Jürgen Länge: Gelingende Arbeitsplatz-Akquise mit der IN-KONTAKT-Methode
Rezensiert von Kirsten Hohn, 12.03.2021

Jürgen Länge: Gelingende Arbeitsplatz-Akquise mit der IN-KONTAKT-Methode. Das Handbuch zur professionellen Vermittlung in Arbeit. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG. (Dortmund) 2020. 208 Seiten. ISBN 978-3-8080-0885-0. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 32,30 sFr.
Thema
Die Akquise von Betrieben und von betrieblichen Praktikums-, Qualifizierungs- und Arbeitsplätzen für Menschen mit einem erschwerten Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt, insbesondere für Menschen mit Behinderungen, ist ein wesentlicher Baustein der Inklusion im Arbeitsleben sowie des Konzepts der Unterstützten Beschäftigung. Mit diesem Buch hat der Autor erstmalig ein umfassendes Handbuch vorgelegt, das unterschiedliche Herangehensweisen vorschlägt, verschiedene Perspektiven berücksichtigt und Checklisten, Werkzeuge und Reflexionsmethoden beinhaltet.
Zielgruppe des Buches sind Inklusionsberater*innen, Mitarbeiter*innen von Integrationsfachdiensten, der Maßnahme „Unterstützte Beschäftigung“ und von Werkstätten für behinderte Menschen, freiberufliche Jobcoaches und Fachkräfte von Leistungserbringern und Leistungsträgern, die in der Vermittlung von Menschen mit Behinderung und erschwertem Zugang zum Arbeitsmarkt tätig sind.
Autor
Jürgen Länge ist Pädagoge, Psychologe, Kriminologe und Supervisor. Er blickt auf langjährige Berufserfahrung als Integrationsberater in der Unterstützung von Menschen mit Behinderung auf dem Weg in Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes zurück und arbeitet seit fast 25 Jahren als Berater, Trainer, Team- und Organisationsentwickler in eigener Praxis. U.a. bietet er Seminare für professionelle Arbeitsplatzakquisition und kontaktfördernde Kommunikation an.
Entstehungshintergrund
In seiner Tätigkeit als Integrationsberater in einem Integrationsfachdienst hat Jürgen Länge die Akquise von betrieblichen Qualifizierungs- und Arbeitsplätzen als besonders interessante Aufgabe für sich entdeckt. Er hat mit Hunderten von Arbeitgeber*innen gesprochen, zahlreiche Menschen mit Behinderung, betriebliche Anleiter*innen und Kolleg*innen in Betrieben unterstützt und noch mehr Erfahrungen von Teilnehmenden seiner Seminare gehört und reflektiert. Diese vielseitigen Erfahrungen bündelt der Autor in der „IN-KONTAKT-Methode“ und reflektiert sie in seinem Buch mit dem Ziel Inklusionsberater*innen, Jobcoaches, Akquisefachkräften und anderen interessierten Leser*innen ein Instrumentarium für erfolgreiches Akquirieren von Betrieben zur Verfügung zu stellen. Als wesentliche Grundhaltung und Bedingung für erfolgreiche Akquise benennt der Autor Kontakt und Beziehungsaufbau, was in der Bezeichnung seiner Methode einen Ausdruck findet.
Aufbau und Inhalt
Der Autor beginnt das Buch mit einer grundlegenden Definition von Akquise und hebt dabei zwei zentrale Ziele hervor: die Vermittlung von Klient*innen in Arbeit und den Aufbau von Kooperationen mit Betrieben. Auf beide Ziele nimmt der Autor im Laufe des Buches immer wieder Bezug und beschreibt entsprechende Handlungsschritte. Grundlegend stellt er klar, dass es nicht in erster Linie darum geht, Arbeitsplätze zu akquirieren, sondern darum, Menschen als Kooperationspartner zu gewinnen, die Arbeitsplätze zu vergeben haben.
Ausführlich widmet sich der Autor den strategischen Vorüberlegungen der Gestaltung von Kontakten zu Arbeitgeber*innen (Kapitel 3). Dazu gehört es, aktuelle Entwicklungen am Arbeitsmarkt zu kennen und sich mit der eigenen Haltung und den Aufgaben als Akquisiteur*in auseinanderzusetzen. Das bedeutet allparteilich, wertschätzend und lösungsorientiert zu handeln und sensibel für Haltungen und Bedarfe von Arbeitgeber*innen zu sein.
