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Helga Esselborn-Krumbiegel: Richtig wissenschaftlich schreiben

Rezensiert von Kira Speckenwirth, Prof. Dr. Johannes Emmerich, 12.04.2021

Cover Helga Esselborn-Krumbiegel: Richtig wissenschaftlich schreiben ISBN 978-3-8252-5535-0

Helga Esselborn-Krumbiegel: Richtig wissenschaftlich schreiben. Wissenschaftssprache in Regeln und Übungen. UTB (Stuttgart) 2021. 6. aktual. Auflage. 168 Seiten. ISBN 978-3-8252-5535-0. D: 15,00 EUR, A: 15,50 EUR, CH: 19,90 sFr.
Reihe: Uni Tipps.

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Thema

Studierende stehen spätestens bei der Anfertigung Ihrer Abschlussarbeit vor der Herausforderung Texte zu schreiben, die den gängigen Konventionen der Scientific Community entsprechen. Diese Konventionen schreiben mehr oder weniger explizit vor, wie wissenschaftliche Texte aufgebaut und formuliert werden und welchen formalen Anforderungen sie genüge tragen müssen. Viele Studierende sind an dieser Stelle verunsichert: Ist der Schreibstil wissenschaftlich genug? Wurde korrekt zitiert? Ist ein Roter Faden erkennbar? Esselborn-Krumbiegel gibt in ihrem Buch Richtig wissenschaftlich schreiben Antworten auf diese und andere Fragen. Sie nennt Tipps zur Gliederung, zur Anfertigung von Einleitungen und Zusammenfassungen und insbesondere, wie Sätze und Abschnitte klar und präzise formuliert werden können. Veranschaulicht werden die Tipps und Erläuterungen durch zahlreiche (für die 6. Auflage aktualisierte) Beispiele aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Den Schwerpunkt legt die Autorin auf die konkrete Schreibarbeit. Die Herausforderungen der Themenfindung, Recherche oder auch der Formatierung werden in diesem Werk nicht behandelt.

Autorin

Helga Esselborn-Krumbiegel, Studium der Germanistik, Anglistik und Komparatistik in München, Bristol (England), Bonn und Köln. Promotion in Germanistik, Lehrtätigkeit an der Universität Köln, Ausbildung in Poesie- und Bibliotherapie. Leitet das Schreibzentrum Köln. Zahlreiche Publikationen zur Didaktik wissenschaftlichen Schreibens, zum Bildungsroman, zur Autobiographie und über Hermann Hesse.

Aufbau & Inhalt

Als Ausgangspunkt für ihre Ausführungen wählt Esselborn-Krumbiegel die von Studierenden nicht selten getätigtte Aussage: „Ich kann mich nicht so gut ausdrücken“. Aus dieser Aussage geht hervor, dass wissenschaftliche Ausdrucksweise und Textgestaltung für viele Studierende eine große Herausforderung darstellen.

Nach dieser Einleitung werden im Einstiegskapitel 2 die Grundlagen wissenschaftlicher Sprache behandelt, die als Konventionen für den „Dialog mit der Scientific Community“ (S. 11) präsentiert werden. Dieser Dialog geschieht zumeist in Textform, weshalb wissenschaftliche Texte so formuliert sein müssen, dass sie ohne Rückfrage verständlich sind. Die Argumentation muss also zum Beispiel widerspruchsfrei sein und die Belege müssen nachvollzogen werden können.

Kapitel 3 geht auf die Argumentationsstruktur wissenschaftlicher Texte ein. Esselborn-Krumbiegel stellt dar, wie eine gedankliche Struktur in den Text integriert und vor allem transportiert werden kann. Dazu bringt sie – wie auch in den folgenden Kapiteln – konkrete Beispiele und stellt Übungen vor, um beispielsweise einen roten Faden zu entwickeln, relevante Informationen von nicht-relevanten zu trennen oder Verbindungen von Gedankengängen zu schaffen.

In Kapitel 4 geht es um die Satz- bzw. Wortebene. Es werden Tipps zur Formulierung von Sätzen, zur Wortwahl und zur Grammatik gegeben. Die LeserInnen lernen zum Beispiel, die Hauptaussagen eines Textes zu erkennen, verschachtelte Sätze aufzulösen und passende Formulierungen zu finden.

In Kapitel 5 wird eine Auswahl häufiger Fehler in wissenschaftlichen Texten präsentiert. Hierzu zählen nach Esselborn-Krumbiegel unter anderem die Verwendung ausschmückender Adjektive, nicht begründete eigene Bewertungen, Kongruenzfehler und überflüssige Inhalte.

Kapitel 6 und 7 gehen auf den Inhalt, das Inhaltsverzeichnis, mögliche Zwischentitel sowie die Einleitung wissenschaftlicher Texte ein. Im Titel sollten nach Esselborn-Krumbiegel die wichtigsten Schlagwörter des Textes stehen. Das Inhaltsverzeichnis bildet entweder Leitfragen oder Ergebnisse ab. Die VerfasserInnen müssen sich also zu Beginn ihrer Arbeit festlegen, ob das Inhaltsverzeichnis frage- oder ergebnisorientiert formuliert wird. Die Einleitung sollte einladend formuliert werden, die zu behandelnde Thematik erläutern und das Vorgehen beschreiben. Auch können Ergebnisse bereits angedeutet werden.

