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Carsten Bangert: Was gute Lehrerinnen und Lehrer ausmacht

Rezensiert von Beate Sonsino, 12.03.2021

Cover Carsten Bangert: Was gute Lehrerinnen und Lehrer ausmacht ISBN 978-3-407-63214-2

Carsten Bangert: Was gute Lehrerinnen und Lehrer ausmacht. Und was wir von ihnen lernen können. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2020. 192 Seiten. ISBN 978-3-407-63214-2.

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Thema und Entstehungsgrund

Carsten Bangert ist durch viele Unterrichtsbesuche, Prüfungslehrproben und persönliche Begegnungen mit unzähligen Kolleg*innen geprägt von der Überzeugung, „dass die Menschen in der Schule den Unterschied machen“ (S. 9). Wirksame Lehrer*innen erlebte er immer wieder als zufriedener und gesünder als die Übrigen. Ihr Unterricht ist von seiner Prozess- und Ergebnisqualität her besonders wirksam. Die Schüler*innen arbeiten gerne mit diesen Lehrer*innen und erleben sich als erfolgreich. Von diesem Typus Lehrer*in kann der Autor und der/die Leser*in lernen. Carsten Bangert geht der Frage nach, wie besonders wirksame Lehrkräfte denken und handeln. Unter anderem trugen zur Motivation für dieses Buch persönliche Begegnungen und Gespräche, ein schwedisches Projekt mit einer bisher schwierigen und leistungsschwachen Schulklasse, die durch den Einsatz von besonders wirksamen Lehrkräften eine der erfolgreichsten Klassen wurde, und diverse Studien von internationalen Forschern bei. Mit diesem Buch möchte der Autor dazu beitragen, dass interessierte Lehrer*innen ihr eigenes pädagogisches Handeln besser reflektieren und professionalisieren können.

Autor

Carsten Bangert verfügt über langjährige Erfahrung als Realschullehrer und ist seit 2011 als Rektor einer Werk- und Realschule tätig. Als Referent und Fortbildner gestaltet er (Online-) Seminare, moderiert Themenworkshops und hält Impulsvorträge. Sein Buch „Vertreib die Affen mit den Kieselsteinen – Impuls für Gesundheit und Zufriedenheit von Lehrerinnen und Lehrern“ erschien 2019 beim Belz Verlag.

Aufbau

Das vorliegende Buch ist in zwei Teilen aufgebaut.

  • Der erste Teil besteht aus Vorwort, Einleitung und vier Kapiteln mit Unterkapiteln. In diesem ersten Teil bezieht sich der Autor auf die sehr erfolgreichen Lehrer*innen.
  • Der zweite Teil widmet sich den Lehrer*innen, von denen man als Eltern hofft, dass die eigenen Kinder nie von ihnen unterrichtet werden, mit denen man als Kolleg*innen nicht gerne zusammenarbeitet und die die Schulentwicklung ihrer Schule hemmen (S. 12). Dieser zweite Teil ist ebenfalls in vier Kapiteln mit Unterkapiteln gegliedert.

Dann folgen Literatur, Danksagung und ein Hinweis auf Online-Material.

