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Michael Vilain (Hrsg.): Wege in die digitale Zukunft

Rezensiert von Dr. Alexander Brandenburg, 09.04.2021

Cover Michael Vilain (Hrsg.): Wege in die digitale Zukunft ISBN 978-3-8487-6621-5

Michael Vilain (Hrsg.): Wege in die digitale Zukunft. Was bedeuten Smart Living, Big Data, Robotik & Co für die Sozialwirtschaft? : Tagungsband zum Social Talk 2017. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2020. 156 Seiten. ISBN 978-3-8487-6621-5. 34,00 EUR.
Reihe: Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft - Band 2.

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Thema

Digitalisierung bezeichnet einen technikgetriebenen Wandel aller gesellschaftlichen Bereiche von der Arbeitswelt über die Freizeit bis hin zu sozialen Beziehungen. Kennzeichnend ist dabei der Ersatz oder die Ergänzung menschlicher Denk – oder Kommunikationsleistungen sowie komplexer Handlungen durch Computer und Roboter. Dieser Megatrend gehört zu den grundlegenden Entwicklungen der Menschheit. Keiner wird diesem Trend in den nächsten Jahrzehnten entkommen können und wollen. Oder vielleicht doch? Die Zukunft lässt sich nicht so leicht okkupieren!

Entstehungshintergrund

Obgleich die Tagung schon 2017 stattfand, wurden deren Ergebnisse mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie immer wichtiger. Es wurde sichtbar, welche Rolle Digitalisierung bei der Bewältigung anstehender Aufgaben leisten kann. Viele der auf dieser Tagung vorgestellten Tendenzen werden beschleunigt verwirklicht werden. Deshalb auch ist eine verspätete Herausgabe der Tagungsergebnisse sinnvoll.

Aufbau

Insgesamt 8 Beiträge stellen mit Blick auf die Sozialwirtschaft ausgewählte Themen der Digitalisierung in den Mittelpunkt:

  1. Digitale Transformation heute und morgen mit Blick auf den Gesundheits-, Sozialsektor und dessen Verbände (Thomas Klauß)
  2. Digitalisierung ändert nichts – außer alles. Stand und Herausforderungen in der Sozialwirtschaft (Helmut Kreidenweis)
  3. Zwischen Tradition und Innovation. Wie Digitalisierung die Organisationskultur sozialer Unternehmen verändert: Ein Impuls zu mehr digitaler Fitness (Hartmut Kopf)
  4. Wie die Digitalisierung von Sprache und Kommunikation die Gesellschaft beeinfluss (Jens Runkel)
  5. Digitale Transformation: Zwischen technologischen Möglichkeiten und organisationalen Realitäten (Michael Beier und Sebastian Früh)
  6. Digitalisierungsstrategien menschenorientiert entwerfen und umsetzen (Ren Linek)
  7. Die digitale Führungskraft: Management zwischen Steuerung und Selbstorganisation (Christoph Minnig)
  8. Algorithmen, Geschäftsmodelle und strategische Netzpartnerschaften. Die digitale Zukunft der Sozialwirtschaft – ein Blick hinter die Kulissen aktueller Forschungs- und Entwicklungsprojekte (Matthias Heuberger und Michael Vilain)

Die letzten drei Beiträge stellen Beispiele aus der Praxis vor:

  1. Praxisbeispiel: Digitalisierung konkret: Wenn der Stromzähler weiß, ob es Oma gut geht. Beschreibung des minimalinvasiven Frühwarnsystems „Zelia“ (Max Pascher)
  2. Praxisbeispiel: SUP2U- Die Plattform für die digitale „Dorfgemeinschaft“ (Andreas Schmidt)
  3. Virtual Life Saving – Virtuelle Realität in der Ausbildung zum Notfallsanitäter (Philipp Köhler)

Inhalt

Der Herausgeber Michael Vilain schreibt ein Vorwort, das die Wege in die digitale Zukunft für die Sozialwirtschaft charakterisiert. Die Konsequenzen für das Management in Nonprofit-Organisationen werden in jedem Fall umfassend sein, ob man diese Entwicklung begrüßt oder ihr skeptisch gegenübersteht. Zu den neu entwickelten digitalen Angeboten zählen Online-Beratungen, Unterstützungsnetzwerke und weitere Angebote, und im Personalbereich kommen veränderte Qualifikationsprofile, netzwerkartige Arbeitsstrukturen durch Home-Office etc. hinzu. Auch gilt es die Digitalisierung mit der Globalisierung und dem Klimawandel in einen strategischen Zusammenhang zu stellen. Man begreift sich als Instanz eines großen politischen Projektes der Weltveränderung. Als Geschäftsführender Direktor des Institutes für Zukunftsfragen der Gesundheits- und Sozialwirtschaft der Evangelischen Hochschule Darmstadt muss der Blick halt über den Tellerrand gehen.

Liest man den Beitrag von Thomas Klaus erfährt man einiges über die globalen Trends und ihren Bestrebungen der Digitalisierung. Es ist ein Leistungsbericht über die Arbeitsresultate von Google und Co, Facebook, IBM, SAP, Microsoft usw. usw. Bei alledem wird sichtbar, dass es ein Kampf um die Märkte ist. Wer kann seine Organisation so aufstellen, dass sie jedem Mitbewerber Paroli bieten kann. Dazu sind die fortgeschrittenen Techniken notwendig, wenn man kein Verlierer sein möchte.