In Kapitel 8 werden die einzelnen Bestandteile eines Exposés sowie unterschiedliche Formen eines Abstracts präsentiert.

Kapitel 9 erläutert das methodische Vorgehen in empirischen und nicht-empirischen Arbeiten und geht kurz auf die Begriffe Modell und Theorie ein. Hier legt Esselborn-Krumbiegel einen Schwerpunkt auf die Methodenbeschreibung in empirischen Arbeiten indem Sie zahlreiche Formulierungsvorschläge für die Einleitung der jeweiligen Forschungsschritte (Stichprobenziehung, Datengewinnung, Auswertung etc.) nennt.

In Kapitel 10 greift Esselborn-Krumbiegel die im Eingangskapitel eingeführte Metapher des Dialogs mit der Scientific Community wieder auf und konkretisiert, wie dieser Dialog umgesetzt wird. Wiederum werden zahlreiche Formulierungen aufgelistet, die zum Beispiel zur Einleitung von Argumentationen, Ergebnisdarstellungen oder zur Wiedergabe von Forschungspositionen verwendet werden können. Die Autorin geht hier auf eine weitere Herausforderung im Verfassen wissenschaftlicher Texte ein: die Verwendung des geeigneten Tempus (Präsens oder Präteritum).

Nachdem Esselborn-Krumbiegel die Interpretation von Forschungsergebnissen thematisiert, geht sie in Kapitel 11 auf die Darstellung der Diskussion von Forschungsergebnissen ein. Hierzu unterscheidet sie die Diskussion in empirischen Studien von der in Literaturarbeiten. Im Rahmen dessen stellt sie ebenfalls unterschiedliche Formulierungsbeispiele vor, um etwa Widersprüche auszudrücken oder Zusammenhänge zu erläutern.

Im 12. Kapitel wird dargelegt, wie ein roter Faden in einer wissenschaftlichen Arbeit gelingt. Hierzu geht Esselborn-Krumbiegel auf Vorankündigungen, Überleitungen, Rückverweise, Zusammenfassungen und den Ausblick ein.

Im letzten Kapitel wird schließlich vorgestellt, wie ein Textskelett anzufertigen ist. Es muss zunächst das Ziel des eigenen Textes festgelegt werden. Anschließend werden die wichtigsten Aussagen in einem Kernsatz formuliert und die Reihenfolge dieser Kernsätze festgelegt. Esselborn-Krumbiegel schließt ihren Ratgeber mit einer Auflistung von Tipps zum wissenschaftlichen Arbeiten.

Diskussion

Esselborn-Krumbiegel lädt die LeserInnen gleich zum Einstieg ein, sich als neue Mitglieder der Scientific Community zu fühlen (11) und somit als Angehörige einer Gemeinschaft mit besonderen und nicht immer ganz offensichtlichen Verfahrens- und Kommunikationsregeln. Diese Herangehensweise ist für das Ziel dieses Ratgebers – Studierenden aufzuzeigen, wie man richtig wissenschaftlich schreibt – in mehrfacher Hinsicht vorteilhaft: Die LeserInnen werden wertgeschätzt als Mitglieder einer exklusiv anmutenden Gemeinschaft und nicht als AnwärterInnen angesprochen, über deren Aufnahme erst noch durch den Nachweis bestimmer Zertifikate oder Leistungspunkte entschieden wird. Diese wertschätzende Ansprache der LeserInnen wirkt sicherlich ermutigend und motivierend. Zugleich erlaubt es das Bild der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit bestimmter Regeln und Verfahren wissenschaftlichen Arbeitens anschaulicher und verständlicher zu vermitteln. Esselborn-Krumbiegel gelingt dies insbesondere, indem sie die LeserInnen immer wieder auffordert, sich in die Rolle und Perspektive der AdressatInnen wissenschaftlicher Texte hineinzuversetzen. Das wird vor allem in Kapitel 10 deutlich, in dem die Autorin die Regeln des Zitierens unter dem Titel „Dialog mit der Forschung“ einführt. Den LeserInnen wird hier veranschaulicht, dass Dialog nur möglich ist, wenn bestimmte und allgemeingültige Kommunikationsregeln – in dem Fall das genaue Zitieren – von allen Mitgliedern verbindlich eingehalten werden. Esselborn-Krumbiegel übersieht dabei weitgehend nicht, dass zu vielen Aspekten des wissenschaftlichen Schreibens keine disziplinüberfreifenden Konventionen bestehen. Zum Beispiel greift sie das vermeintliche „Erzähl-Verbot“ oder „Ich-Verbot“ in der Abfassung wissenschaftlicher Arbeiten auf und damit ein Thema, dass in Schreibratgebern oft nur am Rande oder gar nicht behandelt wird, viele Studierende aber durchaus im Schreibprozess blockieren kann. In diesem Kontext wäre auch eine Darstellung der Diskussion um diversitygerechte Schreibweisen angebracht gewesen, angesichts der Virulenz des Themas womöglich sogar in einem eigenen Kapitel. Leider äußert sich die Autorin hierzu an keiner Stelle. Viele Studierende sind in der Entscheidung für eine Schreibweise, die die gesellschaftiche Vielfalt angemessen widerspiegelt, verunsichert. Gerade für EinsteigerInnen wäre es daher hilfreich gewesen, die Stränge dieser Diskussion und entsprechende Handlungsempfehlungen aufzuzeigen.