Inhalt

Im Eingang des ersten Kapitels „Auf die Lehrer/​innen kommt es an“ bezieht sich der Autor auf eine Metastudie mit 80 000 Einzelstudien, die die These untermauert, dass Strukturen alleine in Schulen wenig bewirken, dass es die Lehrkraft ist, die den entscheidenden Anteil eines erfolgreichen Unterrichts ausmacht. So wie in der Wirtschaft, im Handwerk, in der Industrie, der Wissenschaft, im Dienstleistungssektor gibt es im Bildungsbereich eine Dreiteilung der Belegschaft. Nach Rido Busse zitiert gibt es in jeder Gesellschaft Macher, Mitmacher und Miesmacher. Auch Carsten Bangert skizziert Lehrerkollegien in einer Dreiteilung (wobei es natürlich auch A/B, B/C Lehrkräfte gibt, die nicht klar nur einer Gruppe zuzuordnen sind). Die A-Lehrkräfte sind die Macher, die „Superstars“, die Leistungsträger der Schule, die ein ungewöhnliches Maß an Engagement bieten. Sie übernehmen Verantwortung für ihr Handeln und den Lernerfolg ihrer Schüler*innen, sind flexibel im Einsatz und der Arbeitszeit, machen ihre Arbeit gerne und sind interessiert an persönlicher Weiterentwicklung. Sie unterhalten wertschätzende Beziehungen zu Schülern, Kollegen und Elternschaft. Die B-Lehrkräfte sind die Mitmacher*innen, die Durchschnittlichen. Sie machen wohl einen vorwiegend guten Unterricht, erledigen ihre zugewiesenen Aufgaben gut bis befriedigend, kommen mit der Schülerschaft und den Eltern gut aus, halten Arbeitszeiten eher strenger ein. Die C-Lehrkräfte sind die „Minderleister/​innen“, die „Miesmacher/​innen“, die überwiegend unwirksam unterrichten. Sie sind oft für ihre Kolleg*innen eine Last, bringen Schüler*innen und Eltern gegenüber nicht genügend Respekt und professionellen Umgang entgegen. Sie haben einen schlechten Einfluss auf die wirksam unterrichtenden Kolleg*innen, sie schaden Schüler*innen, dem Schulklima und dem Ruf der Schule. Erfolgreiche Schulleitungen nutzen diese Erkenntnisse für eine positive Schulentwicklung, indem sie die A-Lehrkräfte stärken, die B-Kräfte durch Gespräche, Fortbildungen und Coaching fördern und weiter motivieren, um möglichst viele von ihnen zu A-Lehrkräften zu qualifizieren und den Einfluss der C-Lehrkräfte systematisch einzuschränken. Hier geht der Autor auf die Kompetenz der Organisations- und Personalentwicklerin Cordula Schweers ein, die hierzu Führungskräfte-Trainings durchführt. Ihre Erfahrungen zeigen, dass sich viele Schulleitungen scheuen, Führungsrolle zu übernehmen. (Vgl. S. 9–32).

Im 2. Kapitel „Die Grundbedürfnisse von Lernenden“ geht Carsten Bangert auf die Bedürfnisse der Schüler*innen ein. Hierzu zählen die Bedürfnisse nach Beziehung und Bindung, emotionaler Zugehörigkeit, nach Kompetenzerleben, nach Autonomie und Struktur und nach Anerkennung. Diese Bedürfnisse visualisiert der Autor mit einem Schaubild und bezieht in seine Erläuterungen die eruierten Einstellungen und die Haltung von Jochen Herkert mit ein, der mit dem Lehrerpreis 2014 ausgezeichnet wurde („Schüler zeichnen Lehrer aus“). (Vgl. S. 33–41).

In Kapitel 3 Haltung – die Grundüberzeugung guter Lehrer/​innen geht der Autor anhand von seinen Beobachtungen, Gesprächsergebnissen und von verschiedenen Studien auf die Bedeutung der Haltung einer Lehrkraft ein. Immer wieder eint sich die Erkenntnis, dass die Haltung des Menschen Lehrer den Unterschied im Erfolgsunterrichten macht (S. 42). Unter anderem ist das Menschenbild von erfolgreichen Lehrer*innen von Respekt gegenüber deren Schüler*innen geprägt, sie nehmen ihre Vorbildrolle ernst, haben Zutrauen in ihre zu Unterrichtenden und sind an eigener Entwicklung interessiert und ebenso an Kooperation mit Kolleg*innen. Auch in diesem Kapitel bezieht Carsten Bangert wieder die Erfahrung eines Ausnahmelehrers, die von Manfred Kugele, mit ein, dem er in seiner Berufsanfangszeit in der Schule begegnet war und der ihn mit seiner Arbeit sehr beeindruckt hatte. Inzwischen ist dieser Lehrer im Ruhestand. Rückblickend auf ein langes Berufsleben, wird er gefragt, welche Grundhaltungen- und Einstellungen er als Lehrer hatte. Auch hier ist ein besonderes Engagement, Vorbildsein, Leidenschaft für den Beruf, Respekt gegenüber den Schüler*innen und eine Verantwortlichkeit für den Lernerfolg der Anvertrauten deutlich zu erkennen. (Vgl. S. 52–57).

Im 4. Kapitel Verhalten – die Unterrichtsprinzipien wirksamer Lehrkräfte beschreibt der Autor, wie die Haltung erfolgreicher Lehrkräfte in ihr tägliches Handeln einfließt. Es werden hier konkrete Unterrichtsprinzipien und Lehrerverhalten dargestellt, nicht die Theorie, die jeder Lehramtsstudent im Studium kennengelernt hat. Wichtige Elemente sind u.a. Klarheit in den Zielen, den Erwartungen und der Unterrichtsgestaltung, neben Leidenschaft, klarer Führung, alles im Blick und unter Kontrolle zu haben, begleitet von unmittelbarem Reagieren und konsequentem Handeln. Neben weiteren Details folgt ein Schüler-Lehrer-Feedback Fragebogen und ein Reflexionsbogen für die persönliche Entwicklung für interessierte Lehrer*innen und wieder eine erneute Befragung eines Ausnahmelehrers, von Volker Hoffmann. (Vgl. S. 38–111).

