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Dima Zito, Ernest Martin: Selbstfürsorge und Schutz vor eigenen Belastungen

Rezensiert von Christoph Nette, 18.05.2021

Cover Dima Zito, Ernest Martin: Selbstfürsorge und Schutz vor eigenen Belastungen ISBN 978-3-7799-3169-0

Dima Zito, Ernest Martin: Selbstfürsorge und Schutz vor eigenen Belastungen für Soziale Berufe. Mit Online-Materialien. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. 124 Seiten. ISBN 978-3-7799-3169-0.
Reihe: Edition sozial.

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Thema

Dima Zito und Ernest Martin legen mit diesem Buch das Ergebnis ihrer langjährigen praktischen Tätigkeit in den Feldern Beratung, Supervision, Begleitung und Therapie vor. Dieses Praxisbuch beleuchtet die Ursachen der großen Alltagsbelastungen der Fachkräfte in Sozialen Berufen und benennt konkrete Möglichkeiten zur Reduzierung von Belastungen und Schritten zu mehr Selbstfürsorge.

AutorInnen

Dr. phil. Dima Zito ist Diplom- Sozialpädagogin, Psychoanalytisch-Systemische Supervisorin, Therapeutin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. Seit 2003 ist sie als Traumatherapeutin im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf tätig. Außerdem ist sie in Forschung und Lehre, sowie als Supervisorin tätig. Ihre Arbeits- und Veröffentlichungsschwerpunkte sind Trauma und Flucht.

Ernest Martin ist Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Berater und Fachberater für Psychotraumatologie. Seit 2012 hat er eine eigene Praxis für Psychotherapie, Paarberatung und Köperarbeit in Hückeswagen. Darüber hinaus ist er als Supervisor tätig und bietet Fortbildungen in psychosozialen und pädagogischen Arbeitsfeldern an.

2016 ist im Verlag Beltz Juventa ihr gemeinsames Buch, Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen. Ein Leitfaden für Fachkräfte und Ehrenamtliche, erschienen.

Aufbau

Dima Zito und Ernest Martin gehen in vier Kapiteln ihrem Anliegen nach, Hilfestellung dabei zu geben, wie es gelingen kann im persönlichen Alltag mehr Selbstfürsorge zu etablieren.

Nach einem kurzen Vorwort von Luise Reddemann und einer Einleitung wird zunächst eine Bestandsaufnahme vorgeschlagen, die es den LeserInnen ermöglichen soll, sich in die konkrete, mehr oder weniger belastende, Situation von Arbeit und Alltag einzufinden. Anschließend folgt ein Kapitel über das Zueinander von Selbstfürsorge und Emotionen. Das dritte Kapitel stellt den Hauptteil des Buches dar und enthält Reflexionsübungen, Anregungen, Methoden und Informationen, wie man als InhaberIn eines Sozialen Berufs im Arbeitsalltag mehr Selbstfürsorge schaffen kann. Abgeschlossen wird das Buch mit einem kurzen Ausblick.

Inhalt

Das Anliegen der AutorInnen wird im Einleitungskapitel folgendermaßen formuliert: „Wir möchten damit [mit diesem Buch C. N.] Hilfestellung geben, wie man in seinem ganz persönlichen Alltag eine verbesserte Selbstfürsorge installieren kann.“ (S. 12) Neben diesem Motiv werden am Beginn des Buches von Dima Zito und Ernest Martin verschiedene Feststellungen getätigt, die für das weitere Verständnis wichtig sind und sich als Ausgangsbeschreibung für die LeserInnen begreifen. Das Buch ist geschrieben in Zeiten, in denen unsere Gesellschaft und besonders auch das System der Sozialfürsorge vielfach herausgefordert ist. Es ist geschrieben für die Menschen, die in Sozialen Berufen arbeiten, und sich damit durch die Sorge um andere, nicht nur um sich selbst, auszeichnen. Wichtig ist den AutorInnen auch der Hinweis, dass es sich nicht um ein wissenschaftliches Werk handelt, sondern um ein Buch, dass aus der Praxis für die Praxis entstanden ist. So soll es als Essenz dessen verstanden werden, was die AutorInnen in ihren Seminaren lehren und anbieten und zudem auch persönlich als hilfreich erfahren.

Als Erstes steht dann auch eine Einladung an die LeserInnen sich über zentrale Antriebskräfte und Visionen des eigenen Berufes, den bereits zurückgelegten beruflichen Weg und die aktuelle Situation klar zu werden. Dies geschieht durch Vergegenwärtigung i. S. einer meditativen Reise in die Vergangenheit mit kurzen Anleitungen und durch die Visualisierung eines typischen Tages mithilfe eines Tortendiagramms, sowie einer Reflexion der letzten zwei Wochen des eigenen Lebens.