Vor dem Start der Akquise ist zu entscheiden, ob es darum geht für eine konkrete Person einen Qualifizierungs- oder Arbeitsplatz zu akquirieren oder einen Betrieb als Kooperationspartner zu gewinnen. Zu beidem diskutiert Jürgen Länge die strategischen Überlegungen.
Um Arbeitgeber*innen zu vermitteln, wie ein Arbeitsplatz entstehen kann, greift der Autor das Konzept der passgenauen Arbeitsplätze auf: Es geht nicht darum, bestehende Arbeitsplätze mit Bewerber*innen zu besetzen, sondern darum, für Bewerber*innen passende Arbeitsplätze zu schaffen, die „oft aus verschiedenen Teiltätigkeiten zusammengesetzt oder komplett neu geschaffen werden“ (S. 30). Jürgen Länge schlägt eine Handvoll Fragen vor, die in einem ersten Gespräch mit einer Arbeitgeberin oder einem Arbeitgeber eine Basis dafür sein können, passgenaue Arbeitsplätze zu entdecken bzw. zu entwickeln. Zudem veranschaulicht er das Konzept der passgenauen Arbeitsplätze anhand zahlreicher Beispiele aus vielen Branchen.
Im vierten Kapitel, das mit „Konkrete Vorbereitung“ überschrieben ist, geht es um Fragen, die sich Akquisiteur*innen vor dem Start der Akquise stellen können. Diese beziehen sich auf Vorinformationen zu den Betrieben, auf die Darstellung der Bewerber*innen und des eigenen Fachdienstes und der angebotenen Dienstleistung sowie auf Argumente, die in Akquisegesprächen genutzt werden können.
Für die Vorbereitung auf die Darstellung der Bewerberin/des Bewerbers stellt der Autor die Technik des Reframings vor und veranschaulicht sie an verschiedenen Beispielen, die zunächst der Reflexion des eigenen professionellen Blickwinkels und dem besseren Verständnis der Klientin/des Klienten dienen. Steht ein problematisches Verhalten im Fokus, dann schlägt Jürgen Länge z.B. diese Fragen vor: „Welchen Grund gibt es für dieses Verhalten? Welche Fähigkeiten stecken in diesem Verhalten? Und in welchem Kontext, in welchem Rahmen wäre das denn eine Ressource?“ (S. 44)
Aus Sicht des Autors ist es in der Vorbereitung von Akquisegesprächen besonders bedeutsam, sich mit den Argumenten zu beschäftigen, die im Gespräch mit Arbeitgeber*innen Antworten auf deren Fragen geben können. Diese fasst Jürgen Länge in einem Argumentationskoffer zusammen, in dem sechs Nutzenebenen unterschieden werden (bspw. der finanzielle Nutzen oder der betriebsinterne Nutzen). Hierbei trägt der Autor jeweils Argumente für den Nutzen, den eine*e Arbeitgeber*in durch eine*n Bewerber*in bzw. durch die Dienstleistung des Fachdienstes haben kann. Er empfiehlt, den Argumentationskoffer in der Vorbereitung auf ein Akquisegespräch noch einmal zu überfliegen und eine Idee zu entwickeln, welche Nutzen im speziellen Betrieb relevant sein könnten.
Der Autor stellt unterschiedliche Möglichkeiten für den Erstkontakt in Kapitel 5 vor. Dazu bietet er einen umfangreichen Ideenpool an, der sowohl auf eigenen Erfahrungen beruht als auch auf von Seminarteilnehmenden der Workshops von Jürgen Länge, die hier zu Wort kommen. Die Vielzahl der Tipps soll Lesende anregen, ihre eigenen Wege zu finden und auszuprobieren, was zu ihnen passt.
Die letzten Vorbereitungen auf die Akquise, die Jürgen Länge beschreibt, beziehen sich in Kapitel 6 auf die Art und Weise des Erstkontakts. Vor- und Nachteile des Schreibens, Telefonierens und unangemeldeten Betriebsbesuchs als Formen der Kaltakquise werden beschrieben – und auch hier steht am Ende die Frage der/des Lesenden: Welche Form passt zu mir? In welcher kann ich authentisch sein? Welche möchte ich mal ausprobieren?