Im 5. Kapitel Die Bedürfnisse erfolgreicher Lehrer/​innen widmet sich Carsten Bangert der Frage, was die erfolgreichen Lehrer*innen von ihren Schulleitungen benötigen. Hierzu müssen Schulleitungen verschiedene Motivationsmodelle kennen, müssen wissen, wie die einzelnen Lehrkräfte zu motivieren sind, um sie ihres Typs entsprechend ansprechen, fördern und führen zu können. Differenziertes Feedback geben, Anerkennung und Autonomie sind diesbezüglich einige der wichtigen Faktoren. Mit den Erfahrungen und den Erkenntnissen der beiden Schulentwicklern Simone Poss und Thomas Berliner schließt dieses Kapitel ab. (Vgl. S. 112–136).

Im 6. Kapitel Wie Schulleitung gemeinsam mit erfolgreichen Lehrkräften gute Schule machen kann beschreibt der Autor die besondere Bedeutung der Schulleitung in ihrer Verantwortung erfolgreiche Lehrer zu fördern und zu unterstützen, damit diese motiviert bleiben. (Vgl. S. 137–153). Im übertagenden Sinn nach dem Motto: „Die besten Pferde im Stall brauchen Pflege“ (S. 144).

Das 7. Kapitel Wirksamer Umgang mit schwierigen Lehrkräften widmet sich der Bedeutung und den Möglichkeiten des Umgangs mit C-Lehrkräften. Hier werden Kolleg*innen ebenso gefordert wie Schulleitungen. Für Schulleiter gilt als Letztes Mittel dienstrechtliches Vorgehen. Aber vorher werden diverse andere Möglichkeiten des Einflusses beschrieben, auch hier sollten Unterstützung und Motivieren zum Einsatz kommen. (Vgl. S. 154–183).

Das 8. Kapitel Fazit: „Nehmt die guten Lehrer*innen in den Blick!“ fasst noch einmal die Bedeutung der A-Lehrkräfte für die Schüler, das Schulklima, und die Qualität der Schule zusammen. (Vgl. S. 184–186).

Diskussion

Es handelt sich hier um ein sehr informatives, gut abgerundetes Fachbuch. Besonders wertvoll ist, dass dieses Buch von einem Praktiker geschrieben ist, der einerseits voller eigener Erfahrungen steckt, aber andererseits auch ein Entdecker und Suchender ist, der sich vielfältig und offen, dazu noch sehr kreativ dem Thema stellt. Das Buch wird dem Titel mehr als gerecht. Es ist eine gute Mischung von fachlichen Beschreibungen, anschaulichen Skizzen und Schaubildern, lebendigen Interviews mit Ausnahmelehrer*innen und theoretischem Überblick über die Studienlage mit Rückgriffen auf historische Pädagoge*innen.

