Anabel Cornago: Praxis Frühförderung Autismus
Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 25.02.2022

Anabel Cornago: Praxis Frühförderung Autismus, Band 4 - Handmotorik. Autismus Hamburg e.V. (Hamburg) 2021. 1 Auflage. 203 Seiten. ISBN 978-3-947616-03-9. 15,60 EUR.
Thema
Der vierte Band der Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“ befasst sich mit der Entwicklung der Handmotorik. Mit den Händen wird die Welt begriffen, das hat auch schon Maria Montessori erkannt, denn sie wusste, dass die Hände das Werkzeug der menschlichen Intelligenz sind. Im Mittelpunkt des Buches stehen Alltagsstrategien wie das Greifen und Platzieren von Gegenständen, der Umgang mit Besteck oder das Anziehen bis hin zu hochkomplexen Fertigkeiten wie dem Schreiben, für alle diese Anforderung wird feinmotorisches Können benötigt.
Autorin
Anabel Cornago lebt in Hamburg und ist Mutter eines autistischen Sohnes. Sie ist Journalistin und Autorin. Ihr Thema ist der frühkindliche Autismus. Cornago arbeitet als Referentin im deutsch- und im spanischsprachigen Raum, sie hat mehrere Bücher veröffentlich und schreibt einen Blog mit Informationen und Arbeitsmaterialien. Sie gehört neben Hermann Cordes und Prof. Dr. Röttgers zum Vorstand des Institut für Autismusforschung (IFA) in Bremen.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist im DIN A 5 Softcover Format erschienen und hat einen Umfang von 203 Seiten, die sich in acht Kapitel und zahlreiche Unterkapitel untergliedern. Die Seiten sind gut strukturiert, am oberen Rand befindet sich die jeweilige Kapitelüberschrift. Zahlreiche Zwischenüberschriften, Fotos und eingestreute Zitate gliedern den Text und lockern ihn auf. Vielfältige Symbole ergänzen die Erklärungen z.B. steht ein Schraubenschlüssel für ein Werkzeug, es gibt Infoboxen und mit einem „V“ sind Grundübungen gekennzeichnet. Es gibt es Übungen für Kinder mit und ohne Lautsprache. Unter der Rubrik „Do it yourself“ finden sich sensorische Lernspiele, dann gibt es noch orange unterlegte Textboxen-Sprechblasen, die Vorschläge zur verbalen Einleitung und Begleitung von Interaktionen enthalten. Sie sind in der Du-Form formuliert, sodass sie direkt übernommen werden können.
- Greifen und Verlagern
- Starke Hände -Aktive Finger
- Pinzettengriff verfeinern
- Selbstständig Essen und Trinken
- Stecken, Fädeln, Knöpfen, Schnüren
- Behälter öffnen und schließen
- Mit der Schere schneiden
- Grafomotorik
Nach einleitenden Erklärungen findet sich auf S. 20 und 21 eine Checkliste zur handmotorischen Entwicklung neurotypischer Kinder im Alter von 0–6 Jahre. Dieser Systematik folgend sind die einzelnen Kapitel aufgebaut.
Das erste Kapitel Greifen und Verlagern enthält Erklärungen und Übungen zum Gebrauch beider Hände. Beispielsweise wird das Öffnen und Schließen der Hände geübt, das Greifen oder das Stapeln und Bauen. Vorgestellt werden auch einfache strukturierte Tablett-Aufgaben.
Starke Hände – Aktive Finger sind Gegenstand des zweiten Kapitels. Wichtig ist es, die ganze Hand zu stärken z.B. mit Übungen zum Öffnen, Schließen oder Drücken. Als Übungsmaterialien bieten sich Kraftsäckchen oder Stempelaufgaben an. In diesem Kapitel wird auch besprochen, was zu tun ist, wenn das Kind mit Gegenständen wirft.
Im dritten Kapitel werden Übungen gezeigt, die den Pinzettengriff verfeinern. Dazu können kleine Gegenstände und Dinge sortiert oder Bändchen gezogen werden. Geübt wird auch der Gebrauch von Werkzeuge wie z.B. beim Angelspaß.
