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Birgit Hoffmann, Henriette Katzenstein et al.: Familien­gerichtlicher Kinderschutz

Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 18.09.2023

Cover Birgit Hoffmann, Henriette Katzenstein et al.: Familien­gerichtlicher Kinderschutz ISBN 978-3-8462-0986-8

Birgit Hoffmann, Henriette Katzenstein, Katharina Lohse, Heinz Kindler, Rüdiger Ernst: Praxishandbuch Familiengerichtlicher Kinderschutz. Materielles Recht, Verfahrensrecht, Datenschutz, psychologisches und pädagogisches Wissen. Reguvis Fachmedien GmbH (Köln) 2022. 350 Seiten. ISBN 978-3-8462-0986-8. D: 49,00 EUR, A: 50,40 EUR.

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Thema

Das Buch beschäftigt sich mit dem Verfahrensrecht des familiengerichtlichen Kinderschutzes unter Einbeziehung aller am Verfahren beteiligten Professionen. Das Buch ist als Praxishandbuch konzipiert und erläutert das Verfahren des Familiengerichtlichen Kinderschutzes und geht zusätzlich auf die Themen Datenschutz in diesem Kontext sowie auf die psychologischen Grundlagen ein. Als Zielgruppe des Buches können alle am familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren mitwirkenden Akteure beschrieben werden: Eltern und ihre Verfahrensbevollmächtigten (d.h. Rechtsanwälte und -anwältinnen und Richter:innen), Verfahrensbeistände, Fachkräfte des Jugendamtes und Sachverständige.

Herausgeber:innen

Prof. Dr. iur. Rüdiger Ernst ist Vorsitzender Richter am Kammergericht (Familiensenat) in Berlin.

Katharina Lohse ist Fachliche Leiterin des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF).

Die AutorInnen Henriette Katzenstein, Prof. Dr. Birgit Hoffmann und Prof. Dr. Heinz Kindler haben verschiedene Kapitel des Buches verfasst.

Aufbau

Das Buch besteht aus vier Teilen, die ihrerseits in mehrere Kapitel untergliedert sind:

  • Teil 1: Materielles Recht: Der Prüfungs- und Entscheidungsmaßstab (Kap. 1–3)
  • Teil 2: Verfahrensrecht: Einleitung, Gestaltung, Ablauf und Abschluss des Verfahrens (Kap. 4–15)
  • Teil 3: Datenschutz und Datenaustausch zwischen den Akteuren (Kap. 16–19)
  • Teil 4: Kinder-, jugend- und familienpsychologisches Wissen (Kap. 20–26)

Inhalt

Kap. 1 „Grundrechte des Kindes und der Eltern (Art. 6 Abs. 2 und 3, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG)“ thematisiert zunächst die Grundrechte des Kindes auf staatlichen Schutz und auf die staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. Es werden die Aufgaben des Jugendamtes und des Familiengerichts bei der Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes vorgestellt. Im zweiten Teil des Kapitels wird auf die Verhältnismäßigkeit familiengerichtlicher Maßnahmen eingegangen.

Kap. 2 „Tatbestand der Kindeswohlgefährdung (§ 1666 Abs. 1, 1.Halbs. BGB)“ widmet sich zunächst den Tatbestandsvoraussetzungen des § 1666 BGB für eine Kindeswohlgefährdung bevor die verschiedenen Gefährdungsformen und Fallkonstellationen bei (vermuteter) Kindeswohlgefährdung vorgestellt werden wie Vernachlässigung, körperliche oder seelische Misshandlung und sexuelle oder sexualisierte Gewalt. Deutlich herausgestellt wird, dass es sich beim der Kindeswohlgefährdung um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Ein Extraabschnitt widmet sich dem häufigsten Anlass für die Anrufung des Familiengerichts – der Vernachlässigung.

In Kap. 3 „Rechtsfolgen der Kindeswohlgefährdung (§ 1666 Abs. 1, 2.Halbs., Abs. 3, § 1666a BGB – Familiengerichtliche Maßnahmen“ werden mögliche Rechtsmittel, die als kinderschutzrechtliche Maßnahmen eingesetzt werden können, vorgestellt. Insbesondere wird auf die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge eingegangen.

In Kap. 4 „Die Anrufung des Familiengerichts durch das Jugendamt“ werden zunächst die Voraussetzungen der Anrufung des Familiengerichts durch das Jugendamt sehr detailliert geschildert. Die aufgeführten Praxistipps enthalten Hinweise für Formulierungen bei Stellungnahmen durch das Jugendamt für das Familiengericht.

Kap. 5 „Einleitung von Amts wegen“ macht die Unterschiede von Amtsverfahren und Antragsverfahren deutlich. Diese Unterscheidung ist sehr bedeutsam, da Kinderschutzverfahren immer Amtsverfahren sind.

Kap. 6 „Hauptsacheverfahren und Verfahren der einstweiligen Anordnung“ stellt zunächst das Nebeneinander von Hauptsacheverfahren und Verfahren der einstweiligen Anordnung vor, bevor auf die einstweilige Anordnung genauer eingegangen wird.

