Gabriele Bartsch, Leonore Grottker: Service Learning mit Studierenden
Rezensiert von Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann, 09.02.2022
Gabriele Bartsch, Leonore Grottker: Service Learning mit Studierenden. Ein kurzer Handlungsleitfaden. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2020. 108 Seiten. ISBN 978-3-7799-6436-0. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.
Thema
Service Learning ist ein Lehr- und Lernkonzept, welches in Europa als neuartig beschrieben wird. Der Fokus des Service Learning liegt auf dem Praxis-Transfer von erlerntem fachtheoretischen Studieninhalten. Veranschaulicht werden Ziele und Wirkungen des Service Learning anhand von Praxisbeispielen aus vergangenen Projekten mit Studierenden, sowie methodische Ansätze und theoretischer Hintergrund.
Herausgeber
Gabriele Bartsch (M.A. Soziologie; Kulturwissenschaften) arbeitet als Trainerin und Coach für die Agentur „mehrwert – Agentur für Soziales Lernen gGmbH“ in Stuttgart. In dieser Funktion berät sie soziale Einrichtungen in der Organisationsentwicklung.
Leonore Grottker (M.A. Erziehungswissenschaften) arbeitet zurzeit als Kulturmanagerin in Serbien. In vorherigen Tätigkeiten arbeitete sie mit (internationalen) Studierenden in den Bereichen Service Learning und Freiwilligendienst zusammen. Zu diesem Sammelwerk haben 16 weitere Autor*innen aus Praxis und Lehre aus angrenzenden Disziplinen beigetragen.
Aufbau
Auf 108 Seiten werden in drei Kapiteln insgesamt 21 Themenbereiche des Service-Learning dargestellt:
- Service Learning – fachlich-konzeptioneller Kontext,
- Service Learning in der Gesellschaft – handlungspraktisches Wissen und
- Expert*innentexte.
Inhalt
Im ersten Teil des Buches werden die historische Entwicklung des Service Learning und die fachlich konzeptionellen Aspekte des Themas erläutert. Diese bestehen aus der methodischen und der theoretischen Perspektive.
Bereits in den 80er Jahren entstanden in den Universitäten der USA im Zuge der „giving back to the community“ – Kultur das Lehr- und Lernkonzept Service Learning. Anfang der 2000er Jahre wurden in Deutschland erstmalig soziale Lernprojekte mit dem Konzept des Service Learnings unter dem Namen „Do it!“ an der Hochschule Reutlingen in Kooperation mit der Agentur „mehrwert“ durchgeführt. Dieses Projekt wurde in elf Hochschulen in Baden-Württemberg umgesetzt. Später folgten weitere Projekte in Hochschulen und Universitäten in ganz Deutschland. Service Learning besteht aus zwei Bestandteilen. Zum einen aus der Service-Komponente, welche die fachlichen interdisziplinären akademischen Bildungsziele in gemeinsamer Absprache mit Studierenden-Commitment umfasst und zum anderen aus dem Element Learning. Das Learning wiederum wird in aufeinander aufbauende Teilaspekte gegliedert, diese sind die wissenschaftliche Vorbereitung der Aufgabenstellung, die Anwendung wissenschaftlicher Konzepte auf die Handlungspraxis und der Reflexion der gesammelten Erfahrung im Projekt. Zurzeit wird Service Learning in zwei Formen an Hochschulen unterschieden: fachspezifisches und fachübergreifendes Service Learning. Der fachübergreifende Ansatz fokussiert dabei die Entwicklung und Förderung der Persönlichkeit und der Soft Skills, während der fachspezifische Ansatz darauf abzielt, erworbenes Wissen mit Hinblick auf zukünftige Anforderungen im Beruf zu vertiefen.
Das fachübergreifende Service Learning kann als niedrigschwelliger Einstieg für Studierende genutzt werden. Weitere Merkmale des fachübergreifenden Service Learning sind das Knüpfen interdisziplinärer Kontakte, das Erforschen von Lebenswelten anderer Studierender und Schaffung von Mehrwert innerhalb der Reflexion der unterschiedlichen Arbeitserfahrungen. Diese Erfahrungen können wiederum für die späteren beruflichen Kontexte genutzt werden. Das fachspezifische Service Learning dient dem Erwerb fachspezifischer Inhalte und kann als Ergänzung des fachübergreifenden Service Learning verwendet werden, um bereits bestehende Seminare zu erweitern. Die Erweiterung des fachübergreifenden Service Learning kann mittels fachspezifischen Service Learning speziell mit Fokus auf praktische Projektarbeit oder Forschungsmodelle verbunden werden, um damit einen Theorie-Praxis-Transfer zu ermöglichen.
