Ilona Grammer, Petra Schweller: Gesundheitliche Versorgungsplanung in Altenpflegeheimen
Rezensiert von Dr. rer. soc. Gudrun Silberzahn-Jandt, 18.01.2021

Ilona Grammer, Petra Schweller: Gesundheitliche Versorgungsplanung in Altenpflegeheimen. Beraten - begleiten - planen. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2020. 150 Seiten. ISBN 978-3-7841-3281-5. 20,00 EUR.
Thema
Mit der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase wurde 2015 ein von den Krankenkassen finanziertes und im Sozialgesetzbuch V im § 132 g in seinen Ausführungen beschriebenes Angebot geschaffen. Damit sollen die individuellen Vorstellungen der BewohnerInnen in Pflegeheimen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe von der Behandlung am Lebensende in einem Gesprächsprozess entwickelt, formuliert und schriftlich fixiert werden. Da die GesprächsbegleiterInnen sowohl fachliche Expertise mitbringen müssen, als auch sich eigens für diese Aufgabe nach den gesetzlichen Vereinbarungen qualifizieren müssen, existiert noch wenig Wissen über die berufliche Praxis. Wie dieses Konzept in Pflegeheimen umgesetzt werden kann, welche Hürden zu bedenken sind und was bei der Implementierung zu beachten ist, beschreiben die Autorinnen in diesem Band.
Autorinnen
Dr. Ilona Grammer Pflegewissenschaftlerin, Referentin für stationäre Altenhilfe beim Caritasverband für die Erzdiözese Freiburg e.V.
Petra Schweller, Pflegepädagogin, arbeitet in der Schweiz in der Pflegeausbildung sowie als Dozentin in der Fort- und Weiterbildung.
Aufbau und Inhalt
Nach einem Vorwort und einer Hinführung, in der als AdressatInnen des Buches die Leitungsebene von Altenhilfeeinrichtungen sowie GesprächsbegleiterInnen wie auch interessierte MitarbeiterInnen aufgeführt werden, folgen die fünf unterschiedlich gewichteten Kapitel.
Das erste mit dem sehr allgemeinen und breit formulierten Titel „gesundheitliche Versorgungsplanung“ beginnt damit, das Konzept von hospizlich-palliativer Begleitung in Pflegeheimen und der Versorgungsplanung als ein Element der dort gelebten palliativen Kultur vorzustellen. Daran schließt sich ein auch graphisch gestalteter Überblick über gesetzlich geregelte Leistungen am Lebensende und eine knappe Darstellung der Genese der Versorgungsplanung an. Die gesetzlichen Grundlagen des Gesprächsprozessen und die mit dem GKV-Spitzenverband und den Vereinigungen der Träger der vollstationären Einrichtungen geschlossene Vereinbarung werden sehr umfänglich Punkt für Punkt vorgestellt und dabei wiederholt betont, dass das Gesprächsangebot ein freiwilliges darstellt und der Bewohner/die Bewohnerin entscheidet, ob und was schriftlich fixiert werden soll, ob beispielsweise eine Patientenverfügung verfasst oder überarbeitet und ein Notfallplan erstellt werden soll. Die Autorinnen geben hier konkrete Hinweise wie die Umsetzung gelingen kann -angefangen von dem Vorschlag Sprechzeiten zu initiieren bis hin zur Struktur der Informationsweitergabe oder barrierefreier Kommunikation. Die für die Einrichtung relevanten Finanzierungsfragen und Grundideen der Berechnung und der nun nicht strukturell, sondern zeitlich dargelegte Ablauf des Implementierungsprozesses, schließen sich dem an. Mit Diskussionspunkten und Kritik, wie der schon andernorts vielfach geäußerten, inwieweit und ob Unplanbares wie das Sterben, planbar sei, oder ob die Gesprächsführung nicht einer Informationssammlung eher gliche als einem empathischen Gespräch, endet dieser Teil.
Das nächste knappere Kapitel mit der Überschrift „Veränderungen begründen und einleiten“ geht einen Schritt zurück und stellt Ergebnisse ausgewählter Studien zur Implementierung einer palliativen Kultur in Pflegeheimen vor. Dabei wird das gesamte Spektrum aufgefächert von der Interdisziplinarität, der Zusammenarbeit mit Hospizdiensten, ethischen Fallbesprechungen und den zugrundeliegenden Werten und Haltung aller Mitarbeitenden.
