Andreas Heinz, Reimund Schmidt-de Caluwe et al. (Hrsg.): Sozialgesetzbuch III
Rezensiert von Prof. Dr. Jürgen Kruse, 21.05.2021
Andreas Heinz, Reimund Schmidt-de Caluwe, Bernhard Joachim Scholz (Hrsg.): Sozialgesetzbuch III. Arbeitsförderung. Großkommentar.
Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2021.
7. Auflage.
2224 Seiten.
ISBN 978-3-8487-5896-8.
178,00 EUR.
Reihe: Nomos Kommentar.
Thema
Es geht um das Recht der Arbeitsförderung, also um die Leistungen der Arbeitslosenversicherung, andere Leistungen der Bundesagentur für Arbeit sowie auch um die Besonderheiten zum Verwaltungsverfahren in Angelegenheiten, die unter das SGB III fallen. Weil es Werke gibt, die Kommentierungen zum SGB III und zum SGB II vereinen, sei darauf hingewiesen, dass sich das hier zu besprechende Werk nicht mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II befasst.
Autor:innen und Herausgeber:innen
Herausgegeben wird das Werk von zwei Richtern des Bundessozialgerichts und einem Hochschullehrer:
- Andreas Heinz ist seit 01.01.2020 der Vorsitzende des 12. Senats des BSG.
- Dr. Bernhard Joachim Scholz ist Richter im 1. Senat des BSG.
- Prof. Dr. Reimund Schmidt-De Caluwe hat den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle inne.
Der Kommentar ist ein „Richter-Kommentar“. 15 der zurzeit 20 Autor:innen kommen aus der Richterschaft, davon lediglich eine Autorin aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit; alle anderen repräsentieren die Sozialgerichtsbarkeit vom örtlichen Sozialgericht bis zum BSG.
Drei Hochschullehrer:innen sowie je ein Rechtsanwalt und Ministerialbeamter bilden die Gruppe der nicht aus der Richterschaft stammenden Verfasser:innen.
Aufbau
Der Natur eines juristischen Kommentars entsprechend folgt der Aufbau des Werkes dem Aufbau des kommentierten Gesetzes. Eine längere Einführung, wie sie in diversen Kommentaren zu finden ist, dann oft selber fast schon in monographischem Umfang, gibt es nicht. Das ist eine Feststellung ohne bewertenden Charakter, weil für beide Handhabungen Argumente gefunden werden können. Im Heinz/​Schmidt-De Caluwe/​Scholz wird das SGB III kommentiert; auf über 2.200 Seiten in einem Umfang, der für jede/n Leser:in ausreichen sollte.
Inhalt
Fast ist man geneigt zu sagen, dass sich die sozialen Probleme in unserer Gesellschaft wie in einem Brennglas im Recht der Arbeitsförderung bündeln. Ob es um Fragen der Teilhabe von behinderten Menschen am Arbeitsleben (§§ 46; 73 ff.; 112 bis 129 SGB III) oder die Integration von zugewanderten Menschen in den Arbeitsmarkt (§§ 39a; 284 bis 288 SGB III) geht, ob es um den Zugang von jungen (§§ 48 bis 80b SGB III) zum oder den Verbleib älterer Menschen im Arbeitsmarkt (§ 82 SGB III) oder die Balance zwischen beruflichen und familiären Aufgaben im Alltag (§§ 8; 20; 87 SGB III) geht, das Recht der Arbeitsförderung macht Angebote zur Lösung von Problemen im Kontext vieler Lebenslagen.
Es ist zu begrüßen, dass im Kommentar Komplexe wie die soeben genannten in aller Regel in einer Hand bleiben, wodurch widersprüchliche Aussagen zu einem Teilbereich vermieden werden.
Auf die folgenden Bereiche soll exemplarisch in den Grenzen beschränkten Raumes etwas näher eingegangen werden:
- in Pandemiezeiten die Kommentierungen zum Kurzarbeitergeld, welches aus ungutem Grund seit Anfang 2020 die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit erlangt hat
- vor dem Hintergrund der Reform des SGB IX durch das BTHG die Regelungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen.
Der Käufer des Kommentars erhält von RiSG Baar auf mehr als 110 Seiten eine fundierte Bearbeitung der Vorschriften zum Kurzarbeitergeld (Kug) in den §§ 95 bis 109. Der frühere Mitherausgeber des Kommentars, RiBSG Bernd Mutschler, der im Bearbeiterverzeichnis nicht mehr aufgeführt ist, wird in der Fußzeile zu den §§ 95 ff. als Vor-Bearbeiter noch mitgenannt. Es hat aber offenbar der Wechsel zu Gunnar Baar schon stattgefunden. Dieser erläutert auch die Sonderregeln im Rahmen des Sozialschutz-Paketes II zur Kurzarbeit (§ 421c SGB III), die vor allem wegen der befristeten Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auch in einer breiteren Öffentlichkeit Beachtung gefunden haben.
