Susanne Brose: Farben, Formen, Fabulieren
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 01.07.2021

Susanne Brose: Farben, Formen, Fabulieren. Künstlerische Sprach- und Schreibförderung für Kinder von 5-10. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2021. 225 Seiten. ISBN 978-3-497-03014-9. D: 33,00 EUR, A: 34,00 EUR.
Kreativität als Wissensvermittlung
„Jeder Mensch ist ein Künstler“, diese Beuys’sche Interpretation des kreativen Schaffens bringt zum Ausdruck, dass der Mensch als Homo pictor fähig ist, ästhetisch zu denken und zu handeln. Er ist nicht nur in der Lage, zwischen Gut und Böse unterscheiden zu können, sondern auch Gutes und Schönes, Nützliches und Geistreiches zu erkennen. Diese Kompetenzen werden immer schon in Bildungs- und Erziehungsprozessen angewandt und als Mittel und Motive für eine humane Identitätsentwicklung eingesetzt, in der Familie, Kita und Schule.
Entstehungshintergrund und Autorin
Im Sachunterricht der Vor- und Grundschule hat die kreative Gestaltung bei der Vermittlung von Lernprozessen eine große Bedeutung. Es sind die integrierten, didaktischen und methodischen Bestandteile in der Sprach- und Sacherziehung, bei denen ästhetisches, künstlerisches Schaffen eingesetzt wird. Es ist nicht unbekannt, dass Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer in ihrer theoretischen Ausbildung überwiegend mit Sachfragen konfrontiert werden, in der Praxis aber nicht selten Defizite aufweisen, wenn es um phantasievolle Zugänge zum sprach- und kommunikativen Lernen geht. Hier sind „kreative Aufstiege“ gefragt (Hans Lenk, Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität, Ffm 2000, 350 S.).
Die Freiburger Kunstpädagogin und -therapeutin Susanne Brose ist auch in der Lehreraus- und -fortbildung tätig. Sie ist überzeugt, dass mit einer integrierten Sprachförderung ästhetische, kreative, formale und emotionale Bildung zustande kommen kann. Sie präsentiert eine „didaktische Schatzkiste zur mündlichen und schriftlichen Sprachförderung“, in der sie 66 Kunstprojekte à 45 Minuten vorstellt und mit einem ausführlichen Methodenmix versieht. Sie bezieht dabei ihre Erfahrungen als Museumspädagogin ein und plädiert dafür, das schulische, standortgebundene Fachlernen zu ergänzen durch „Schulöffnung“ (siehe dazu auch: Max Fuchs/Tom Braun, Hrsg., Die Kulturschule und kulturelle Schulentwicklung, Bd. 2: Zur ästhetischen Dimension von Schule, 2016, www.socialnet.de/rezensionen/20555.php).
Aufbau und Inhalt
Das Handbuch aus der Praxis für die Praxis wird in sechs Kapitel gegliedert. Im ersten werden grundlegende Informationen über „Künstlerische Sprach- und Schreibförderung“ vermittelt. Im zweiten stellt die Autorin die „Didaktische Schatzkiste“ vor. Im dritten geht es um die „Sprache der Farben“. Im vierten um die „Sprache der Linien“, und im fünften um die „Sprache der Formen“. Im abschließenden sechsten Kapitel schließlich wird „Fabulieren“ als Erzähl- und Schreibanlass thematisiert.
Immer geht es dabei um die didaktische, ganzheitliche Auffassung vom Lernen, und um die psychologische, motivatorische Vermittlung von Interesse, Aufmerksamkeit und Bildungswilligkeit (vgl. auch: Jos Schnurer, Die Menschen motivieren, dass sie aufgeklärt und gebildet sein wollen! In: Pädagogische Rundschau, 3/2018, S. 363ff). Es ist der Dialog, der die Lehrenden und Lernenden in gemeinsamen Prozessen des Betrachtens und Erkundens von Bildern, Objekten und Situationen zusammenbringt, spielerisch, suchend, phantasierend und ergebnisoffen. Dazu ist körperliche und geistige Bewegung notwendig. Es braucht das Lernen mit allen Sinnen: Sehen, Hören, Tasten, Fühlen. In zahlreichen Beispielen werden die Schülerinnen und Schüler ermuntert, mit Farben, Formen und Materialien zu spielen. Die Betrachtung von Bildern und Objekten von Künstlerinnen und Künstlern, z.B. von Franz Marc, Claude Monet und anderen, bieten Möglichkeiten zur Wahrnehmung und zur Nachgestaltung an. Auseinandersetzungen mit (Schrift-)Zeichen, dem Alphabet, der Kaligraphie und fremden Formen bringen eigene Kreationen hervor und vermitteln Eindrücke der Sprachlehre. Das Malen, Kneten, Kleben, Zerschneiden und Zusammenfügen und der spielerische, kreative Umgang mit den verschiedenen Materialien und Gegenständen führen beinahe automatisch zum eigenen Geschichtenerzählen – und zum Dialog!
Diskussion
Das Praxisbuch von Susanne Brose ist eine Handreichung für Praktiker! Die zahlreichen Beispiele für kreatives, kindgemäßes Schaffen zum sprachlichen und künstlerischen Lernen versieht die Autorin mit „Icons“, die auf die verschiedenen Lernmöglichkeiten verweisen: Zur dialogischen Bildbetrachtung, zum Bewegungsspiel, in die mündliche und schriftliche Fabulierwerkstatt, in die Info-Box und als Literaturtipps. Es werden sechs Arbeitsblätter angeboten – (1) Reimwort-Geschichten zu Bildimpulsen – (2) Elfchen-Geschichte schreiben – (3) Gedicht-Collagen im Kidnapper-Layout – (4) Leitfaden zum Geschichten-Erfinden – (5) Sinnes-Gedichte schreiben und illustrieren – (6) Eine Geschichte zum Bilderbuch erfinden – die der Verlag zum Downloaden bereit hält.
Fazit
Weil der Mensch Sprechen und Schreiben nur durch Sprechen und Schreiben lernt, ist es hilfreich, die möglichen, kreativen Aktivitäten dazu in Lernprozessen aufzuzeigen. Das motivierend und anschaulich aufgemachte, mit festem, strapazierfähigem Einband versehene Handbuch „Farben, Formen, Fabulieren“ bietet Praktikern in Bildungs- und Erziehungsprozessen anregende Exempel an!
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 01.07.2021 zu:
Susanne Brose: Farben, Formen, Fabulieren. Künstlerische Sprach- und Schreibförderung für Kinder von 5-10. Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2021.
ISBN 978-3-497-03014-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27924.php, Datum des Zugriffs 31.05.2023.
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