstaat oder civil society? In: Siebel, Walter (Hg): Die Europäische Stadt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 433–444
Siebel, Walter (2015): Die Kultur der Stadt. Berlin: Suhrkamp
Rezension von
Prof. Dr. Andrea Janßen
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Zitiervorschlag
Andrea Janßen. Rezension vom 12.11.2021 zu:
Uwe Prell: Die Stadt. Eine Einführung für die Sozialwissenschaften. Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2020.
ISBN 978-3-8252-5466-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27657.php, Datum des Zugriffs 23.09.2023.
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