Das erste größere Kapitel beschäftigt sich dann mit dem Zueinander von Selbstfürsorge und Emotionen. Dazu wird zunächst eine globale Dysbalance konstatiert, die „unbestreitbar“ (S. 21) sei. Vor allem das „Ungleichgewicht von Aktivität und Passivität“ (ebd.) wollen die AutorInnen auf den kommenden Seiten beleuchten. Es folgt eine Kritik an Technologisierung und Digitalisierung der Gesellschaft und der Arbeitswelt mit dem Fokus auf die Frage, inwiefern Emotionen und körperliche Vergewisserung des Gefühlten und Gespürten in der aktuellen schnelllebigen und eng getakten Zeit überhaupt (noch) möglich sind.

Darauf folgt eine Beschreibung von Stress als Disstress und die möglichen körperlichen Auswirkungen solcher dauerhaften Stresssituationen: Tinnitus, Magengeschwür (bis hin zum „lebensbedrohlichen Magendurchbruch“ (S. 25) und Burn-Out-Syndrom werden als Beispiele erwähnt bzw. beschrieben.

Warum ist Selbstfürsorge für Menschen in Sozialen Berufen so wichtig? Dieser Frage widmet sich ein eigener Abschnitt. Hier wird erklärt, wie die vielen belastenden Situationen der KlientInnen, sich in der professionellen mitfühlenden Begegnung als konkrete Belastung bei den InhaberInnen Sozialer Berufe zeigen. Eine besondere Belastung entsteht durch die Arbeit mit traumatisierten Menschen, die unter Umständen zu einer Sekundärtraumatisierung führen kann.

Die Wichtigkeit der Sensibilisierung für die eigene emotionale Lage wird im folgenden Abschnitt erläutert. Hierzu wird zunächst auf den angemessenen Umgang mit Emotionen eingegangen und inwiefern ein biografischer Zusammenhang zu diesem Umgang besteht. Mithilfe einer Anleitung werden die LeserInnen anschließend dazu eingeladen den beschriebenen angemessenen Umgang durch das Bewusstmachen biografischer Emotionen selbst auszuprobieren und nicht nur den Schilderungen im Buch zu glauben.

Kurze Erwähnung finden, vor einer abschließenden Zusammenfassung zum Umgang mit Emotionen, zum einen ein Tipp, wie man mit aktuellen negativen Emotionen umgeht (Situation verändern, verlassen oder akzeptieren) und zum anderen ein Abschnitt über die Tatsache, dass Menschen die gleichen Situationen unterschiedlich wahrnehmen und sich ihre Realität konstruieren (erst sich dies bewusst zu machen, führe zu Lebenszufriedenheit).

Das folgende dritte Kapitel – „Selbstfürsorge – eine Choreografie durch den Arbeitsalltag“ (S. 44) – stellt den Kern des Buches dar und ist in neun Schritte unterteilt. In den ersten acht werden den LeserInnen Gedanken, Anregungen, Übungen und Informationen vorgeschlagen, um für Selbstfürsorge im Arbeitsalltag zu sorgen.

Dieses Kapitel orientiert sich an einem Arbeitstag und gibt so die Möglichkeit konkret und sehr nachvollziehbar auf den eigenen Arbeitsalltag zu schauen. Jeder dieser Abschnitte wird mit Reflexionsfragen begonnen – nach denen im Buch auch Platz für eigene Notizen ist. Anschließend werden mögliche Herausforderungen und Gefahren für eine gelungene Selbstfürsorge dieses Tagesabschnitts beschrieben. Die Abschnitte des Arbeitstages, die beleuchtet werden, sind: der Start des Tages, der Start der Arbeit nach Ankunft an der Arbeitsstelle, Grundlagen und Struktur der Arbeit(sstelle), Selbstschutz in der Begegnung mit Klientinnen und Klienten, Unterstützung im Kontext der Arbeit im Team, Organisation des Tagesverlaufs, Gestaltung des Arbeitsendes und des Feierabends und die Möglichkeiten des Auftankens und Entspannens nach Feierabend.

Diese konkrete Selbstfürsorge-Kapitel wird mit dem Abschnitt „Die eigenen Wunden heilen“ (S. 118) abgeschlossen. Dieser kurz gehaltene Punkt ist losgelöst aus dem vorherigen imaginierten Tagesablauf, betrifft er doch ein weitreichendes Thema: den Umgang mit persönlichen biografischen Belastungen, die durch die berufliche Tätigkeit immer wieder auftauchen.

Das 4. Kapitel schließt mit der Frage „Wo geht es hin?“ (S. 120) und rahmt so, zusammen mit der einleitenden Bestandsaufnahme, das Buch mithilfe einer abschließenden Vision. Gleichzeitig wird den LeserInnen ans Herz gelegt, den ersten Schritt zur Selbstfürsorge zu gehen und die gerade gelesenen Inhalte nach ihrer Nützlichkeit auf einer Skala von 1 bis 5 (1 = sehr nützlich und wird sofort in die Tat umgesetzt; 5 = dieser Inhalt wird als falsch, schlecht und ärgerlich empfunden) zu bewerten und nur die Dinge zu beherzigen die mit 1 oder 2 bewertet wurden.