Auch bei Helmut Kreidenweis steht die Schlacht um die Marktanteile im Mittelpunkt, wenn er fordert, dass sich die Sozialwirtschaft nicht aus der digitalen Mitte der Gesellschaft verabschieden darf. Hier droht der Verlust aller derjenigen, die ihre Lebensbezüge digital organisieren. Das ist keine kleine Gruppe! Die Digitalisierung ist eine fortlaufend notwendige Modernisierung, um Konkurrenzkämpfe mit anderen Anbietern zu bestehen und die bisherige Dominanz zu erhalten.

Hartmut Kopf nimmt kein Blatt vor dem Mund, sondern fordert die Sozialwirtschaft auf, den alten caritativen Weg der Wohlfahrtspflege zu verlassen und aus jedem Unternehmen ein „Digital Social Valley“ zu machen. So schafft man Lösungen! Das Kompetenzprofil solcher Erneuerer und Treiber der digitalen Transformation wird so skizziert:

  • …verstehen Digitalisierung und ihre Auswirkungen mehrdimensional.
  • …kennen die wichtigsten Innovations- und Managementmethoden (Business Model Canvas, Design Thinking, Human Centered Design, Lean Management, Agiles Management).

Die in den Beiträgen vorherrschende affirmative Haltung zur Digitalisierung wird von Jens Runkehl ein wenig relativiert, wenn er im Rahmen der Netzkommunikation die Frage nach der Sprache in ihrer Spannung von Vielfalt und Verkümmerung stellt. Hier greift das Beispiel der „Hassrede“ zu kurz. Die manipulative Rede der Großen Player wäre sicherlich auch eine Untersuchung wert.

Michael Beier und Sebastian Früh stellen die Frage, warum die Neupositionierung in der digitalen Transformation oft so schwerfällt, und kommen zu der Einschätzung, dass es am Widerstand der Mitarbeiter gegen organisationale Veränderungen liegen könnte. Der Focus wird nicht auf die Technologie gerichtet, sondern auf den Stand, die Motivation und die Überlegungen der Belegschaft. Nicht jeder freut sich darauf, durch eine Sprach- und Antwortbox ersetzt zu werden.

Ren Link weist darauf hin, dass es keine schematischen Lösungen bei der Umsetzung der Digitalisierung gibt. Für jede Institution gibt es individuelle Lösungen. Es gehört Mut dazu, alles auf den Prüfstand zu stellen und keine Tabus zuzulassen. Nur auf diese Weise gelingt es, die Institution zukunftssicher aufzustellen.

Diskussion

Es entsteht eine schöne neue Welt soziale Welt, wenn die Informationstechnik in all ihren Varianten und Möglichkeiten die Köpfe des Managements belegt und die Wirklichkeit des Handelns und Denkens bestimmt. Was bleibt? Zeit für Gespräche, für Zuwendung und Empathie, für das Zuhören und das freundliche Miteinander werden schon deshalb schrumpfen, weil es keine Mitarbeiter mehr gibt, die solche Techniken verinnerlicht haben und anzuwenden wissen. Auf bestem IT-Niveau, die schlechteste Hilfe für die Hilfebedürftigen.

Man tut so, als sei die Digitalisierung erst gestern erfunden. Überall auf der Welt lassen sich Anwendungen der IT finden, im überalterten Japan, im kontrollgeilen China, beim Militär in jedem Lande und besonders in Südostasien, dieser Zone wachsender Urbanisierung und Digitalisierung. Wir erkennen, dass wir den Anschluss versäumt haben und der Entwicklung nachhecheln. Wo bleiben die systematischen Auswertungen, die Hinweise auf Fehler oder falsche Pfade? Es dürften wohl keine Wunder von der Digitalisierung erwartet werden? Jeder weiß es: Der PC ist mitunter eine Dauerbaustelle und hat seine Mucken. Der Betreuungsaufwand für funktionierende Technik kann enorm hoch sein. Wem nützt es? Sicherlich der IT-Branche selbst und deren cleveren Verkäufern. Weniger Begeisterung, mehr Klarsicht ist vonnöten!

Wenn Amazon auch in die Sozialwirtschaft einsteigt, wird man sehen, dass die Vorteile der hiesigen Sozialwirtschaft nicht in der Technik liegen, sondern in der human-aufgeklärten Weise, mit der man dem „Kunden“ entgegentritt und wirkliche personale Hilfe anbietet. Hier liegt das wirkliche Fundament der Sozialwirtschaft.

Übrigens: Aus den IT- Zukunftsvorstellungen erfahren wir nichts über die Zukunft, die immer unbestimmt bleibt. Wir erfahren allerdings viel über die gegenwärtigen Vorstellungen ihrer Verfechter- nicht mehr und nicht weniger. Aber solche Vorstellungen sind soziale Wirklichkeit und zeigen Wirkungen. Hoffentlich die hier Erwünschten.

Fazit

Die Lektüre des Buches ist informativ und anregend, sie gibt einen Einblick in die Überlegungen einer Branche, die es offensichtlich versäumt hat, frühzeitig auf den IT-Zug der Zeit zu springen. Welche Wege der Modernisierung sollen gewählt werden, welche Vorstellungen kursieren, und welche Projekte will man realisieren? Gerade auch für den digitalen Anfänger gibt es einigen Honig aus den Beiträgen zu saugen! Der Erfahrene kann überprüfen, ob er eine wichtige Entwicklung versäumt hat. Beide können darüber nachdenken, ob die IT-Reformen die sozialen Seiten der Problematik stärker einbeziehen müssen, um die sozial gewünschten Wirkungen erzielen zu können.

Rezension von
Dr. Alexander Brandenburg
Leiter der Abteilung Gesundheitsförderung und Gesundheitsplanung bei der Stadt Herne
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Es gibt 99 Rezensionen von Alexander Brandenburg.

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ISSN 2190-9245