Das vierte Kapitel bespricht das selbstständige Essen und Trinken und es enthält Schritt für Schritt Anregungen zum Essen mit Besteck. Auch das Trinken und Eingießen wird spielerisch geübt.
Tätigkeiten wie das Stecken, Fädeln, Knöpfen, Schnüren bilden den Mittelpunkt des fünften Kapitels und in Kapitel sechs steht das Öffnen und Schließen von Behältern im Fokus. Die Übungen bauen Schritt für Schritt Kompetenzen auf z.B. durch Steck-und Sortierspiele, bunte Karten oder Steckpuzzle. Wie im Titel dieses Kapitels benannt wird auf vielerlei Weise gefädelt, geknöpft und geschnürt. Es wird sogar mit den Fingern genäht.
Kapitel sieben nimmt das Schneiden mit der Schere in den Blick. Vor dem Schneiden wird sich mit Papier vertraut gemachen und dann wird das Schneiden Schritt für Schritt geübt. Manche brauchen zur Unterstützung adaptierte Scheren und visuelle Markierungen. Zudem wird das Schneiden von Haaren und Nägeln angesprochen.
Um die Grafomotorik geht es im letzten Kapitel. Gezeigt werden motorische Aktivitäten, die dabei unterstützen, vom Kritzeln zum Schreiben zu kommen. Eingesetzt werden bspw. sensorische Beutel, Tabletts, magnetische Tafeln oder Schablonen, vorgestellt werden auch Stifte für den Anfang und geeignete Adaptionen. Es gibt Übungen, bei denen mit dem Stift durch ein Labyrinth oder auf einer Slalom-Strecke gefahren wird. Auf die Arbeit mit Formen folgen Arbeiten am Objekt bis hin zum Zeichnen von Personen. Auch gibt es Übungen, um zu lernen, den eigenen Namen zu schreiben.
Das Buch endet mit Informationen über den Herausgeber und die Autorin sowie die Quellen- und weiterführende Literaturangaben.
Diskussion
Anabel Cornago ist Mutter eines autistischen Sohnes und hat in der Zeit von 2019–2021 vier Bände in der Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“ veröffentlicht. Alle Bände sind im Autismus Verlag Hamburg erschienen. Zu allen drei ersten Bänden liegen Rezensionen vor. Cornago schreibt zudem einen Blog, in dem sie Informationen und Arbeitsmaterialien veröffentlicht.
- Band 1: Wahrnehmung: Strategien – Aktivitäten – Materialien (Rezension: www.socialnet.de/rezensionen/​26792.php),
- Band 2: Emotionale Kompetenz: Strategien – Aktivitäten – Materialien (Rezension: https://www.socialnet.de/rezensionen/​26793.php) und
- Band 3: Interaktion und Spiel: Strategien – Aktivitäten – Materialien (Rezension: www.socialnet.de/rezensionen/​26794.php).
Alle Bücher sind gut strukturiert, am oberen Rand befindet sich die jeweilige Kapitelüberschrift. Zahlreiche Zwischenüberschriften, Fotos und eingestreute Zitate gliedern den Text und lockern ihn auf. Vielfältige Symbole ergänzen die Erklärungen z.B. steht ein Schraubenschlüssel für ein Werkzeug, es gibt Infoboxen und mit einem „V“ sind Grundübungen gekennzeichnet. Zudem gibt es Übungen für Kinder mit und ohne Lautsprache. Unter der Rubrik „Do it yourself“ finden sich sensorische Lernspiele, dann gibt es noch orange unterlegte Textboxen mit Sprechblasen, die Vorschläge zur verbalen Einleitung und Begleitung von Interaktionen enthalten. Sie sind in der Du-Form formuliert, sodass sie direkt übernommen werden können.