In 7.Kap. „Amtsermittlungspflicht des Gerichts (§ 26 FamFG), inkl. Frei- und Strengbeweis“ wird die richterliche Amtsermittlungspflicht als Gebot des Rechtsstaatsprinzips vorgestellt, bevor auf die richterliche Amtsermittlung im Einzelnen eingegangen wird.

Kap. 8 widmet sich dem Thema „Anhörungs- und Erörterungstermine (inkl. § 157 FamFG)“, die zentral für die richterliche Entscheidung in einer Kinderschutzsache sind. Behandelt wird in diesem Kapitel auch die persönliche Anhörung des Kindes.

Kap. 9 „Jugendamt und Verfahrensbeistand (Aufgaben und Rollen)“ stellt die unterschiedlichen Rollen in Kindschaftsverfahren vor (Rollen von Jugendamt, Verfahrensbeistand und Sachverständigen). Dabei kommt dem Jugendamt v.a. die sozialpädagogische Fachkompetenz zu.

In Kap. 10 „Das (psychologische, psychiatrische, allgemeinmedizinische etc.) Sachverständigengutachten“ werden alle Themen rund um das Sachverständigengutachten behandelt: Wozu dienen Sachverständigengutachten? Wann werden sie erforderlich? Welche Fragen sind dem Sachverständigen zu stellen? Was sind häufige Fehler etc.?

Kap. 11 geht auf das „Vorrang- und Beschleunigungsgebot“ bei bestimmten Kindschaftssachen vor Gericht ein, wozu auch Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls zählen.

Kap. 12 behandelt den Beschluss des Familiengerichts („Die Endentscheidung“) und stellt alle Themen rund um den Beschluss vor.

Kap. 13 geht auf alle Aspekte rund um die Themen „Beschwerde und Rechtsbeschwerde“ ein. Wer kann Beschwerde einlegen? Wie ist die Beschwerde hinsichtlich Form und Frist einzulegen etc.?

Kap. 14 widmet sich dem Thema „Die Kosten des Verfahrens (inkl. Verfahrenskostenhilfe)“. In diesem Kapitel wird dargelegt, welche Kosten anfallen und von wem welche Kosten zu tragen sind.

Kap. 15 („Wie weiter nach der Entscheidung? [inkl. Überprüfung/Abänderungsverfahren])“ geht darauf ein, wie es nach dem Beschluss im Kinderschutzverfahren weitergeht. Insbesondere wird thematisiert, welche Handlungsmöglichkeiten und -pflichten das Jugendamt hat, wenn es zu einer abweichenden Einschätzung als das Familiengericht gelangt.

Kap. 16 „Datenschutzrechtliche Vorgaben für Familiengericht und Jugendamt im Überblick“ greift die Regelungen zum Datenschutz auf, die für das Familiengericht und das Jugendamt bindend sind.

Kap. 17 („Die Anrufung des Familiengerichts aus datenschutzrechtlicher Perspektive“) geht spezifischer als das vorherige Kapitel auf das Thema Datenschutz bei familiengerichtlichen Verfahren ein, indem es die Datenerhebung und Datenübermittlung bei Anrufung des Familiengerichts sowie die datenschutzrechtlichen Vorgaben für den Umgang des Familiengerichts mit den ihm übermittelten Sozialdaten aus dem Sozialgesetzbuch behandelt.

Kap. 18 („Amtsermittlungen für ein Kindesschutzverfahren aus datenschutzrechtlicher Perspektive“) führt das Thema Datenschutz fort, indem v.a. auf die Vorgaben für die Datenerhebung und Datenübermittlung für das Jugendamt eingegangen wird sowie die Vorgaben für die (Daten-)Beweiserhebung durch das Familiengericht thematisiert werden. In einem Exkurs wird die Datenerhebung durch Verfahrensbeistände und Sachverständige behandelt.

Kap. 19 behandelt die „Datenübermittlung im Verfahren“ selbst und geht darauf ein, wie die Datenübermittlung an die Beteiligten bzw. den Sachverständigen durch das Familiengericht erfolgt. Ein Exkurs widmet sich der Datenübermittlung durch den Verfahrensbeistand und den Sachverständigen an das Familiengericht.

Das Kap. 20 („Human- und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse im familiengerichtlichen Verfahren: Bedeutung und Probleme“) verlässt das juristische Fachgebiet und widmet sich der Bedeutung von familienpsychologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen in Kinderschutzverfahren. In diesem Kapitel wird auf die Rolle des human- und sozialwissenschaftlichen Forschungsstandes für familiengerichtliche Verfahren eingegangen, aber auch auf die Probleme, die damit in familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren verbunden sind.

Kap. 21 behandelt „Formen von Kindeswohlgefährdung“ und geht zunächst auf die Unterscheidung von Tun und Unterlassen ein, bevor die unterschiedlichen Gefährdungsformen (z.B. psychische Misshandlung, sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung) behandelt werden. Aber auch das Miterleben von Partnerschaftsgewalt und Hochstrittigkeit der Eltern ist eine Belastungserfahrung für die Kinder, die eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen kann.

