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Michael Becker, Johannes Schmidt u.a.: Politische Philosophie

Rezensiert von Dr. Harald Schmidt, 14.05.2021

Cover Michael Becker, Johannes Schmidt u.a.: Politische Philosophie ISBN 978-3-8252-5509-1

Michael Becker, Johannes Schmidt, Reinhard Zintl: Politische Philosophie. UTB (Stuttgart) 2020. 5. aktual. Auflage. 370 Seiten. ISBN 978-3-8252-5509-1. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 32,50 sFr.
Reihe: Grundkurs Politikwissenschaft.

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Thema

Der besprochene Band macht es sich zur Aufgabe „in zentrale Themen und Texte der Politischen Philosophie einzuführen“. Die Verfasser möchten nach eigener Aussage „die Leserinnen und Leser vertraut machen mit den oft schwierigen Texten von Platon bis Rawls und sie zur eigenständigen Lektüre zentraler Werke der Politischen Philosophie befähigen.“ (Aus dem Klappentext)

Die Autoren

Michael Becker wurde nach mehr als einem Jahrzehnt als Lehrkraft für besondere Aufgaben mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Würzburg 2019 dort zum außerplanmäßigen Professor ernannt.

Seine beiden Co-Autoren Johannes Schmidt und Reinhard Zintl haben über Jahrzehnte ebenfalls im fränkischen Raum – am Lehrstuhl für Politische Theorie der Universität Bamberg – gelehrt und geforscht. Der Erstgenannte wurde dort 2019 als akademischer Direktor in den Ruhestand verabschiedet, der Zweitgenannte trat dort bereits 2010 als Inhaber des Lehrstuhls in den Ruhestand.

Entstehungshintergrund

Der Band „Politische Philosophie“ erschien 2006 in erster Auflage als Teil einer auf sieben Bände angelegten Reihe unter dem Titel „Grundkurs Politikwissenschaft“ und richtet sich an Studierende der Politikwissenschaft und benachbarter Fächer im BA- bzw. Grundstudium. 2021 erschien die 5. Auflage.

Aufbau

Der Band umfasst 370 Seiten. Dem Vorwort der Reihenherausgeber (Hans-Joachim Lauth und Ruth Zimmerling) – unverändert seit April 2006 - folgt ein ebenfalls nicht ergänztes Vorwort der Autoren aus dem Mai 2006. Der Einleitung (Michael Becker) schließen sich sieben inhaltliche Kapitel zu zentralen Aspekten der Politischen Philosophie mit jeweils eigenen Literaturhinweisen an. Den Abschluss bildet ein Sachregister. Ein Personenregister fehlt.

Inhalt

I Einleitung: Michael Becker verortet auf zwölf Seiten (S. 17–28) zunächst die Politische Philosophie im Gebäude der Philosophie und im Kanon der Politikwissenschaft, erläutert hiernach die Auswahl der Themen für den vorliegenden Band und gibt schließlich einen gerafften Überblick über die folgenden thematischen Kapitel.

II Gesellschaftsvertrag und Staat: Im zweiten Teil (S. 29–76) präsentieren Johannes Schmidt und Reinhard Zintl anhand der klassischen Autoren Thomas Hobbes, John Locke und Jean-Jacques Rousseau die wirkmächtigste Konstruktion der modernen politischen Philosophie. Der Gesellschaftsvertrag bereitet in den drei maßgeblichen Theorien den Boden des Absolutismus, einer liberalen Herrschaftsordnung oder aber der Republik.

III Sittlichkeit und Staat: Im dritten Teil (S. 77–126) spannt Michael Becker einen Bogen von Platon zu Hannah Arendt bzw. von Georg Wilhelm Friedrich Hegel zu Charles Taylor, um einerseits danach zu fragen, welche Eigenschaften oder Fähigkeiten es bedarf, sodass Menschen gute Herrscher bzw. andererseits gemeinschafts- oder politiktauglich sein oder werden können.

IV Freiheit: Der vierte Teil zum Freiheitsbegriff von Reinhard Zintl (S. 127–163) befasst sich mit den Einlassungen Immanuel Kants und John Stuart Mills, um dann die Freiheitsvorstellungen Friedrich August von Hayeks mit denen von Karl Marx gegenüber zu stellen.

V Gerechtigkeit: Johannes Schmidt nimmt sich im fünften und umfangreichsten Teil (S. 165–256) eines besonders schillernden Aspektes der politischen Philosophie an. Die Gerechtigkeit wird anhand der Schriften von Platon und Aristoteles sowie Hume und schließlich Rawls angegangen.

VI Demokratie und politische Legitimität: Der sechste Teil (S. 257–306) wird von Michael Becker verantwortet und gliedert sich in drei Unterabteilungen. In der ersten wird das aristotelische Demokratieverständnis eingehend vorgestellt. Danach erfährt die deutlich „engere“ Auffassung Rousseaus eine Würdigung, bevor zum Schluss die modernen Varianten von Habermas und Rawls kontrastiert werden.