Das Spielen an sich, Spiele allgemein sind unverzichtbare Mittel, um die Entwicklung von Kindern zu unterstützen, Kinder, die unter den Bedingungen von Autismus leben und lernen, sind mehr als andere Kinder auf eine gut durchdachte Ausgestaltung von Lern- und Alltagssituationen angewiesen. Situationen und Aufgaben, die sich an den Grundsätzen des ganzheitlich ausgelegten TEACCH® Ansatz orientieren zielen darauf ab, Erfolgserlebnisse zu schaffen und dabei zu unterstützen, sich als selbstständig und selbstwirksam zu erleben.
Der TEACCH® Ansatz ist als Evidenz basiertes Verfahren anerkannt: Wolff, Conty, Ludwig (Hrsg.): „TEACCH. Evidenzbasierter Ansatz in der Begleitung von Menschen mit Autismus“ im Bethel Verlag (Bielefeld) 2019 (Rezension: https://www.socialnet.de/rezensionen/​26088.php).
Basis der TEACCH® Philosophie sind Strukturierung und Visualisierung. Derartig strukturierte Aufgabenstellungen geben zudem Auskunft darüber, was, wie und wie lange zu tun ist, sie üben Routinen und gleichbleibende Abläufe und geben zugleich Feedback, wann die Aufgabe bewältigt wurde (Konzept von Fertig).
Aufgabenstellungen sind möglichst so aufgebaut, dass weitestgehend unabhängig gehandelt werden kann, in diesem Zusammenhang ist auch im Vorfeld genauestens zu überlegen, wo sich die Begleitperson aufhält und in welcher Form sie unterstützt. Aufgaben, bei denen die Kinder immer wieder der Hilfestellung oder Korrektur der Bezugsperson bedürfen, transportieren als sekundären (negativen) Lerneffekt, dass sie auf Unterstützung angewiesen sind.
Zudem haben Menschen aus dem autistischen Spektrum eine gute räumliche Merkfähigkeit, was bei den Spielen dazu führen kann, dass sie die unterstützende Bezugsperson als zur Situation gehörend abspeichern und dieses Setting (mit der Bezugsperson) dann zukünftig erwarten.
Ein zentrales Ziel der TEACCH® Philosophie ist das Erfahren von Selbstwirksamkeit. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass die Stärkung von Selbstwirksamkeit ein gutes Selbstwertgefühl fördert, das wirkt über konkrete Spielsituationen hinaus und ist Basis für andere Herausforderungen des Lebens. Deshalb ist es so wichtig, bei der Herstellung der Materialien auf diese Prinzipien zu achten.
Die Autorin weist darauf hin, dass die verwendeten Materialien zur Herstellung der Aufgaben überwiegend aus Gebrauchsmaterialien selber hergestellt werden können, es braucht keine speziell angeschafften Fördermaterialien, auch das ist die Philosophie von TEACCH®.
Leider werden im Buch nur drei Aufgaben namentlich als TEACCH-Aufgaben vorgestellt; warum das so ist, ist nicht nachzuvollziehen und aus oben genannten Gründen kritisch zu hinterfragen.
Fazit
Mittlerweile gibt es vier Bände in der Reihe „Praxis Frühförderung Autismus“. Der bisher letzte Band befasst sich mit der Entwicklung der Handmotorik, denn mit den Händen wird die Welt begriffen. Schon Maria Montessori nannte die Hände das Werkzeug der menschlichen Intelligenz. Im Mittelpunkt des Buches stehen Alltagsstrategien wie das Greifen und Platzieren von Gegenständen, der Umgang mit Besteck oder das Anziehen bis hin zu hochkomplexen Fertigkeiten wie dem Schreiben. Für alle diese Anforderungen wird feinmotorisches Können benötigt: 203 Seiten ansprechend aufbereitet und prall gefüllt mit Übungen und Anregungen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Zitiervorschlag
Petra Steinborn. Rezension vom 25.02.2022 zu:
Anabel Cornago: Praxis Frühförderung Autismus, Band 4 - Handmotorik. Autismus Hamburg e.V.
(Hamburg) 2021. 1 Auflage.
ISBN 978-3-947616-03-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27747.php, Datum des Zugriffs 29.03.2023.
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