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Martina Becker, Tanja Form et al.: Schulsozialarbeit

Rezensiert von Dr. Torsten Mergen, 25.06.2021

Cover Martina Becker, Tanja Form et al.: Schulsozialarbeit ISBN 978-3-96314-345-8

Martina Becker, Tanja Form, Sibylle Friedrich, Christian Gabler, Christiane Krautz: Schulsozialarbeit. Praxishandbuch zur schulspezifischen Konzeption, Umsetzung und Weiterentwicklung. Forum Verlag Herkert GmbH (Merching) 2020. ISBN 978-3-96314-345-8. D: 69,00 EUR, A: 71,00 EUR.
Alexander Miró, Isabel Ruland, Barbara Seidenstücker, Bernd Seidenstücker, Natalie Suffner, Peter Veith.

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Thema

Schulsozialarbeit gehört heute an vielen Einrichtungen des Bildungsbereichs zum selbstverständlichen Angebot, um Teilhabechancen und Lernoptionen von Kindern und Jugendlichen gezielt zu fördern und zu verwirklichen. Zunehmend werden aber nicht nur Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe im engeren Sinne mit Schulsozialarbeit verbunden, immer öfter wird hingegen soziale Arbeit an Schulen als sozialpädagogisches Instrument zur Förderung und Begleitung aller Kinder und Jugendlichen an einer Schule angesehen, unabhängig von einem konkreten Förderbedarf. Im Kontext multiprofessioneller Teamarbeit wandelt sich zudem das Anforderungs- und Tätigkeitsprofil der Fachkräfte für Schulsozialarbeit, das sich vermehrt an den konkreten Bedarfen der jeweiligen Schule orientieren muss, um typische Problemkonstellationen von SchülerInnen, Eltern und Lehrkräften zu begleiten und gegebenenfalls effektiv zu verringern, worüber das vorliegende Praxishandbuch ausführlich informiert.

Autorinnen

Die elf Mitglieder des Autorenteams vertreten verschiedene psychologische, pädagogische bzw. sozialpädagogische Arbeits- und Forschungsgebiete: Die promovierte Diplom-Psychologin Martina Becker arbeitet seit 2009 als Schulpsychologin, Tanja Form ist Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes Bad Kreuznach und koordiniert die dortige Schulsozialarbeit, Dr. Sibylle Friedrich arbeitet als Trauma-Therapeutin in Norddeutschland, Christian Gabler ist Schulsozialpädagoge in der Oberpfalz, Christiane Kautz leitet den Sozialdienst im Anni-Emmerling Haus Offenbach, Dr. Alexander Miró arbeitet als psychologischer Psychotherapeut in einer eigenen Praxis, Isabel Ruland ist Pädagogin und Polizistin, Dr. Barbara Seidenstücker lehrt als Professorin für Soziale Arbeit, Kinder- und Jugendhilfe an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg, Dr. Bernd Seidenstücker ist emeritierter Professor für Sozialpädagogik und Dozent an verschiedenen Hochschulen, Natalie Suffner ist Customer Project Manager und arbeitete bis 2020 bei der Kolping Akademie in Augsburg, Peter Veith ist pensionierter Lehrer und individualpsychologischer Berater.

Aufbau und Inhalt

Das Praxishandbuch liegt als Loseblattsammlung in Ordnerform vor, die regelmäßig durch Nachlieferungen ergänzt wird. Ferner gibt es für Abonnenten eine Premium- und Online-Ausgabe, die das komplette Handbuch mit Arbeitshilfen und editierbaren Vorlagen enthält. Das gedruckte Praxishandbuch umfasst sieben Kapitel. Zwei dieser Kapitel – das erste und das siebte – enthalten Serviceseiten bzw. Checklisten für praktische Arbeitsschritte und Dokumentationen. Die Kapitel zwei bis sechs sind klar strukturiert und gehen auf die theoretischen wie praktischen Grundlagen der Schulsozialarbeit ein.

Die sieben Kapitel sind:

  1. Service und Verzeichnisse
  2. Grundlagen und rechtlicher Rahmen der Schulsozialarbeit
  3. Konzeptentwicklung für eine schulbezogene Schulsozialarbeit
  4. Methoden der Schulsozialarbeit
  5. Praxistipps zu typischen Problemlagen von Schülern, Eltern und Lehrern
  6. Schulsozialarbeit an der Schnittstelle zwischen Schule und Kinder- und Jugendhilfe
  7. Checklisten und Vorlagen

Das erste Kapitel enthält auch ein Vorwort. Darin bestimmen die AutorInnen die Zielgruppe des Handbuchs: „Dieses Praxishandbuch hilft Schulleitern, Sozialarbeitern und Vertrauenslehrern, ein schulspezifisches Konzept für Schulsozialarbeit zu erstellen, umzusetzen und weiterzuentwickeln.“ (Kap. 1.1, S. 1) Ferner wird hinsichtlich der Intentionen erläutert, dass es um die Erleichterung der praktischen Umsetzung von Maßnahmen und Aktionen der Schulsozialarbeit bei der „täglichen Arbeit“ (Kap. 1.1, S. 2) gehen soll.

