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Veronika Fischer, Monika Springer et al. (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz

Rezensiert von Dipl.-Soz. Willy Klawe, 19.07.2005

Cover Veronika Fischer, Monika Springer et al. (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz ISBN 978-3-89974-179-7

Veronika Fischer, Monika Springer, Ioanna Zacharaki (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz. Fortbildung - Transfer - Organisationsentwicklung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2005. 272 Seiten. ISBN 978-3-89974-179-7. 19,80 EUR.

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Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-9541-4021-3 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.

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Einführung in das Thema und Entstehungshintergrund

Der migrationspolitische Paradigmenwechsel, der sich u.a. im - fachlich und politisch freilich in vielerlei Hinsicht problematischen - neuen Zuwanderungsrecht, in der bereits vor einiger Zeit beschlossenen neuen Staatbürgerrecht sowie in der damit verbundenen Forderung nach Öffnung der Regeldienste ausdrückt, stellt neue (alte) Anforderungen an Soziale Arbeit und pädagogische Praxis. Die Kompetenz, berufliches Handeln vor diesem Hintergrund zu reflektieren und interkulturelles Wissen als Interpretationsfolie für das eigene professionelle Handeln zu nutzen, muss in Aus- und Fortbildung vermittelt werden. Das vorliegende Buch dokumentiert Konzepte und Erfahrungen verschiedener Vermittlungsversuche in unterschiedlichen Arbeitsfeldern und Kontexten. Dabei wird interkulturelle Kompetenz "....als eine Fähigkeit verstanden, angemessen mit Situationen in der Einwanderungsgesellschaft umzugehen, so dass den Migranten und Migrantinnen - unter Anerkennung und Förderung ihrer individuellen Ressourcen - eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird." (7)

Ein Teil der vorgestellten Konzepte ist im Kontext des Zertifikatskurses "Interkulturelle Kompetenz für BeraterInnen und PädagogInnen im Bereich Berufsorientierung" entstanden, der im Rahmen des XENOS-Projektes "Leben und Lernen in Vielfalt" durchgeführt und wissenschaftlich begleitet wurde

Anliegen und Aufbau

Das Buch gliedert sich in drei Themenblöcke, von denen der erste Konzepte der Fortbildung und den Transfer in die Praxis behandelt, der zweite die Bedeutung interkultureller Kompetenz in verschiedenen pädagogischen Handlungsfeldern zum Gegenstand hat und der dritte damit verbundene notwende Organisationsentwicklungsaspekte diskutiert.

Allem vorangestellt ist ein Kapitel über "Gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung migrationsbedingter Qualifikationserfordernisse". In diesem ersten Kapitel liefert Veronika Fischer eine knappe aber differenzierte Skizze zur Lebenslage der Migrantinnen und Migranten in rechtlicher, materieller und bildungspolitischer Hinsicht und begründet vor diesem Hintergrund den erhöhten Handlungsbedarf von Sozialer Arbeit und Pädagogik und die strukturelle Konsequenz der Öffnung sozialer Regeldienste. Sie bietet damit eine gute Rahmung für die nachfolgenden Beiträge, auch wenn auf politisch-ökonomische Aspekte von Globalisierungsprozessen sowie Fluchtgründe als Auslöser von Migrationsprozessen nur am Rande eingegangen wird.