RiLSG Peter Bienert zeichnet verantwortlich für die Kommentierung der §§ 112 bis 129, in denen es um die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben geht. Der Nutzer des Kommentars erhält hier gleichsam als Zusatzleistung eine 25 Seiten umfassende Kommentierung zu den SGB IX-Bestimmungen zur Höhe des Übergangsgeldes („nach §§ 119 bis 121“; ebenfalls von Bienert).
Das Arbeitslosengeld I wird auf über 400 Seiten kommentiert und stellt natürlich den Kernbereich eines Kommentars zur Arbeitsförderung dar. Vier Kommentatoren teilen sich in diese große Aufgabe: der Präsident des Sozialgerichts Mainz, Dr. Stephan Gutzler (§§ 136 bis 138), die Richterin am OVG Koblenz, Gisela Lauer (§§ 139 bis 145), RiLSG Thüringen, Hans Christian Jakob (§§ 146 bis 154) sowie RiBSG Dr. Bernhard Joachim Scholz (§§ 155 bis 164), aus dessen Feder auch die anschließende Kommentierung zum Insolvenzgeld (§§ 165 bis 171) stammt.
Diskussion
Die Autor:innen bedienen sich einer klaren Sprache, die auch Nicht-Juristen zugänglich ist. In größeren Beratungsstellen für arbeitslose Menschen sollte dieser Kommentar verfügbar sein; die kleineren werden vielleicht wegen des Preises vor einer Anschaffung zurückschrecken. Sie würden es womöglich begrüßen, auf (online?-) Ausgliederungen etwa zum Arbeitslosengeld, zum Kurzarbeitergeld oder zu allem rund um das Thema Teilhabe am Arbeitsleben zugreifen zu können. Das dürfte ohne zu großen Mehraufwand möglich sein, nachdem der Kommentar als Ganzes im Rahmen des Moduls Nomos online Sozialrecht bereits auch in digitaler Form zu haben ist. Mitarbeitende in den Agenturen für Arbeit, die Wert darauf legen, nicht ausschließlich auf Dienstanweisungen, Durchführungshinweise o.ä. der Bundesagentur für Arbeit angewiesen zu sein, haben mit diesem Kommentar den Vorteil, bei so mancher Entscheidung besser vorhersehen zu können, ob diese auch Bestand vor der Sozialgerichtsbarkeit haben wird.
Wer als Interessenvertreter erwartet, pointierte Bestätigung eigener Argumente zu finden, wird enttäuscht werden. Die Bearbeiter achten spürbar darauf, auch wissenschaftlich ihre (richterliche) Neutralität zu wahren. Das ist sehr wohltuend, weil das Arbeitsförderungsrecht andernorts ohnehin schon mehr Gegenstand politischer Auseinandersetzungen ist, als ihm gut tut.
Fazit
Wer sich regelmäßig und intensiv mit Fragen der Arbeitsförderung befasst, braucht dieses Werk als wichtigen und neutralen Ratgeber und Helfer. Man erfährt aus allererster Hand, welche Antworten die (Sozial-)Gerichtsbarkeit auf Fragen zum Umgang mit dem Arbeitsförderungsrecht gibt. Trotz des erheblichen Volumens des Werkes wird auch und gerade der „Praktiker in Eile“ feststellen, dass es sich lohnt und am Ende womöglich sogar Zeit spart, sich gründlich und vollständig auf den aktuellen Stand zu einer einzelnen Problematik bringen zu lassen.
Dass der Kommentar natürlich auch allen zu empfehlen ist, die sich wissenschaftlich mit dem Arbeitsförderungsrecht beschäftigen, bedarf nach dem Vorstehenden kaum noch der Erwähnung.
Die Erfahrungen des Verfassers in seiner Rolle als Hochschullehrer lassen ihn allenfalls zweifeln, ob Studierende sich die Zeit nehmen werden, gerade mit diesem Werk zu lernen, welche Bedeutung das Arbeitsförderungsrecht für das Leben vieler Menschen hat.
Rezension von
Prof. Dr. Jürgen Kruse
Jurist und Hochschullehrer
Es gibt 6 Rezensionen von Jürgen Kruse.
Zitiervorschlag
Jürgen Kruse. Rezension vom 21.05.2021 zu:
Andreas Heinz, Reimund Schmidt-de Caluwe, Bernhard Joachim Scholz (Hrsg.): Sozialgesetzbuch III. Arbeitsförderung. Großkommentar. Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2021. 7. Auflage.
ISBN 978-3-8487-5896-8.
Reihe: Nomos Kommentar.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27868.php, Datum des Zugriffs 08.11.2024.
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