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Ruth Ketzer, Renate Adam-Paffrath et al.: Ambulante Pflege in der modernen Gesellschaft

Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 07.11.2022

Cover Ruth Ketzer, Renate Adam-Paffrath et al.: Ambulante Pflege in der modernen Gesellschaft ISBN 978-3-17-032856-3

Ruth Ketzer, Renate Adam-Paffrath, Manfred Borutta, Karola Selge, Hermann Brandenburg: Ambulante Pflege in der modernen Gesellschaft. Aktuelle Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2020. 159 Seiten. ISBN 978-3-17-032856-3. 35,00 EUR.
Reihe: Gerontologische Pflege.

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Thema und Autoren

Der Band beschäftigt sich mit dem zunehmend kritischen Bereich der sozialen Infrastruktur der ambulanten Pflege. Er nimmt eine Bestandsaufnahme dessen vor, was gegenwärtig bei der häuslichen Unterstützung längerfristig hilfe- bzw. pflegebedürftiger Personen geschieht und wie sich dies zu den Erwartungen und Versprechungen verhält, die den öffentlichen und fachwissenschaftlichen Diskurs prägen. Das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit wird kritisch analysiert, um daraus insbesondere für jene Akteure, die ambulante Hilfe organisieren und -managen, Perspektiven für die Zukunft abzuleiten.

Der Herausgeber des Bandes sind Ruth Ketzer, Professorin für Management im Gesundheitswesen an der Fleidner Fachhochschule Düsseldorf, Renate Adam-Paffrath Professorin an der gleichen Hochschule, Prof. Dr. Manfred Borutta, Gerontologe am der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Karola Selge, examinierte Krankenschwester mit eigenem Pflegedienst.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist nach einem Vorwort des Reihenherausgebers, einem Geleitwort und einer Einleitung in fünf Kapiteln unterteilt.

Im „Vorwort des Reihenherausgebers“ wird betont, dass sich dieser Band relevanter Themenfelder der gerontologischen Pflege annehmen werde, es sollen diese Bände in Lehre und Praxis, Ausbildung und Studium zum Einsatz kommen und es sollen Innovationen im Feld der Langzeitpflege unterstützt werden.

Im „Geleitwort“ von Lukas Slotala wird herausgearbeitet, dass die Pflegeversicherung nur eine rationierte Unterstützung biete, es klaffe eine Lücke zwischen dem realen Bedarf der Menschen und dem formal rechtlichen Leistungsanspruch der Pflegeversicherung.

Die „Einleitung“ nimmt eine Bestandsaufnahme der Infrastruktur der ambulanten Pflege in den Blick. Als grundlegende Richtschnur für die Beiträge dient die Familie Meier, auf die immer wiederkehrend exemplarisch Bezug genommen werde. Es werde häufig spürbar, dass vieles Fassade ist und die Diskrepanz zwischen Unterstützungsanspruch und Versorgungswirklichkeit unter den bestehenden Bedingungen schwer überbrückbar sei.

Kapitel zwei von Renate Adam-Paffrath „Ich möchte zuhause gepflegt werden. Sozialwissenschaftliche und anthropologische Perspektiven auf die Ethik des ambulanten Arbeitsbereiches“ geht davon aus, dass Pflege nicht mehr nur eine Privatangelegenheit der Betroffenen sei, sondern sie unterlege vielmehr komplexen gesellschaftlichen Einflüssen. Die Rolle des Pflegepersonals, die von außen in den privaten Bereich hineinkommen, sei nicht immer eindeutig geklärt. Das moralische und ethische Handeln sei nicht nur von der Beziehung zum Patienten geprägt, auch vom Standort und dem Milieu. Der Gestaltungsspielraum für die Pflege se in den vorherrschenden gesetzlichen und finanziellen Regelwerken im Sinne des Reduktionismus nur eingeschränkt leistbar. Er unterliege ständigen Aushandlungsprozessen zwischen dem, was die Rahmenbedingungen vorgeben und dem, was die Betroffenen möchten (S. 38).

Karola Selge schreibt das dritte Kapitel über die „Ambulante Pflege zwischen Fürsorge und sozioökonomischer Bedrängnis“. Seit Menschheitsgeschichte sei Pflege immer mit ökonomischen Gegebenheiten verbunden. So gäbe es eine Kluft zwischen den Forderungen einer guten Pflege und der sozioökonomischen Absicherung eines ambulanten Pflegedienstes in der durch die Pflegeversicherung vorgegebene Zergliederung der Pflegeverhandlungen in Leistungskomplexe und des damit einhergehenden Zeitdrucks.

Es folgt ein Kapitel 4 („Systemimmanente Grenzen einer marktförmigen und organisationalen Pflege“) indem die Fallvignette eines Ehepaares im Instanzendschungel zur Verdeutlichung der Problematik aufgegriffen wird und die vielfältigen Probleme, die für den ambulanten Pflegedienst auftreten, näher beleuchtet werden.

Ruth Ketzer beendet den Band mit einem Kapitel fünf zur „Ambulante Pflege als marginalisierte Herausforderung. Implikationen postheroischer Führung“. Es werden zunächst zwei differenzierte Leitungsstile in der ambulanten Pflege diskutiert, um danach die Organisation ambulanter Pflegedienst systemtheoretisch nach Luhmann zu verdeutlichen.

Diskussion

Es ist insgesamt eine gut durchdachte und stringente Publikation, die die Problematik der ambulanten Pflegedienste ungeschminkt in den Blick nimmt. Sie ist zudem theoretisch strukturiert mit einem hohen wissenschaftlichen Anspruch, der zudem gut verständlich und lesbar ist. Die Publikation verdeutlicht, in welchen engen Beschränkungen Pflegedienste arbeiten müssen, die immer wieder durch zeitlichen und finanziellen Druck beschränkt werden und dass auch die Pflegereform Disparitäten nicht verhindern konnte, sondern neue Probleme entstanden sind.

Fazit

Diese Lektüre ist ein Muss für diejenigen, die erwägen, in der Pflege tätig zu sein. Sie werden durch sie sehr gut auf die Widrigkeiten ambulanter Pflegedienste vorbereitet und können mit einem gestählten Blick, der ungeschönt dargestellt wurde, diese Tätigkeit beginnen.

Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische Sozialforschung und Gerontologie
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Es gibt 200 Rezensionen von Gisela Thiele.

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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 07.11.2022 zu: Ruth Ketzer, Renate Adam-Paffrath, Manfred Borutta, Karola Selge, Hermann Brandenburg: Ambulante Pflege in der modernen Gesellschaft. Aktuelle Bestandsaufnahme und Zukunftsperspektiven. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2020. ISBN 978-3-17-032856-3. Reihe: Gerontologische Pflege. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27944.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.


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