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Petr Ondracek: Personzentriertes Arbeiten in sozialen Berufen

Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers, 14.03.2022

Cover Petr Ondracek: Personzentriertes Arbeiten in sozialen Berufen ISBN 978-3-17-032411-4

Petr Ondracek: Personzentriertes Arbeiten in sozialen Berufen. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2020. 168 Seiten. ISBN 978-3-17-032411-4. 29,00 EUR.
Reihe: Basiswissen helfende Berufe.

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Thema

Bei dem Buch handelt es sich um eine kurz gefasste Einführung in den Personzentrierten Ansatz nach C.R. Rogers. Die Einbindung in die Veröffentlichungsreihe „Basiswissen“ des Verlages erläutert deutlich den Anspruch, grundlegende handlungsleitende Ansätze im beschriebenen Arbeitsbereich vorzustellen.

Autor

Prof.Dr.Petr Ondracek, Dipl.-Päd., langjährig Lehrer für Didaktik und Methodik der Heilpädagogik an der Evangelischen Hochschule RWL in Bochum, freiberuflich tätig im Bereich Fort- und Weiterbildung, Ausbilder im Personzentrierten Ansatz

Entstehungshintergrund

Die Buchreihe „Basiswissen helfende Berufe“ ist Querschnittsthemen gewidmet, die für verschiedene Berufsgruppen von Bedeutung sind. Neben wissenschaftlicher Fundierung und Praxisrelevanz als grundsätzlicher Orientierung werden auch die Themen „Vernetzung“ und „Inklusion“ gewürdigt.

In den „Persönlichen Abschlussgedanken“ beschreibt der Autor den Hintergrund der Entstehung des Buches. Der Autor hat jahrelang Fachwissen und Know-how zum Thema „Personzentriertes Arbeiten“ vermittelt, als Hochschullehrer, Weiterbildner, Fortbildungsdozent und Praxisberater in Einrichtungen der Erziehungshilfe, Behinderten- und Altenhilfe. Das Buch entstand etliche Jahre nach der Emeritierung, benutzt sowohl neuere Quellen wie auch langjährig bewährte Arbeitsmaterialien aus dieser Tätigkeit. Angesichts dieses Hintergrundes wirkt ein Umfang des Buches von ca. 160 Seiten knapp, was aber unter Berücksichtigung der jeweiligen Lernsituation nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Studierende einer Hochschulausbildung haben sicher andere Erwartungen als Praktiker mit Fortbildungsbedarf in einem Kurssystem.

Aufbau

Gerahmt von den „Einleitenden Gedanken“ und den „Abschlussgedanken“ entfaltet sich der Inhalt des Buches in den Kapiteln 1–3.

  • Kapitel 1 befasst sich mit den theoretischen Grundlagen – Personzentriertheit und Personzentriertes Arbeiten: Was ist das?
  • Kapitel 2 konzentriert sich auf Know-how-Wissen – Personzentriert handeln: Wie geht das?
  • Kapitel 3 ist überschrieben mit „Mitmensch von Beruf sein“: Professionelle Personzentriertheit entfalten: wie denn?

Inhalt

Im ersten Kapitel werden zentrale Begriffe des Personzentrierten Ansatzes wie Person, Persönlichkeit und Selbst vorgestellt. Das gleiche gilt für die Begriffe Personzentriertheit und Personzentriertes Arbeiten, die sorgfältig differenziert werden. In den darauffolgenden Exkursionen in relevante Bereiche der Psychologie wird eine Besonderheit des Buches bereits deutlich. Der Autor hat eine durchaus persönliche Auswahl der für ihn relevanten Theoriebezüge getroffen – in diesem Fall Individualpsychologie nach Alfred Adler, Lernpsychologie und natürlich die humanistische Psychologie. Zu den theoretischen Grundlagen gehört für ihn aber auch ein wissenschaftlich weniger eindeutiger Begriff wie „Wohlbefinden“, der in seiner Bedeutung für den Personzentrierten Ansatz untersucht und diskutiert wird. In diesem Kapitel werden sowohl die Erfahrungen als Hochschullehrer deutlich, die sich in einer beachtlichen Zahl von präsentationstauglichen Grafiken, Mindmaps u.a. niederschlagen haben wie auch die biografisch geprägte Aufnahme und Konkretisierung des Personzentrierten Ansatzes, wie er sie für seine Person entwickelt hat. Alle Unterpunkte des Kapitels enden mit einem „kleinen Wissenscheck“.