Den Gesprächen, der Vorbereitung, Kontaktgestaltung, Durchführung, ihren Inhalten, der Dokumentation und den ethischen Prinzipien geht Kapitel drei nach. Dabei wird betont, dass trotz der medizinisch-pflegerischen Themen spirituelle Wünsche und Sinnfragen das große Benefit dieses Angebots für die PflegeheimbewohnerInnen und die Gestaltung der ihnen in der Einrichtung verbleibende Zeit darstellt. Beim Unterabschnitt Kontaktgestaltung betonen die Autorinnen den Beziehungsaspekt und stellen dazu ausführlich die präsentische Herangehensweise als Arbeitsgrundhaltung vor, wobei sie sich auf Guus Timmermann und Andries Baart beziehen.
Kapitel vier konzentriert sich auf die qualitätsgeleitete Implementierung. Hierzu werden 18 verschiedene Indikatoren identifiziert und Punkt für Punkt mit Fragen hinterlegt bearbeitet. So wird damit begonnen zu fragen, ob das Konzept der gesundheitlichen Versorgungsplanung sich im Leitbild findet, von der Führungsebene gewollt und gestaltet wird. Weiter werden als Kennzeichen von Qualität die Verankerung ethischer Fallbesprechungen in der Organisation genannt und auch die schon bestehende interne und externe Vernetzung mit Hospiz- und Palliativnetzwerken. Die deutliche Betonung des Hingewandseins zu den BewohnerInnen, das Erfassen ihrer Wünsche medizinischer pflegerischer, sozialer und spiritueller Art und das Einbeziehen der Angehörigen wird hier erneut unterstrichen und Fragen zur Überprüfung formuliert.
Das abschließende fünfte Kapitel fasst nochmals zusammen, indem das Angebot aus der Perspektive der BewohnerInnen, der An- und Zugehörige, der MitarbeiterInnen in Ideen Pflegeeinrichtungen, anderer Professionen und der Gesellschaft kommentiert wird.
Ein 25-seitiger Anhang mit Praxishilfen komplettiert neben einem Literaturverzeichnis diesen Band.
Diskussion
Mit diesem Band wird das Angebot der gesundheitlichen Versorgungsplanung strukturiert vorgestellt. Mit vielen in die Praxis gut umsetzbaren Anregungen versehen ist dieses Buch hilfreich für all diejenigen Einrichtungen, die sich mit dem Gedanken tragen, das Konzept neu einzuführen. Die Implementierungsfragen verweisen darauf, was im Vorfeld zu klären ist, damit die Einführung tatsächlich auch gelingt. Auch wenn die Autorinnen betonen, dass das Sterben nicht planbar ist, unterstützen sie dieses Konzept als Nachdenken und Sprechen über zentrale Wünsche im Rahmen einer bewohnerInnenorientierten Palliativkultur.
Fazit
Den Autorinnen gelingt es die Aspekte und Inhalte der gesundheitlichen Versorgungsplanung und die in den Rahmenvereinbarungen getroffenen Regelungen für die Umsetzungspraxis hilfreich vorzustellen und so die Chance dieses neuen kassenfinanzierten Angebots aufzuzeigen. Die Indikatoren zur Implementierung sind auch zur Standortbestimmung jeder Einrichtung äußerst inspirierend und können auf viele andere Implementierungsprozesse umgeschrieben werden. Mit dem umfangreichen Anhang mit Praxishilfen und Beispieldokumenten wird das Buch zu einem sehr wertvollen unterstützenden Werkzeug bei der Einführung des Angebots.
Rezension von
Dr. rer. soc. Gudrun Silberzahn-Jandt
Referentin Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V., freiberufliche Kulturwissenschaftlerin Esslingen, Lehrbeauftragte an Hochschulen und Universitäten
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Zitiervorschlag
Gudrun Silberzahn-Jandt. Rezension vom 18.01.2021 zu:
Ilona Grammer, Petra Schweller: Gesundheitliche Versorgungsplanung in Altenpflegeheimen. Beraten - begleiten - planen. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb
(Freiburg) 2020.
ISBN 978-3-7841-3281-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27907.php, Datum des Zugriffs 26.03.2023.
Urheberrecht
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