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Carsten Homann, Malte Poppe: Schuldnerberatung für die Soziale Arbeit

Rezensiert von Prof. em. Hans-Ulrich Weth, 08.03.2023

Cover Carsten Homann, Malte Poppe: Schuldnerberatung für die Soziale Arbeit ISBN 978-3-8487-6302-3

Carsten Homann, Malte Poppe: Schuldnerberatung für die Soziale Arbeit - Grundlagen und Praxisanwendung. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2022. 327 Seiten. ISBN 978-3-8487-6302-3. 26,00 EUR.

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Thema

In Deutschland gelten aktuell schätzungsweise 6 Millionen erwachsene Menschen als überschuldet. Sie können ihren Lebensunterhalt und ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen auf Dauer bzw. auf absehbare Zeit nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen bestreiten. Gesundheitliche und psychosoziale Problematiken kommen bei vielen hinzu. Die ca. 1.400 Schuldnerberatungsstellen in gemeinnütziger oder kommunaler Trägerschaft können aufgrund begrenzter finanzieller und personeller Kapazitäten lediglich zehn Prozent der Überschuldeten bei der Bewältigung ihrer prekären Lebenslage unterstützen und begleiten. Der Beratungsbedarf ist dringend und er wächst. Vor diesem Hintergrund nimmt das Buch die Entwicklung von Schuldnerberatung in Theorie und Praxis, ihre Institutionalisierung und Professionalisierung, ihr fachliches, rechtliches und methodisches Instrumentarium explizit als Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit in den Blick.

Autoren und Entstehungshintergrund

Die beiden Autoren, der Jurist Carsten Homann und der Dipl.Sozialarbeiter Malte Poppe haben auf der Grundlage ihrer langjährigen Berufspraxis als Hochschullehrer bzw. als Schuldnerberater und ihrer gemeinsamen Lehrveranstaltungen in der Ausbildung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern das Lehrbuch als Gemeinschaftswerk erarbeitet. Sie praktizieren damit exemplarisch den Anspruch interdisziplinären Arbeitens, wie er für eine als Soziale Arbeit konzipierte Schuldnerberatung mit der Einbeziehung der einschlägigen rechtlichen Aspekte in den Beratungsprozess kennzeichnend ist. Die Verflechtung rechtlicher und sozialpädagogischer Fachlichkeit durchzieht die einzelnen Kapitel des Buches.

Aufbau und Inhalt

Das Lehrbuch ist in acht Kapitel gegliedert, denen sich ein Literatur- und Materialienverzeichnis (15 Seiten) und ein Stichwortverzeichnis anschließen.

Erstens: Nach dem einleitenden Kapitel 1, in dem Schuldnerberatung als Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit identifiziert wird und das neben einem Überblick über die Inhalte zwei Falldarstellungen einführt, widmet sich das umfangreiche Kapitel 2 (50 Seiten) den Grundlagen Sozialer Schuldnerberatung. Behandelt werden hier allgemeine und spezifische rechtliche Begrifflichkeiten, überblicksartig Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit, eingehender die Methode der multiperspektivischen Fallarbeit, individuelle und gesellschaftliche Ursachen von Ver- und Überschuldung sowie Entstehung und Grundprinzipien Sozialer Schuldnerberatung (in Abgrenzung zu gewerblicher Schuldnerberatung).

Die Kapitel 3 bis 6 orientieren sich dann an den Phasen eines idealtypischen Beratungsablaufs:

  • Anamnese/​Krisenintervention (70 Seiten)
  • soziale und rechtliche Diagnose (45 Seiten)
  • nachhaltige soziale und rechtliche Intervention (25 Seiten)
  • Evaluation (16 Seiten).

Kapitel 7 beschreibt auf 20 Seiten die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Schuldnerberatung, die zum einen im Sozialrecht (SGB II und SGB XII), zum anderen im Insolvenzrecht (§ 305 InsO) zu finden sind und durch das Rechtsdienstleistungsgesetz gesichert werden. Kapitel 8 (45 Seiten) enthält eine Sammlung von Musterarbeitsmaterialien und Aktenstücken – unter dem Aspekt praxisnaher Stoffvermittlung sehr instruktiv.