Das zweite Kapitel, in dem es um das Know-how des Personzentriert arbeitenden Menschen geht, konzentriert sich auf zentrale Verhaltenskategorien:

  • Personzentierte Haltung
  • Personzentrierte Kommunikationsart
  • Bestätigung des Personseins des Gegenübers
  • Bedürfnisse des Gegenübers ernst nehmen
  • Selbstwertgefühl des Gegenübers stärken

In allen Kategorien werden praktische Beispiele genutzt, zum Teil als Wiedergabe von Beratungsgesprächen, aber auch als Grundlage für eine -vorsichtige – Selbstanalyse des lernenden. Hilfreich ist hier auch die Darstellung hinderlicher oder hilfreicher Verhaltensweisen und der „Wissenscheck“ (s.O), der jedes Kapitel abschließt. Zusätzlich zu dieser kognitiv orientierten Selbstprüfung gibt es immer wieder „Selbsterforschungshilfen“, die offensichtlich zu einer Sensibilisierung für eigene unbewusste Haltungen und Verhaltensweisen führen sollen. Es versteht sich, dass derartige Hilfen, die Ähnlichkeit mit methodischen Vorgehensweisen im Coaching aufweisen, ihre Grenzen in tief verwurzelten, im Regelfall unbewussten Prägungen und Widerständen erreichen. Der Autor verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf, dass diese Hilfen nicht zwingend vorgeschrieben sind, aber interessant für Menschen, die sich selbst „auf die Schliche“ kommen wollen.(S. 122). Wie im ganzen Buch, gibt es auch hier Exkurse in spezielle Arbeitsgebiete, die häufig konkreten Bezug zu den beruflichen Schwerpunkten des Autors aufweisen.

Das dritte Kapitel schließlich konzentriert sich auf Überlegungen zur Festigung und Verstetigung der Personzentrierten Haltung, um „Mitmensch von Beruf“ zu werden. Der Autor weist selber darauf hin, dass dies eine selten benutzte Bezeichnung in der Fachwelt ist, er beharrt aber auf ihrer Nutzbarkeit bei der Entwicklung konkreter Verhaltensweisen:

  • Stärkung der Personzentrierten Haltung im Selbstkonzept
  • Selbststeuerung zur Personzentrierten Arbeitsweise hin
  • Erhöhung der Selbstwirksamkeit durch praktizierte Personzentriertheit
  • dieses Arbeiten zur Selbstverständlichkeit machen
  • mit Gleichgesinnten verbinden und Unterstützung nutzen

Wie im zweiten Kapitel gibt es auch in diesem Kapitel Exkurse zu bestimmten Arbeitsgebieten und Wissensschecks, aber auch Selbststeuerungshilfen, zum Beispiel in Form von zehn Geboten zur alltäglichen Personzentriertheit. Das Kapitel schließt mit einem Fazit, in dem der Autor noch einmal deutlich macht, dass Personzentriertes Handeln sich nicht in theoretischem Wissen und funktionalen Kompetenzen erschöpft, sondern die Entwicklung eines persönlichen Bezugs zu dieser Theorie erfordert, in dem Haltung und persönliche Entwicklung unverzichtbare Bestandteile der professionellen Entwicklung sind.