Kap. 22 geht auf die „Ursachen von Kindeswohlgefährdung“ ein. In kurzen Absätzen werden aus der Forschung belegte Risikofaktoren für die Entwicklung einer Kindeswohlgefährdung beschrieben.

Kap. 23 wiederum thematisiert die „Folgen von Gefährdungserfahrungen“ für die kindliche Entwicklung und geht in einzelnen Abschnitten auf fortlaufende Schädigungsprozesse beim Kind, chronische Gefährdungen und Effekte von Fremdunterbringungen ein.

Kap. 24 widmet sich dem „Vorgehen im Einzelfall“, d.h. wie in familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren einerseits Informationen gesammelt werden, um ein Bild über die alltägliche Fürsorge und Erziehung in einer Familie zu erhalten (z.B. über körperliche Anhaltspunkte beim Kind, Fachkräfte wie Lehrkräfte etc. als Informationsquelle, Beobachtungen der Eltern-Kind-Interaktion, Inaugenscheinnahme des Lebensumfeldes eines Kindes etc.). Des Weiteren wird im Kapitel beschrieben, wie die Sachverhaltsermittlung sowie das Vorgehen bei der Anhörung von Kindern vor Gericht ablaufen. Das Kapitel wird durch einen Abschnitt zum Thema Sachverständigengutachten in Kinderschutzverfahren abgerundet.

Kap. 25 („Wirkung von Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren“) geht darauf ein, wie Hilfe- und Schutzkonzepte ausgewählt werden um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden und welche Elemente erfolgreiche Schutzkonzepte enthalten müssen.

Das letzte Kapitel (Kap. 26 „Kommunikation mit Kindern im Verfahren“) behandelt das Thema, wie mit Kindern im familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren kommuniziert wird. Zunächst widmet sich ein Abschnitt der Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit von Kindern, bevor näher darauf eingegangen wird, wie Kinder über den Gegenstand, den Ablauf und den möglichen Ausgang des Verfahrens informiert werden.

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis, ein Anhang über die Rechtsgrundlagen von familiengerichtlichen Verfahren und ein Stichwortverzeichnis runden das Buch ab.

Diskussion

Dieses Praxishandbuch führt den Leser bzw. die Leserin Schritt für Schritt durch das familiengerichtliche Verfahren. Zwar wurde das Buch, wie der Titel auch schon verdeutlicht, aus einer juristischen Perspektive verfasst, aber der Hintergrund und der Ablauf eines familiengerichtlichen Verfahrens wird auch für juristische Laien sehr anschaulich und nachvollziehbar beschrieben. Die rechtliche Einordnung von den in der sozialpädagogischen Praxis gängigen verwendeten Begrifflichkeiten wie Kindeswohlgefährdung, Kinderrechten, Kinderschutz etc. wird sehr nachvollziehbar vorgenommen, sodass auch Nichtjurist:innen der juristischen Logik und Vorgehensweise gut folgen können.

Die Gliederung ist sehr übersichtlich. Besonders wichtige Begriffe und Praxistipps werden durch Fettdruck hervorgehoben. Hinweise und Beispiele werden kursiv gesetzt und vom Fließtext abgehoben. Die Praxistipps gehen z.B. auf die Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen wie Jugendamt, Familiengericht, Rechtsanwälte etc. ein

Fazit

Den Autor:innen ist ein sehr überzeugendes Nachschlagewerk für alle an Kinderschutzverfahren beteiligte Berufsgruppen, v.a. Nicht-Jurist:innen, gelungen. Die Kapitel sind auch einzeln lesbar – das Stichwortverzeichnis am Ende des Buches ist hilfreich für eine gezielte Suche nach, häufig juristischen, Fachbegriffen zu familiengerichtlichen Verfahren. Ein paar mehr konkrete Fallbeispiele wären vielleicht wünschenswert gewesen, da die in einzelnen Kapiteln angeführten Beispiele zumeist nur sehr abstrakte Beispielsituationen schildern, aber nicht konkret einen Fall vorstellen. Gewisse inhaltliche Wiederholungen sind durch den Schritt-für-Schritt-Charakter des Buches kaum vermeidbar, beschränken sich aber auf ein nachvollziehbares, geringes Maß.

Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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Es gibt 21 Rezensionen von Anke Höhne.

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Zitiervorschlag
Anke Höhne. Rezension vom 18.09.2023 zu: Birgit Hoffmann, Henriette Katzenstein, Katharina Lohse, Heinz Kindler, Rüdiger Ernst: Praxishandbuch Familiengerichtlicher Kinderschutz. Materielles Recht, Verfahrensrecht, Datenschutz, psychologisches und pädagogisches Wissen. Reguvis Fachmedien GmbH (Köln) 2022. ISBN 978-3-8462-0986-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/27988.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.


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