  1. Auf dieser Folie werden im ersten Themenblock verschiedene Fortbildungsänsätze in unterschiedlichen Praxisfeldern vorgestellt. Dazu wird im ersten Kapitel (Veronika Fischer) zunächst ein kompakter Überblick über den derzeitigen Stand der Fachdiskussion zum Begriff interkulturelle Kompetenz gegeben und das Verständnis von interkultureller Kompetenz als Schlüsselqualifikation begründet. In der Konturierung des damit verbundenen Anforderungsprofils skizziert die Verfasserin knapp Anforderungen auf der globalen, der gesellschaftlichen und der institutionellen Ebene und geht dann ausführlich auf selbstreflexive Kompetenzen, soziale Kompetenzen und kognitive Inhalte auf der Sachebene ein. Das nachfolgende Kapitel (Monika Springer, Ioanna Zacharaki) schildert anschaulich und ausführlich den Aufbau und die einzelnen Bausteine des Zertifikatskurses "Interkulturelle Kompetenz für BeraterInnen und PädagogInnen im Bereich Berufsorientierung" und gibt damit zahlreiche Anregungen für die Gestaltung von ähnlichen Fortbildungsveranstaltungen zum Thema. Mit dieser Fortbildung verbunden war die Zielsetzung, über die Teilnehmer als MultiplikatorInnen den Transfer der Erfahrungen in die jeweilige Organisation zu gewährleisten. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Lernprozesse während des Kurses und der anschließenden Transfers wurde eine begleitende Evaluation durchgeführt, deren Ergebnisse im anschließenden Kapitel (Veronika Fischer, Doris Krumpholz, Volker Eichener) referiert werden. Die vorgetragenen Daten und Ergebnisse ermöglichen auch dem Leser eine (erste) Einschätzung des Trainingskonzeptes. Die dieses Kapitel abschließenden Ausführungen zu den Bedingungen eines gelungenen Transfers sind auch unabhängig von dem evaluierten Kurs relevant und gut auf andere Kontexte übertragbar. In den folgenden Abschnitten werden Fortbildungen zum Erlernen interkultureller Kompetenz im Allgemeinen Sozialen Dienst (Anne Dietrich, Conni Zwanzer), der Altenpflege (Ioanna Zacharaki) und in einem Assessment-Center im Rahmen der Berufsvorbereitung (Christa Müller-Neumann) überzeugend und praxisnah dargestellt.
  2. Im Themenblock "Pädagogische Handlungsfelder" werden Praxiserfahrungen im Hinblick auf interkulturelle Kompetenzen in systemisch orientierten Beratungsprozessen (Ioanna Zacharaki) sowie interkulturelle Gruppenarbeit (Despina Kallinikidou, Birgit Stimm-Armingeon) vorgestellt. Ein weiteres Kapitel (Monika Springer) beschreibt detailliert Übungen zur interkulturellen Sensibilisierung und Konfliktbearbeitung. Auch in den Beiträgen dieses Themenblocks gelingt es den Autorinnen in hervorragender Weise darzustellen, wie interkulturelle Praxis in diesen Handlungsfeldern theoriegeleitet reflektiert und gestaltet werden kann.
  3. Der letzte Themenblock schließlich ist in zwei Kapiteln dem Transfer in die Organisation gewidmet. Gudrum Jakubeit skizziert ausgehend von Überlegungen aus Organisationsentwicklung und Change Management die Erfahrungen im Prozess der interkulturellen Öffnung der Krippen in München. Helmuth Schweizer schildert Erfahrungen und Probleme eines Organisationsentwicklungsprozesses zur interkulturellen Öffnung einer Kommune. Obwohl beide AutorInnen letztlich zu einer positiven Einschätzung der von ihnen begleiteten Prozesse kommen, zeigen ihre Ausführungen auch, welche mühsamen Wege zu gehen sind, will man eine interkulturelle Orientierung in der Struktur sozialer Organisationen verankern.

Abschließende Einschätzung und Kritik

Mit der vorliegenden Veröffentlichung ist den Autorinnen und Autoren dieses Bandes eine gute, anspruchsvolle Verknüpfung der gesellschaftlichen, institutionellen und individuellen Handlungsebenen bei der Realisierung interkultureller Orientierung und Kompetenz gelungen. Die Beiträge bieten durch ihr breites Themenspektrum, ihre Multiperspektivität und die Fülle von Anregungen viel Material zur Reflexion und Gestaltung der eigenen interkulturellen Praxis. Wenn auch nicht immer grundsätzlich Neues entwickelt wird, bietet der vorliegende Band eine umfassende, sehr differenzierte und gut lesbare Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Diskussionsstandes. Der hohe Praxisbezug, die plausible Argumentation und die vielfältigen methodischen Anregungen verbunden mit strukturellen Aspekten des Transfers machen die Veröffentlichung zu einer wertvollen Praxishilfe. Schade nur, dass die AutorInnen die Notwendigkeit interkultureller Kompetenz ausschließlich aus Migrationsprozessen ableiten. Auch ohne direkten Bezug auf Migrantinnen und Migranten wird interkulturelle Kompetenz angesichts der Pluralisierung der Lebenswelten und der Herausbildung unterschiedlicher Milieus zu einer Schlüsselqualifikation für eine lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aber vielleicht ist dieser ausschließliche Bezug auf MigrantInnen ja auf den konkreten Entstehungskontext der Beiträge zurück zu führen.

Rezension von
Dipl.-Soz. Willy Klawe
war bis März 2015 Hochschullehrer an der Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie Hamburg. Jetzt Wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Instituts für Interkulturelle Pädagogik (HIIP, www.hiip-hamburg.de)
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Es gibt 62 Rezensionen von Willy Klawe.

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Zitiervorschlag
Willy Klawe. Rezension vom 19.07.2005 zu: Veronika Fischer, Monika Springer, Ioanna Zacharaki (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz. Fortbildung - Transfer - Organisationsentwicklung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2005. ISBN 978-3-89974-179-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2768.php, Datum des Zugriffs 13.01.2025.


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