Esselborn-Krumbiegels Einführung ist motivierend geschrieben und gibt den LeserInnen vielfältige Methoden an die Hand, die einen guten Einstieg in den Schreibprozess ermöglichen. Die zahlreichen Beispiele wissenschaftlicher Arbeiten aus nahezu allen wissenschaftlichen Disziplinen veranschaulichen sehr gut, wie die jeweiligen Anforderungen an richtiges wissenschaftliches Schreiben erfüllt werden können und was eben auch falsch gemacht werden kann. Wenngleich viele Beispiele genannt werden, wie man nicht richtig wissenschaftlich schreibt, wirkt das Buch nicht defizitorientiert. Die immer wieder eingestreuten und hilfreichen Tipps sind durchweg positiv formuliert.

Einge wenige Ratschläge und Ausführungen sind allerdings diskutabel. Der Begriff „Hypothese“ (S. 12, S. 89) hätte differenzierter betrachtet werden müssen, da er fachspezifisch sehr unterschiedlich verwendet wird – von einer eher unsystematischen Verwendung, etwa in vielen anwendungsbezogenen Sozialwissenschaften, bis hin zur formalisierten Hypothesenprüfung im statistischen Sinne, zum Beispiel in der Psychologie. Des Weiteren ist Kapitel 7 stellenweise diskussionswürdig. Den Tipp „Ein provozierender Einstieg weckt das Interesse des Lesers!“ (S. 85) wird sicherlich nicht jede/r PrüferIn unterstreichen bzw. ein provokanter Einstieg kann LeserInnen auch abschrecken. In Kapitel 5.1 „Füllwörter, Füllsätze“ scheinen die Beispiele zu ebendiesen nicht ganz zutreffend („insgesamt“, „besonders“). Hier wäre eine etwas vorsichtigere Formulierung angemessen, da ansonsten Denkverbote zu Schreibblockaden führen könnten. In Kapitel 10.2 fehlt der Hinweis, dass wörtliche Zitate sparsam verwendet werden sollten, und im Kontext auf diese Zitate dann auch Bezug genommen werden muss.

Fazit

Esselborn-Krumbiegel legt einen Schreibratgeber vor, der sich in erster Linie an StudieneinsteigerInnen bzw. neue Mitglieder der Scientific Community wendet, die ihren wissenschaftlichen Schreib- und Sprachstil (weiter)entwickeln möchten oder müssen. Die zahlreichen Beispiele können von Studierenden zielgerichtet als „Steinbruch“ bei Formulierungsunsicherheiten verwendet werden. Das Buch ist motivierend und anschaulich geschrieben, vielfältige Übungen und zahlreiche Tipps erleichtern den LeserInnen den Einstieg in das konkrete wissenschaftliche Schreiben. Der dem Schreiben vorgelagerte Prozess der Themenfindung und Zielsetzung ist hingegen nicht Bestandteil dieses Schreibratgebers. Die hiermit verbundenen Herausforderungen und entsprechenden Bewältigungsstrategien behandelt die Autorin an anderer Stelle (https://www.socialnet.de/rezensionen/499.php). Für die erfolgreiche Bearbeitung sämtlicher Schritte im Prozess der Erstellung einer schriftlichen wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit sollten Studierende daher noch auf weitere Ratgeberlektüre oder Unterstützungsangebote zurückgreifen. Insbesondere bleiben Studierende trotz der zahlreichen Tipps und Beispiele aufgefordert, sich die disziplintypischen Anforderungen aus den fachspezifischen Kontexten zu erschließen. Fachspezifische Einführungswerke bleiben daher unerlässlich. Gleichwohl bietet das Buch einen hervorragenden niedrigschwelligen Einstieg ins wissenschaftliche Schreiben. Der hohe Grad an Anschaulichkeit hilft den LeserInnen bei der Textformulierung und belegt nicht zuletzt die Expertise und Erfahrung der Autorin in der wissenschaftlichen Schreibberatung.

Rezension von
Kira Speckenwirth
M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin, SRH Hochschule Hamm, Studiengang Soziale Arbeit
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Prof. Dr. Johannes Emmerich
Professor für Grundlagen der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungskonzepte
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Es gibt 2 Rezensionen von Kira Speckenwirth.
Es gibt 4 Rezensionen von Johannes Emmerich.

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ISSN 2190-9245