Im zweiten Kapitel stehen Grundlagen der Schulsozialarbeit und die rechtlichen Rahmenbedingungen im Zentrum. Auf wenigen Seiten werden von Martina Becker das Arbeitsfeld, die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Hauptbereiche der Schulsozialarbeit beschrieben, was auf der Basis einer Heterogenität der Zielgruppe und Adressaten als recht komplex und voraussetzungsreich beschrieben wird. Für unterschiedliche Konstellationen stehen „Einzelhilfe und Beratung in individuellen Problemsituationen“ (Kap. 2.1, S. 5), „Sozialpädagogische Gruppenarbeit, Projekte und Arbeit mit Schulklassen“ (Kap. 2.1, S. 5), „Innerschulische und außerschulische Vernetzung, Kooperation und Gemeinwesenarbeit“ (Kap. 2.1, S. 5) sowie „Offene Angebote für alle Schülerinnen und Schüler“ (Kap. 2.1, S. 5) zur Verfügung. Die wesentliche Gelingensbedingung bilden die Kooperationsmodelle der Schulsozialarbeit, da hierbei zwei Institutionen – die Schule und die Kinder- und Jugendhilfe – zusammenarbeiten müssen, obwohl sie unterschiedliche Ausrichtungen verfolgen. Ausführlich wird auf die historische Entwicklung und potentielle Konflikte eingegangen, und es wird betont, wie wichtig die Reflexion des eigenen Rollenverständnisses für die Fachkraft für Schulsozialarbeit ist. Zugleich existieren verschiedene Formen der Kooperation, vom additiven Nebeneinander bis zum partnerschaftlichen Miteinander, die zu unterschiedlichen Wirkungen und Erfolgen führen. Die rechtlichen Facetten der Schulsozialarbeit beleuchtet sodann Bernd Seidenstücker. Er geht ausführlich auf die Normierung des Verhältnisses von Jugendhilfe und Schule ein, indem er nicht nur die bundes-, sondern auch die landesrechtlichen Regelungen vorstellt und erläutert. Dazu definiert er die Jugendsozialarbeit und zeigt die Rechtsquellen für entsprechende Leistungen auf, des Weiteren bestimmt er die wesentliche Herausforderung, „dass die Gesetzgebungsverantwortung für die Jugendhilfe beim Bund liegt und für das Schulrecht bei den 16 Bundesländern“ (Kap. 2.3, S. 15).

Das von Isabel Ruland und Christian Gabler verfasste dritte Kapitel vertieft die konzeptionellen Überlegungen durch einen historischen Rückblick auf das Verhältnis von Schule und Sozialarbeit sowie durch die Darstellung von Ansätzen zur Konzeptentwicklung für eine schulbezogene Schulsozialarbeit. In klarer Diktion werden auch schwelende Konfliktfelder und Ressentiments angesprochen, etwa die Sorge, „Sozialpädagogik würde Schulpädagogik beeinflussen und ‚korrigieren‘ wollen, andererseits würde Schulpädagogik Sozialpädagogik abwerten und beschneiden wollen“ (Kap. 3.1.1, S. 3). Um diesen Vorbehalten entgegenzuwirken, werden sodann die Faktoren analysiert, die Schulsozialarbeit zu einem wichtigen Element werden lassen, um „die Schulsituation für alle Beteiligten produktiver, stabiler und angenehmer zu gestalten“ (Kap. 3.1.2, S. 3), wozu auch der Begriff Schulentwicklung betrachtet wird. In nuce zeigen die Ausführungen, dass ein Perspektivwechsel vollzogen werden muss hin zu einem ganzheitlichen Verständnis von Lernen. Im zweiten Teil des Kapitels geht es um Fragen nach der Auswahl geeigneter Fachkräfte, deren Anforderungs- und Fähigkeitenprofil sowie um Hinweise zur Gestaltung von entsprechenden Bewerbungsgesprächen.

Welche Methoden für die Schulsozialarbeit wesentlich sind, beleuchtet das sehr intensiv gegliederte vierte Kapitel. Es enthält differenzierte Ausführungen und Erläuterungen zur Einzelfallhilfe, zur Gruppenarbeit als soziale Lernform in einer Schulklasse, zur Erstellung eines Strukturplans und von Projekten, zur Krisenintervention und -prävention, zur Begleitung des Übergangs von Schule in den Beruf, zur Netzwerk- und Gemeinwesenarbeit, zur Elternarbeit, zur Beziehungsgestaltung zu schwierigen, herausfordernd auftretenden SchülerInnen und Eltern, zur Fernberatung (in Corona-Zeiten) und zu Schutz- und Präventivmaßnahmen bei Kindeswohlgefährdung. Die einzelnen Methoden werden jeweils inhaltlich-konzeptionell erläutert, hinsichtlich etwaiger Ziele reflektiert und kritisch in ihrer Wirkung und den jeweiligen Einsatzmöglichkeiten reflektiert.