Den Hauptfragen, was machen erfolgreiche Lehrer anders und was können wir von ihnen lernen, nähert sich Carsten Bangert mit Beobachtungen von und mit Gesprächen mit solchen besonders erfolgreichen Lehrer*innen. Somit bleibt das Buch abwechslungsreich und anschaulich. Der Autor berichtet kurz über das Projekt von Roysten Maldoom und den Berliner Philharmonikern mit Schüler*innen von vorwiegend Brennpunktschulen Berlins und bezieht außerdem den Film „Club der toten Dichter“ mit dem sehr engagierten Englischlehrer John Keating und noch andere Praxisbeispiele mit ein; immer den Fragen auf der Spur, was machen sie anders, wie denken sie, wie verhalten sie sich. Wie schaffen sie es, auch unmotivierte, leistungsschwächere Schüler*innen zu motivieren. Dazu werden auch eine Personalentwicklerin und zwei Schulentwickler in die Recherche mit einbezogen. Es gibt einige wichtige Elemente, die bei den Beispielen der besonders erfolgreichen Lehrer*innen immer wieder auftauchen. „Lernen geht nur über Beziehung“ (S. 149), Wissensvermittlung alleine reicht nicht aus, auch wenn der Lehrer, die Lehrerin in ihrem Fach ein As ist. Wenn kein menschlicher Zugang zu den Schüler*innen vorhanden ist, wird ein erfolgreiches Lehren und Lernen nicht stattfinden können. Ein Herabsetzen, Bloßstellen von Schüler*innen oder ein „Abschreiben“ von Leistungsschwachen gibt es für erfolgreich unterrichtende Lehrkräfte nicht. Eine eigene Leidenschaft für das Fach, aber auch für die Menschen, mit denen gearbeitet wird, sind eine wesentliche Eigenschaft, die erfolgreich arbeitende Lehrkräfte innehaben. Dazu haben diese Lehrkräfte klare Regeln, die sie auch konsequent und unmittelbar einfordern. Somit haben die Schüler*innen eine klare Struktur und Orientierung, was für die Lernsituation und den Lernerfolg von Bedeutung ist. Die Rezensentin hat 2009 ein Buch mit ähnlichem Titel und Thematik (Todd Whitaker: Was gute Lehrer anders machen, www.socialnet.de/rezensionen/8526.php) rezensiert und ist etwas betrübt, dass die gleiche Problematik fast unverändert nach mehr als zehn Jahren immer noch ein so aktuelles Thema ist. Vielleicht müsste ein größeres Gewicht auf die persönliche Eignung eines/​einer Lehramtsstudenten*in gelegt werden, um zukünftigen Lehrer*innen Enttäuschungen, Frustration und Krankheit zu ersparen und um Schüler*innen und Schulen vor ungeeigneten Lehrer*innen zu schützen.

Fazit

Carsten Bangert hat ein sehr informatives und erkenntnisreiches Werk verfasst. Das Buch bietet sowohl eine Fülle praktischer Situationen im Schulalltag mit der Interpretation hierzu als auch einen sehr gut recherchierten theoretischen Studienüberblick zur Thematik Wie arbeiten erfolgreiche Lehrkräfte, um von ihnen lernen zu können. Besonders die Gespräche mit und Befragungen von zahlreichen Praktikern, also Lehrer*innen, die durch ihre besonderen Erfolge bekannt oder gar ausgezeichnet wurden, machen das Buch lebendig und bieten gutes Anschauungsmaterial, was Lehrer*innen und Schulleiter*innen zu mehr oder noch mehr Kompetenz verhelfen kann. Eine ehrliche Selbstreflexion ist allerdings die Voraussetzung hierzu. Der im Buch vorhandene Schüler*innen-Feedback-Fragebogen (S. 96 - 98) und der Reflexionsbogen persönlicher Weiterentwicklung (S. 102 - 106) erachtet die Rezensentin als besonders wertvolle Hilfe hierbei, zumal außerdem jeweils noch eine veränderbare Version im Download-Material beim Belz Verlag zum Buch kostenlos zur Verfügung steht. Auch hier wird der Blickwinkel auf den grundlegenden Wirksamkeitsfaktor „Beziehung und Interaktion“ und die Grundüberzeugungen und Unterrichtsprinzipien wirksamer Lehrkräfte gerichtet (S. 102).

Obwohl sicher das eine oder andere für die Lesenden aus dem Schulbereich schon bekannt sein dürfte (müsste), wird für die aufnahmebereiten Leser*innen noch einiges zu entdecken und zu vertiefen dabei sein.

Die Konfrontation mit der Gruppe „Schwierige Lehrkräfte“ (im Buch die C-Gruppe), die es an jeder Schule gibt und die so manches Schülerschicksal maßgeblich mitbestimmt hat, die engagierten Kolleg*innen das Leben schwer machen und dem Ruf der Schule schaden, wird häufig in Büchern für Lehrer*innen ausgeklammert. Auch diesbezüglich leistet das Buch einen wichtigen Beitrag.

Dieses Buch würde sich die Rezensentin als Pflichtlektüre für die Lehrerausbildung- und Fortbildung wünschen.

Rezension von
Beate Sonsino
M.A. - Tätig in der Aus- und Fortbildung von Lehrern und pädagogischem Fachpersonal
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Es gibt 23 Rezensionen von Beate Sonsino.

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Zitiervorschlag
Beate Sonsino. Rezension vom 12.03.2021 zu: Carsten Bangert: Was gute Lehrerinnen und Lehrer ausmacht. Und was wir von ihnen lernen können. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2020. ISBN 978-3-407-63214-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27847.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.


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