Didaktisch basiert Service Learning auf dem Erlebnis- und Handlungsorientierten Lernen. Die theoretische Grundlage bilden hierfür wissenschaftliche Erkenntnisse der Erlebnis- und Reformpädagogik. Reflexion zählt zu den wichtigsten Merkmalen des Service Learning, denn nur durch die Reflexion der gesammelten selbsterfahrenen Situationen ist es möglich, diese auf zukünftigen Problemsituationen anzuwenden. Die Autor*innen beschreiben die theoretischen Konzepte der Reflexionen, sowie deren methodischen Grundlagen. Positive Effekte auf Teilnehmer*innen des Service Learning wie die Steigerung des Selbstvertrauens, der Sozialkompetenz und Verstärkung der Empathie, sowie kulturelles Verständnis und Toleranz gegenüber anderen Kulturen wurden in Studien bereits bestätigt. Zudem konnte die erlebte Handlungswirksamkeit und eine Veränderung der Selbstsicht gestärkt werden. Des Weiteren wurden positive Effekte auf Sozialkompetenz, Themenverständnis, Fach- und Methodenkompetenz festgestellt.
Im zweiten Teil des Buchs folgen praktische Anleitungen der Autor*innen für Hochschulen, Dozent*innen und Unternehmen für Projekte des Service Learning.
Die Autor*innen beschreiben eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für die Vorbereitung, Planung und Durchführung, sowie die anknüpfenden Auswertungen und Reflexionen des Service Learning. Im Anschluss des zweiten Kapitels werden mithilfe eines FAQs die am häufig gestellten Fragen von den Autor*innen beantwortet, diese ergaben sich aus vergangenen „Do it!“-Projekten.
Im dritten Teil werden Texte von 16 Expert*innen, welchen der Thematik des Service Learning angrenzenden wissenschaftlichen Disziplinen angehören, vorgestellt. Hierbei wird das Service Learning aus theoretischer und praktischer Sicht verortet. Darauf folgt ein Ausblick zur zukünftigen Entwicklung des Service Learning seitens der Autor*innen.
Zielsetzung des Handlungsleitfadens ist es, Wissenschaftler*innen und leitende Mitarbeiter*innen in akademischen Bildungseinrichtungen, sowie Führungs-, Leitungs- und Fachkräften in nichtgewinnorientierten Unternehmen einen Impuls für die Vorbereitung, Durchführung und Evaluation von Service Learning zu geben.
Diskussion
Das Werk ist ein guter Einstieg in die Thematik des Lehr- und Lernkonzepts Service Learning. Dieses eignet sich neben der Sozialen Arbeit in allen Disziplinen, in denen theoretisches Wissen mit praktischen Erfahrungen verbunden werden soll. Weiterhin kann Service Learning auch für den Erwerb von Sozialkompetenzen oder anderen Soft Skills bei Studierenden als Unterrichtsmethodik angewandt werden. Die Geschichte und die Herkunft des Service Learning wird zum Anfang des Buchs eindrücklich von den Autor*innen dargestellt. Zudem erfolgt eine Einordnung des Service Learning als praktische Unterrichtsmethodik. Hierbei liegt in dem Lehr- und Lernkonzept des Service Learning eine theoretische Fundierung des handlungsbasierten Lernens aus Erkenntnissen pädagogischer Teilbereiche. Neben dem eigentlichen Handlungsleitfaden befinden sich zum Ende des Werks ein wissenschaftlicher Diskurs über die Verortung des Service Learning aus vielseitigen Perspektiven einiger Theoretiker*innen und Praktiker*innen aus unterschiedlichen Disziplinen.
Fazit
Vor allem kann akademisches Lehrpersonal von diesem Handlungsleitfaden profitieren, um sich in die Methodik des Service Learning einzuarbeiten. Hilfreich sind dabei der logische Aufbau und die Struktur des Werkes, sowie die zahlreichen Beispiele aus der Praxis und der beigefügten Materialien zur Unterrichtsvorbereitung. Anknüpfend dazu werden strukturelle Anforderung an alle beteiligten Organisationen des Service Learning dargestellt und hilfreiche Hinweise für die Kooperationsarbeit gegeben. Positiv anzumerken ist, dass Praxisbeispiele aus Projekten mit Studierenden in diesem Buch beiliegen, welche aus der Kooperation mit der Agentur „mehrwert“ entstanden sind. Hierbei ergeben sich sowohl nähere Einblicke in die Praxis des Service Learning als auch die Perspektive auf die praktischen Erfahrungen des Service Learning aus Sicht der daran partizipierenden Studierenden.
Rezension von
Prof. Dr. sc.hum. Nina Fleischmann
Hochschule Hannover Fakultät V - Diakonie, Gesundheit und Soziales
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Zitiervorschlag
Nina Fleischmann. Rezension vom 09.02.2022 zu:
Gabriele Bartsch, Leonore Grottker: Service Learning mit Studierenden. Ein kurzer Handlungsleitfaden. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2020.
ISBN 978-3-7799-6436-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27746.php, Datum des Zugriffs 06.11.2024.
Urheberrecht
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