Diskussion

Das Buch erweckte bei der Lektüre zuverlässig Assoziationen vergangener Zeiten. Es wirkt in seiner Praxisorientierung für einen mit dem Personzentrierten Ansatz langjährig verbundenen Menschen wie mich vertraut, obwohl der Autor eine individuelle und eigenständige Methodik der Wissensvermittlung entwickelt, die erfreulich konsequent und methodisch kreativ durchgehalten wird. Die Frage wissenschaftlicher Vollständigkeit in der Darstellung kann schon angesichts der Kompaktheit der Veröffentlichung verneint werden. Die Verbindung der in Kapitel eins benannten Theoriebestandteile mit dem Personzentrierten Ansatz ist einerseits überzeugend dargestellt, andererseits sehr persönlich. Es gäbe zahlreiche Punkte, die zu einer weiterführenden Diskussion einladen, hier aber nicht weiter erörtert werden können. Als Beispiel sei die Überzeugung der humanistischen Psychologie genannt, dass jeder Mensch in der Lage ist, sein „Tun konstruktiv auszurichten“ (S. 16). Dieser diskussionswürdige Optimismus im deutschen Sprachraum wird deutlicher wenn wir die Übersetzung des Originaltitels von Rogers „On Personal Power“ in Deutschland sehen. Hier heißt das Buch „Die Kraft des Guten“ (Kindler Verlag, München 1978)

Die Frage, für wen dieses Buch geeignet ist, kann nicht losgelöst von der Situation des personenzentrierten Ansatzes hinsichtlich seiner Verbreitung und Bekanntheit beantwortet werden. Diese ist durch erhebliche Ambivalenzen gekennzeichnet:

  • Zentrale Annahmen des Personzentrierten Ansatzes haben weite Verbreitung in anderen Ansätzen zur Beratung und Kommunikation gefunden (u.a. „motivierende Gesprächsführung“ u. „gewaltfreie Kommunikation“). Es gibt geradezu Allgemeingut gewordene Nutzungen zentraler Begriffe (z.B. „Achtsamkeitsbegriff“ im Coaching).
  • Die in Deutschland aktiven Fachverbände können auf eine beachtliche Breite von Anwendungen in verschiedensten Arbeitsgebieten verweisen.
  • Demgegenüber steht die in Deutschland nach wie vor nicht anerkannte wissenschaftlich fundierte Kompetenz des Ansatzes im Bereich der Psychotherapie. Dies hat Konsequenzen für die Repräsentanz im Hochschulbereich mit ihrer Forschung und Entwicklungsmöglichkeiten.
  • In der Ausbildung an Hochschulen für Sozialarbeit ist unübersehbar, dass der viel zitierte „Psychoboom“, der eine solide Basis für methodische Qualifikation bildete, seit langem Geschichte ist. Methodische Qualifikation im Umgang mit Einzelnen, Familien und Gruppen kann Inhalt des Studiums sein, ist aber häufig nicht zwingend vorgesehen.
  • Im Beratungsbereich dominieren zurzeit nicht humanistisch fundierte, sondern systemische Ansätze – durchaus mit respektablen Gründen.

Unter Berücksichtigung dieser Faktoren bin ich der Ansicht, dass das Buch auf „erfrischend altmodische Weise“ Begriffe in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, die im Wissenschaftsbereich sonst eher wenig gewürdigt werden. Das Beharren des Autors auf persönlicher Entwicklung ist weit ab von jeder „Toolmentalität“, wie sie im Coachingbereich häufig anzutreffen ist. Das Buch ist wenig geeignet für Studierende, die in einer Prüfung theoretisches Wissen über die korrekte Einordnung des Ansatzes in den existierenden psychotherapeutischen Methoden nachweisen müssen. Es ist aber gut geeignet als kontraststarke, praxisorientierte Einführung in den Ansatz

Fazit

Eine außerordentlich praxisnahe Einführung in den Personzentrierten Ansatz. Die für die Vertiefung gewählten Praxisfelder decken einen nicht unbeträchtlichen Teil der Arbeitsfelder Sozialer Arbeit ab. Die Auswahl der Arbeitsfelder ist eng mit der beruflichen Biografie des Autors verbunden. Diese enge Verbindung gilt auch für die inhaltliche Darstellung des Ansatzes und die methodische Konzeption. Deutlich wird, dass der Autor den Personzentrierten Ansatz lebt und nicht nur im Rahmen einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung darstellt.

Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Gerd Schweers
Systemischer Familientherapeut, Ausbilder der GwG (GF, SV) .
Lehrer für besondere Aufgaben (Theorien und Methoden der Sozialarbeit) i.R.
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Es gibt 20 Rezensionen von Gerd Schweers.

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ISSN 2190-9245