Für den telefonischen Erstkontakt beschreibt der Autor erfolgreiche Techniken (Kapitel 7) – bspw. Methoden, mit denen man sich selbst in eine gute Telefonierstimmung bringen kann und Fragen zum Gesprächseinstieg. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem ersten Moment eines Telefongespräches, tatsächlich der ersten Sekunde. Dass wichtig ist, was dort passiert und atmosphärisch entsteht, begründet der Autor mit der Feststellung, dass es „keine zweite Chance für den ersten Eindruck“ gibt.
Das persönliche Gespräch ist eine andere Form der Akquise (Kapitel 8) – als Kaltakquise im unangemeldeten Betriebsbesuch, als telefonisch verabredeter Gesprächstermin oder als Warm-Akquise bzw. Folge-Gespräch. Auch hierzu beschreibt der Autor vielfältige Gesprächstechniken und Reflexionsimpulse. Stärker noch als bei der Telefonakquise wird hier die zentrale Botschaft der IN-KONTAKT-Methode spürbar: „Kontakt kommt vor Inhalt. Die besten Argumente nutzen nichts, wenn Gesprächspartner sie nicht hören möchten“ (S. 100).
Mit Tipps zur Gesprächstechnik geht es im neunten Kapitel, das die Überschrift „Kontaktfördernd kommunizieren“ trägt, weiter. Es geht um das Kommunizieren mit Arbeitgeber*innen, also um das praktische Tun und Anwenden. Sprechtipps werden dabei ebenso behandelt wie Sprachtipps – also z.B. Ideen gegen das Nuscheln ebenso wie Vorschläge zum Nutzen von Indikativen, Adjektiven und dem Vermeiden von Verneinungen und Abers. Fragetechniken werden vorgeschlagen und auf ihren Sinn und ihre Folgen hin reflektiert.
Fragen spielen auch im Umgang mit Einwänden eine zentrale Rolle (Kapitel 10). Geht es einerseits darum, eine akzeptierende bis wertschätzende Haltung gegenüber Einwänden zu üben, so sind es andererseits aktive Fragen, mit denen Einwänden von Arbeitgeber*innen begegnet werden kann. Zehn Fragevorschläge auf zehn potenzielle Einwände stellt der Autor beispielhaft vor.
Im späteren Verlauf des Akquiseprozesses geht es um die Frage der Einstellung einer Bewerberin/​eines Bewerbers bzw. des Eingehens einer Kooperation, je nachdem, was zu Beginn als Akquiseziel formuliert wurde (s.o.). Dies durch Verhandeln zu erreichen, ist Thema des elften Kapitels. Das Modell der Bedürfnispyramide von Maslow nutzend erklärt Länge die Möglichkeiten und Notwendigkeiten, wie Akquisiteur*innen den Individualbedürfnissen von Arbeitgeber*innen mit Wertschätzung, Anerkennung und Transparenz begegnen können. Eine solche Haltung erfährt der Autor als hilfreiche Voraussetzung um mit dem/der Gesprächspartner*in gemeinsam eine Lösung zu finden und zu erarbeiten.
In Anlehnung an Paul Watzlawicks bekannten Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren“, führt Jürgen Länge aus, welche Bedeutung die verschiedenen Aspekte von Körpersprache (Mimik, Gestik, Bewegungsdynamik, Bodenkontakt u.a.) haben und gibt Tipps, wie Gespräche gesteuert und Kommunikation verbessert werden. Die eigene Körperwahrnehmung und die Wahrnehmung der Körpersprache des Gegenübers spielen dafür eine wichtige Rolle. Hierfür schlägt der Autor konkrete Übungen, u.a. aus dem NLP zur Herstellung des Rapports, zu Pacing und Leading vor.
Im abschließenden Kapitel geht der Autor auf die Nachbereitung von Akquisegesprächen ein und gibt letzte Tipps für die Gestaltung und Pflege der Kontakte zu den Betrieben.
Die im Hauptteil des Buches beschriebenen Instrumente, Techniken und Tipps werden im Anhang durch 11 Checklisten ergänzt. Diese können entweder direkt als Hilfsmittel für den Akquisealltag genutzt werden oder an die eigene Arbeitsweise und geplante Akquiseschritte angepasst werden.