VII Gewaltenteilung: Reinhard Zintl nimmt sich im siebten Teil (S. 307–340) mit der Gewaltenteilung einen weiteren Zentralbegriff der politischen Philosophie vor. Über die klassischen Autoren Aristoteles und Polybios sowie den unumgänglichen Montesquieu und Abbé Sieyes gelangt man zu den Federalists. Diese Darstellung wird komplettiert durch die Kritik von Bagehot und Hayek im Schlussteil des Kapitels.

VIII Politische Philosophie und internationale Beziehungen: Im umfänglich knappsten (S. 341–366) und letzten Teil widmet sich Michael Becker den Arbeiten von Immanuel Kant „Zum ewigen Frieden“ sowie John Rawls’ „Recht der Völker“. Zentral beleuchtet wird die Frage „nach dem Frieden zwischen Staaten“ (S. 341), welche – so die Meinung der Autoren – erst bei Kant zum ersten Mal gestellt und beantwortet werde. Die Namen der großen Denker des Mittelalters und der Spätscholastiker (Augustinus, Thomas, de Vitoria, Las Casas) sowie Grotuis’ und Pufendorfs fallen zwar in der Einleitung, Ihre Arbeiten finden jedoch keine weitere Berücksichtigung in der Befassung mit den internationalen Beziehungen.

Diskussion

Zweifelsohne handelt es sich um eine mehr als nur anspruchsvolle Aufgabe, die politische Philosophie in „mundgerechter“ Art aufzubereiten, wie es die Reihenherausgeber ankündigen. „Unser Ziel ist es, Studierenden der Politikwissenschaft/​Sozialkunde Bücher zur Verfügung zu stellen, die sowohl inhaltlich anspruchsvoll als auch didaktisch aufbereitet sind, um die Bewältigung des Stoffs zu erleichtern“ (S. 11). Nimmt man diese Aussage zur Messlatte, dann kann in Bezug auf den vorliegenden Band zweifellos konstatiert werden, dass er dem ersten Anspruch voll genügt. Die einzelnen Artikel bzw. Teile bestechen durch eine nachvollziehbare Auswahl der beleuchteten Aspekte, vorgestellten Theorien und Autoren. Es wird lediglich eine weibliche Stimme zitiert, die von Hannah Arendt. In der Einleitung (S. 21f) wird begründet, warum man darauf verzichtet, feministischen Ansätzen ein eigenes Kapitel zu widmen. Ebenso wird begründet, warum Postmodernismus und Dekonstruktivismus in dem Band keine Rolle spielen (S. 23f). Die oben umrissenen, im Band behandelten Themen werden profund dargestellt und in dichten Texten präsentiert.

Was die Aufbereitung der Texte angeht, so drängen sich Fragen auf. Der Verzicht auf die Anpassung der Rechtschreibung ist ebenso formaler Natur wie die uneinheitliche Zitationsweise und das teilweise völlige Auslassen von Belegen. Mal werden Zitate in Kästen exakt in einer Fußnote (S. 116) andernfalls im Kasten selbst (S. 265) belegt, mal werden sie lediglich einem Autor zugeordnet (S. 307). Gerade für einen Band, der sich an BA-Studierende richtet, könnte eine Vorbildfunktion bei der Sorgfalt im wissenschaftlichen Apparat angebracht sein. Die Uneinheitlichkeit der einzelnen Kapitel setzt sich fort im Einsatz von formalen Hilfen wie der Außenspalte, welche mal mit Schlagworten versehen und mal ignoriert wird. Die meisten Kapitel enden mit einer Zusammenfassung; mal fehlt sie aber auch wie beispielsweise bei der Gerechtigkeit. Einem einführenden Lehrwerk als Bestandteil einer Reihe stünde ein wenig mehr Einheitlichkeit gut zu Gesicht. Und in der nunmehr fünften und aktualisierten Auflage hätte die Möglichkeit zu einer Angleichung bestanden, wenn sie gewollt wäre. Dass wenig Bedarf für Modernisierung erkannt wurde, zeigt sich auch an den seit 2006 unveränderten und nicht ergänzten Vorworten.

Fazit

Politische Theorie lässt sich nicht ausschließlich mit Schaubildern, simplen Sätzen und ein paar Schlagworten darstellen. Diese Materie verlangt von Studierenden Interesse, Aufgeschlossenheit und Lust auf „Textwüsten“, welche der mitdenkenden Leserin und dem mitdenken Leser die Chance auf Zugang zu Gedanken-Oasen ermöglichen. Neben einigen Schaubildern und gelungenen Zusammenfassungen präsentiert der Band solche „Textwüsten“ mit der Chance auf Erkenntnisgewinn. Er ist grundsolide, nicht ganz einfach zugänglich, aber ausreichend gut geeignet, um sich die weiten Felder der politischen Theorie auf einer sicheren Grundlage zu erschließen.

Rezension von
Dr. Harald Schmidt
M.A.
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Es gibt 10 Rezensionen von Harald Schmidt.

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Zitiervorschlag
Harald Schmidt. Rezension vom 14.05.2021 zu: Michael Becker, Johannes Schmidt, Reinhard Zintl: Politische Philosophie. UTB (Stuttgart) 2020. 5. aktual. Auflage. ISBN 978-3-8252-5509-1. Reihe: Grundkurs Politikwissenschaft. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27817.php, Datum des Zugriffs 31.05.2023.


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