Zweitens: Der Lehrbuchcharakter wird in der Gestaltung der einzelnen Kapitel deutlich: Diese werden jeweils mit einer knappen Zusammenfassung eingeleitet. In die kapitelspezifischen inhaltlichen Ausführungen werden zahlreiche drucktechnisch als Kästchen besonders markierte kurze „Exkurse“ zu einzelnen Begriffen oder Themen eingestreut (z.B. „Wirtschaftsauskunfteien“, „Leben an der Pfändungsfreigrenze“). Abgeschlossen werden die Kapitel jeweils mit schlagwortartig kommentierten Hinweisen auf Literatur zur Einführung und weiterführende Literatur. „Diskussionsfragen“ am Ende der Kapitel 2 und 5 bis 7 ermuntern zu Reflexion und Selbstevaluation der zuvor dargestellten Inhalte. Die beiden in der Einleitung eingeführten Fälle werden in den einzelnen Kapiteln zur Veranschaulichung der jeweiligen Inhalte aufgegriffen und weitergeführt.

Drittens: Soziale Schuldnerberatung: „ein umfangreiches, komplexes und für alle Beteiligten sehr forderndes Arbeitsfeld“ (S. 17). „Erst die Stabilisierung der psychosozialen Situation des Ratsuchenden ermöglicht die Erarbeitung und Umsetzung einer nachhaltigen Entschuldungsstrategie“ (S. 227). Das Lehrbuch erschließt die für einen solchen umfassenden und ganzheitlichen Arbeitsansatz erforderlichen Wissensgrundlagen der Sozialen Arbeit und des Rechts und eröffnet Zugänge zur Entwicklung entsprechender Handlungskompetenzen. Die Spannweite der inhaltlichen Themen reicht von der Problematisierung des (beschränkten) Zugangs zur Beratung und der Notwendigkeit bzw. den Möglichkeiten der existenzsichernden Krisenintervention bis hin zur Reflexion des Beratungsabschlusses und der Evaluation des Beratungsprozesses. Die methodische Herangehensweise und Strategieentwicklung in den dazwischen liegenden Phasen und Schritten der Beratung wird ebenso praxisbezogen vermittelt wie z.B. die Grundlagen des Zwangsvollstreckungsrechts, des Schuldnerschutzes sowie des Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahrens einschließlich eines Musters eines außergerichtlichen Einigungsversuchs.

Diskussion

Der Band erfüllt den im Untertitel formulierten Anspruch „Grundlagen und Praxisanwendung“ in hohem Maße. Erschienen in der Nomos-Reihe „Kompendien der Sozialen Arbeit“ übertrifft er die Erwartungen an ein Kompendium, also ein „kurz gefasstes Lehrbuch“ (Duden) in puncto Stofffülle und -tiefe bei weitem. Ein paar kritische Hinweise schmälern seinen Wert nicht. Der Titel „Schuldnerberatung für die Soziale Arbeit“ scheint nicht gelungen, gemeint ist nach den inhaltlichen Ausführungen eher „Schuldnerberatung als Soziale Arbeit“ oder – wie im Text häufig verwendet – „Soziale Schuldnerberatung“. Die allgemeinen Ausführungen zum Recht (S. 28 – 34) und zu Theorien und Methoden der Sozialen Arbeit (S. 28 – 34) könnten etwas knapper gefasst sein. Dagegen sollte beim Thema Verschwiegenheit der SchuldnerberaterInnen (S. 55) das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren nicht verschwiegen werden.

Fazit

Das Buch bietet eine umfassende und vertiefende Darstellung des fachlichen Aufgabenspektrums, der relevanten Rechtsbereiche, des methodischen Vorgehens und der Handlungsstrategien im Arbeitsfeld der Sozialen Schuldnerberatung. Die komplexe Materie wird detailgenau, gut verständlich und didaktisch durchdacht erschlossen. Wer sich in das Arbeitsfeld einarbeiten will, kann sich mit dem Durcharbeiten des Lehrbuchs fundierte Kenntnisse und praktisches Handwerkszeug zu den rechtlichen und sozialarbeiterisch-methodischen Handlungsmöglichkeiten aneignen. Das Werk leistet einen hervorragenden Beitrag zur Qualifizierung und Professionalisierung Sozialer Schuldnerberatung. Ich wünsche ihm viele interessierte LeserInnen und NutzerInnen, die dieses spannende und gesellschaftlich wichtige Tätigkeitsfeld für sich entdecken.

Rezension von
Prof. em. Hans-Ulrich Weth
Lehrauftrag für Recht, Verwaltung, Politikwissenschaft
Arbeitsschwerpunkte in Lehre, Praxisberatung, Weiterbildung und Forschung: Sozialrecht, insbes. Sozialhilfe und Grundsicherung, Sozialverwaltungsrecht, Sozialdatenschutz, Wohnungslosenhilfe, Schuldnerberatung, Rechtsfragen alter Menschen, Arbeits-und Berufsrecht, Sozialpolitik, insbes. Armut und Unterversorgung
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Es gibt 1 Rezension von Hans-Ulrich Weth.

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ISSN 2190-9245