Das fünfte Kapitel, das von Martina Becker, Alexander Miró, Peter Veith, Christiane Kautz, Isabel Ruland und Sibylle Friedrich verfasst wurde, ist das umfangreichste des gesamten Praxishandbuchs. Darin werden typische Problemfelder von SchülerInnen, Eltern und Lehrkräften betrachtet und die jeweiligen Interventions- und Handlungsmöglichkeiten der Schulsozialarbeit praxis- bzw. anwendungsorientiert beleuchtet. Behandelt werden Themen wie Gewalt, Mobbing, Sucht und Drogen, familiäre Probleme und deren Auswirkungen auf die Kinder, Schulverweigerung, problematischer Medienkonsum bis hin zur Mediensucht, Konflikte mit Lehrkräften und die psycho-sozialen Auswirkungen der Corona-Krise für Kinder und Jugendliche.

Barbara Seidenstücker und Tanja Form gehen im sechsten Kapitel auf zwei wichtige Schnittstellen ein, die zum originären Aufgabengebiet der Fachkräfte für Schulsozialarbeit zählen: klassische Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe einerseits, Rollenkonflikte zwischen Lehrkräften, SchulsozialarbeiterInnen, Eltern und SchülerInnen andererseits. Die übersichtliche und mit zahlreichen Abbildungen unterstützte Darstellung erläutert auf der Basis der rechtlichen Vorgaben konkrete Maßnahmen von der Anbahnung bis zur Umsetzung und Evaluation. Für den Bereich der Rollenkonflikte werden zudem Praxisbeispiele vorgestellt und konkrete Tipps zur Lösung respektive Konflikt-Deeskalation formuliert. Das persönliche Fazit von Tanja Form verweist jedoch auf ein grundsätzliches Dilemma: „Soziale Arbeit in (an) der Schule (Schulsozialarbeit) (…) ist eines der anspruchsvollsten und komplexesten Themenfelder, die diese Profession zu bieten hat.“ (Kap. 6.2, S. 30)

Im siebten Kapitel finden sich zahlreiche Checklisten und Vorlagen, die für die schnelle und arbeitsökonomische Anwendung in typischen Arbeitssituationen konzipiert sind. So finden sich etwa Materialien zu den Bereichen

  • Ausfüllen und Archivieren
  • Beobachten und Dokumentieren
  • Elternarbeit
  • Projektentwicklung
  • Netzwerkarbeit
  • Gemeinwesenarbeit
  • Präventionsarbeit

Hilfreich sind besonders die Protokollvorlagen und Checklisten, die sicherlich einen unkomplizierten Zugriff ermöglichen und dem Praxischarakter des Handbuchs entsprechen.

Diskussion

Ein Praxishandbuch in Form einer Loseblattsammlung hat im Zeitalter der Digitalität sicherlich einen anachronistisch anmutenden Charme. Für die Handbücherei der Fachkräfte für Schulsozialarbeit oder für die Schulbibliothek von Schulen mit einem guten Etat ist der Ordner jedoch weiterhin sinnvoll. Inhaltlich enthält das Werk zudem all jene grundlegenden und vertiefenden Informationen, die für eine erfolgreiche Praxisanwendung unerlässlich sind. Die Darstellung der einzelnen Kapitel ist übersichtlich, die Texte sind auf dem aktuellen Stand, wozu auch die regelmäßigen Ergänzungslieferungen einen wesentlichen Beitrag leisten. Das Praxishandbuch wird dem Anspruch, Hilfe, Rat und Anleitung zum zeitökonomischen und klientenzentrierten Arbeiten zu bieten, durch die Praxisteile mit Checklisten und Blankoformularen gerecht, besonders aber durch eine leserfreundliche Navigation in den Darstellungsteilen mit Randglossen, Querverweisen und ausführlichen Literaturangaben.

Fazit

Für das derzeit rasch expandierende Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit ermöglicht das „Praxishandbuch zur schulspezifischen Konzeption, Umsetzung und Weiterentwicklung“ – so der Untertitel – eine schnelle Orientierung über wesentliche Themen, Methoden und Arbeitsfelder. Es ist auf dem aktuellen Stand der Diskussion und ist als Hilfsmittel für in entsprechenden Berufsfeldern Tätige sicherlich ein unerlässlicher Ratgeber und Wegbegleiter. Durch die hohe Praxisorientierung kann es einen Beitrag dazu leisten, die Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit, die Funktion für die Schulentwicklung, besonders aber die alltägliche Arbeit mit Lehrkräften, SchülerInnen und Eltern zu erleichtern und zu optimieren.

Rezension von
Dr. Torsten Mergen
Universität des Saarlandes, Fachrichtung 4.1
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Es gibt 43 Rezensionen von Torsten Mergen.

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ISSN 2190-9245