Diskussion
Das Buch ist kurzweilig durchzulesen, wobei auch die einzelnen Kapitel für sich verständlich sind. Es zeichnet sich durch einen durchgehend hohen Praxisbezug und eine konsequent personenzentrierte, wertschätzende und allparteiliche Haltung aus. Spürbar ist, dass der Autor selbst mit dieser Haltung Arbeitgeber*innen, Klient*innen und Seminarteilnehmenden begegnet. Haltung, Strategie und Handwerkszeug sind die Ebenen, auf denen er Ideen zur Akquise vorstellt und reflektiert.
Inklusionsfachkräfte, zu deren Aufgabengebiet die Akquise gehört, finden in diesem Buch eine Schatzkiste voller Ideen, Techniken, Methoden und Hilfsmittel. Der Autor illustriert sie mit zahlreichen Beispielen. Diese gehen sowohl auf eigene Akquiseerfahrungen zurück als auch auf viele Erfahrungen von Teilnehmenden aus den Seminaren von Jürgen Länge. Er lässt vielfach Seminarteilnehmende zu Wort kommen. Dies macht es auch für Akquiseunerfahrene vorstellbarer, sich an die Akquise heranzutrauen.
Das Buch macht Lust auf Akquise, senkt Hemmungen in Kontakt zu Arbeitgeber*innen zu treten und regt an, mögliche Wege auszuprobieren und sich selbst in seinem professionellen Handeln weiterzuentwickeln. Das Buch lebt von der Praxis und ist für die Praxis geschrieben. Insbesondere die Kunst des Perspektivwechsels in der Beratung von Arbeitgeber*innen wird erlebbar und durch zahlreiche Techniken und Methoden in den verschiedenen Phasen des Akquiseprozesses anschaulich und praxisnah beschrieben.
Die direkte Ansprache, mit der sich der Autor an die Lesenden wendet, fordert zum Handeln und zur Umsetzung auf. Der Autor beschreibt keine Regeln, Wahrheiten oder objektiv sinnvollen Schritte, sondern er eröffnet unterschiedliche Möglichkeiten und überlässt es den Lesenden, seine Tipps und Vorschläge aufzugreifen, umzusetzen, zu modifizieren, zu verwerfen oder zu nutzen, um ihre eigene Akquisepraxis zu reflektieren.
Bedauerlicherweise ist das Buch in konsequent männlicher Form geschrieben. Es fällt beim Lesen deshalb schwer, sich in den zahlreichen Beispielen Arbeitgeberinnen und Bewerberinnen vorzustellen. Nicht zuletzt um eine Offenheit in der Akquise für Arbeitgeberinnen bzw. für Betriebe, die von Frauen geführt sind, zu erreichen, wäre ein sprachlicher Einbezug von Frauen dringend notwendig.
Fazit
Jürgen Länge hat hier ein grundlegendes und ausgesprochen praxisnahes Handbuch zur Akquisition von Qualifizierungs- und Arbeitsplätzen und zum Aufbau tragfähiger Kooperationen mit Betrieben verfasst. Inklusionsberater*innen, Jobcoaches und weitere Fachkräfte, die in der Vermittlung von Menschen mit Behinderung oder anderen Benachteiligungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sind, finden hier einen gut gefüllten und hochwertigen Handwerkskoffer mit zahlreichen Techniken, Methoden und Reflexionsangeboten, der sowohl für Erfahrene als auch für Neulinge auf dem Gebiet der Akquise hilfreich sein wird.
Rezension von
Kirsten Hohn
Dipl.-Soziologin und systemische Beraterin, Weiterbildungskoordinatorin und Referentin bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung e.V.
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Es gibt 1 Rezension von Kirsten Hohn.
Zitiervorschlag
Kirsten Hohn. Rezension vom 12.03.2021 zu:
Jürgen Länge: Gelingende Arbeitsplatz-Akquise mit der IN-KONTAKT-Methode. Das Handbuch zur professionellen Vermittlung in Arbeit. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG.
(Dortmund) 2020.
ISBN 978-3-8080-0885-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27812.php, Datum des Zugriffs 07.06.2023.
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