Die Online-Materialien, die der Verlag auf seiner Website bereitstellt, sind drei Meditationen bzw. Imaginationsübungen aus dem Buch, die von den AutorInnen eingelesen wurden.

Diskussion

Die große Stärke dieses Buches findet sich in seinem Hauptkapitel. Die Idee, anhand eines typischen (Arbeits-)tages zu veranschaulichen, wie Selbstfürsorge konkret funktionieren kann ist naheliegend und sehr zugänglich. Die vorgestellten Übungen und Anregungen sind einladend formuliert und so vielgestaltig, dass man für sich eine passende Auswahl treffen kann. Gleichzeitig sind sie so kurz und erscheinen so kurzweilig, dass ein Ausprobieren durchaus möglich ist. Die Informationen, etwa zum Arbeitszeitgesetz, zur Rolle des Betriebsrats oder zu Möglichkeiten von Supervision und kollegialer Beratung, sind klar beschrieben und geben einen guten Einblick in den Gegenstand. Sie sind dabei dergestalt, dass die LeserInnen schnell entscheiden können, ob dieses spezielle Thema für sie von Interesse ist und sie sich ggf. selbstständig weiter informieren wollen.

Ähnliches gilt für die Einleitung und den Ausblick des Buches. Hier mit einer kurzen Rekapitulation dessen zu beginnen, wie man als InhaberIn eines Sozialen Berufes die eigene Berufslaufbahn begonnen hat und welche Vorstellungen, Werte und Ideale diesen Start begleitet und inwiefern sie sich über die Zeit geändert haben ist gelungen und gibt die Ausrichtung des Buches als praxis- und praktikerInnennah unverkennbar vor. Abschließend mit einer Vision über die nächsten Schritte auf dem Weg zu mehr Selbstfürsorge zu enden ist folgerichtig und rahmt das Buch auf angenehme Art und Weise. Die damit zusammenhängende Einladung, die gelesenen Inhalte nach Nützlichkeit zu sortieren und ggf. zu verwerfen, ist natürlich etwas künstlich (Macht man das nicht immer?), aber auch charmant.

Das 2. Kapitel, „Selbstfürsorge und Emotionen“ (S. 21), bleibt dem Rezensenten hinsichtlich seines Anliegens und seiner Struktur dagegen vollkommen verschlossen. Zunächst wirkt es, als wollten die AutorInnen hier die theoretische Basis für die weiterführenden Gedanken, Übungen und Anregungen legen. Gleichzeitig wird aber, wie ja bereits in der Einleitung angekündigt, das wenigste mit Quellen belegt. Viel mehr bleibt der Eindruck, dass man seine persönlichen Gesichtspunkte darstellt und in sehr kurzen Abschnitten hochkomplexe Themenfelder aufmacht, ohne sie angemessen zu beleuchten. So wird vieles konstatiert und dann entweder als „unbestreitbar“ (S. 21), als „allgemein bekannt“ (S. 24) oder schon im Volksmund zu finden (vgl. ebd.) ‚belegt‘. Diese Unbedarftheit ist aufgrund zweier Dinge ärgerlich. Zum einen steckt sicherlich viel Wahrheit im Geschriebenen, es wäre also einfach zu belegen. Zum anderen überschreitet man teilweise seine Kompetenzen und macht sich dadurch unnötig unglaubwürdig.

Das es auch anders geht, zeigt der informative Abschnitt, warum Selbstfürsorge für Menschen in Sozialen Berufen so wichtig ist. Hier können die AutorInnen auf ihre Vorarbeit, Publikationen und andere Quellen verweisen. Warum nicht öfter so?

Handwerklich ist anzumerken, dass die wenigen Quellen und direkten Zitate nicht einheitlich belegt sind und mindestens ein zitierter Autor nicht in der Literaturliste erscheint. Außerdem endet der Abschnitt 2.7 auf S. 37 mitten im Satz.

Fazit

Dima Zito und Ernest Martin regen die InhaberInnen Sozialer Berufe in ihrem Buch zur Auseinandersetzung mit der eigenen Selbstfürsorge an. Dies geschieht gekonnt über die Anknüpfungspunkte der persönlichen (Arbeits-)Tage der LeserInnen. Die beschriebenen Übungen, Meditationen und Informationen zu den Selbstfürsorgestrategien sind vielfältig, wirken kurzweilig und bieten gute Möglichkeiten die notwendige Fürsorge für die eigene Person anzuwenden.

Rezension von
Christoph Nette
Dipl. Theol., M.A. Fachreferent für Grundsatzfragen im Erzbischöflichen Jugendamt der Erzdiözese München und Freising
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Zitiervorschlag
Christoph Nette. Rezension vom 18.05.2021 zu: Dima Zito, Ernest Martin: Selbstfürsorge und Schutz vor eigenen Belastungen für Soziale Berufe. Mit Online-Materialien. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2021. ISBN 978-3-7799-3169-0. Reihe: Edition sozial. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27827.php, Datum des Zugriffs 08.11.2024.


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