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Albert Lenz: Ressourcen fördern

Rezensiert von Dr. Thomas Köhler-Saretzki, 13.04.2021

Cover Albert Lenz: Ressourcen fördern ISBN 978-3-8017-3006-2

Albert Lenz: Ressourcen fördern. Mentalisierungsbasierte Interventionen bei Kindern psychisch kranker Eltern und ihren Familien. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2021. 2., vollständig überarbeitete Auflage. 224 Seiten. ISBN 978-3-8017-3006-2. 29,95 EUR. CH: 38,93 sFr.

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Thema

Das vorliegende Buch liefert einen praxisorientierten Interventionsleitfaden für die familienorientierte Arbeit mit psychisch kranken Eltern und ihren Kindern. Im Fokus stehen neben der Familiendiagnostik vier Interventionen zur Stärkung der familiären Resilienz: die Psychoedukation für Kinder, die Förderung der familiären Kommunikation, Unterstützung bei den kindlichen Bewältigungskompetenzen und die Aktivierung der sozialen Ressourcen, Diese Interventionen werden v.a. mit der mentalisierungsbasierten, systemisch orientieren Methode des Familiengespräches umgesetzt und durchgeführt.

Autor

Prof. Dr. phil. Albert Lenz, geb. 1951. 1994 – 2017 Professor für Klinische Psychologie und Sozialpsychologie an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Paderborn, Fachbereich Sozialwesen. Mitbegründer des Instituts für Gesundheitsforschung und Soziale Psychiatrie (igsp) an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Kinder psychisch kranker Eltern, Sozial- und Gemeindepsychiatrie, Kooperation Psychiatrie und Jugendhilfe, Empowerment und Soziale Netzwerke, psychosoziale Beratung und Krisenintervention.

Aufbau und Inhalt

Zunächst wird ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung hinsichtlich der Belastungsfaktoren bei Kindern psychisch kranker Eltern gegeben. Die Belastungsfaktoren sind dabei sowohl auf der familiären Ebene als auch auf der Kindebene und der sozialen Ebene zu finden was bei einer Interaktion der verschiedenen Ebene zu einer Komplexität der Problemlagen führt.

Bei der Darstellung der protektiven Resilienzfaktoren im Anschluss spielt vor allen Dingen der Begriff der familiären Resilienz, also das System Familie als Schutzfaktor für die Kinder und Jugendlichen eine Rolle. Der Autor führt weiterhin in die Mentalisierungstheorie ein und untermauert damit theoretisch die reflexiven Kompetenzen als grundlegenden Mechanismus der Resilienz. Noch im Teil 1 werden die Haltungen und Grundlagen der im Praxisteil der folgenden, mentalisierungsbasierten Methoden vorgestellt.

Ein Blick auf die Notwendigkeit von interinstitutioneller und multiprofessioneller Kooperation und Vernetzung als Voraussetzung für wirksame Hilfen für diese spezielle Risikogruppe rundet den Grundlagenteil des Buches ab.

Den Schwerpunkt legt der Autor allerdings auf den Praxisteil des Buches. Zunächst wird der Hintergrund und das Vorgehen der Familiendiagnostik behandelt, welche die Grundlage für passgenaue Hilfen darstellt. Das systemisch orientierte Familiengespräch bildet dabei die grundlegende Methode sowohl für die Diagnostik als auch für die Förderung der familiären Resilienz, die im Anschluss behandelt wird.

Das weitere inhaltliche Vorgehen wird dann in vier Interventionen zur Förderung der Schutzfaktoren bei den Kindern gegliedert.

Die erste und zentrale Intervention stellt die Psychoedukation für Kinder unterschiedlichen Alters dar, die als wesentlich erachtet und in den Mittelpunkt gestellt wird. Diese Intervention ist demzufolge sehr umfassend und detailliert ausgearbeitet worden.

Eine adäquate und altersgerechte Aufklärung bildet nämlich einen bedeutenden Schutzfaktor für die Kinder. Es wird ein Verstehen und (emotionales) Einordnen der alltäglichen Beobachtungen des Verhaltens der Eltern in der Familie möglich. Der Interpretation und eigenen kindlichen Fantasie wird dadurch Einhalt geboten (z.B. „ich bin schuld am Zustand meiner Eltern“).

Der Autor geht aber auch auf Schwierigkeiten in der Durchführung ein und behandelt ausführlich den Aspekt, dass Kinder anscheinend nichts wissen wollen oder sich nicht fragen trauen. An dieser Stelle wird neben anderen gezielten Vorgehensweisen für eine Psychoedukation im Familiensetting mit einer vorausgehenden Phase plädiert, in der zunächst mit den Eltern gearbeitet wird, da diese den Kindern die innere Erlaubnis geben müssen. Eine Einzelarbeit mit dem Kind allein oder ein Kindergruppensetting von Beginn an ist meist nicht zielführend. Hier besteht ein deutlicher Unterschied zur gängigen Psychoedukationspraxis in anderen Therapie- und Beratungssetttings.

Ferner wird die Förderung der familiären Kommunikation als weitere zentrale Intervention behandelt. Durch mentalisierungsbasierte Kommunikationsregeln für Sprecher und Zuhörer sollen u.a. den hemmenden Phänomenen der Sprachlosigkeit, Tabuisierung und damit der Bildung eines Familiengeheimnisses entgegengewirkt und ein positiver Austausch zwischen den Familienmitgliedern angeregt werden

Es folgen die Förderung der kindlichen Bewältigungskompetenzen und die Aktivierung und Stärkung sozialer Kompetenzen. Bei den Copingstrategien werden die problemorientierte, internale/​emotionsregulierende Bewältigung, die Suche nach sozialer Unterstützung und die Problemmeidung unterschieden, deren Anwendung je nach Kontrollierbarkeit der Situation durch eigenes Handeln zu empfehlen sind.

Bei der Stärkung der sozialen Ressourcen wird die Aktivierung eines sozialen Netzwerkes zur generellen Mobilisierung sozialer Unterstützung und für die Bewältigung von Krisen als essentiell betrachtet. Weiterhin bilden Patenschaften v.a. bei isolierten lebenden Familien und alleinerziehenden psychisch kranken Eltern eine hilfreiche Strategie neue Unterstützungssysteme für die Kinder und ihre Familien anzustoßen. Die Netzwerkkonferenz als weitere Methode zielt darauf ab die Familie und wichtige Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld zusammenzuführen.

Am Ende der Kapitel und auf der beigefügten CD-ROM finden sich Materialien mit etlichen Arbeitsblättern zur Durchführung der jeweiligen Interventionen

Diskussion

Sowohl therapeutischen Fachkräften als auch Berater*innen und sonstigen Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe zeigt dieses Buch in einer ausführlichen, gut verständlichen und vor allem praxisanwendertauglichen Art und Weise, wie mit Hilfe von mentalisierungsbasierten, systemischen Methoden, wie z.B. dem Familiengespräch die familiäre Resilienz gestärkt werden kann.

Es wird deutlich wie vielseitig und komplex psychische Erkrankungen von Eltern sind und welche massiven Auswirkungen auf die Familie und die Kinder eine solche Erkrankung haben kann. Es wird aber auch deutlich, welche Möglichkeiten bestehen mit den betroffenen Familien konstruktiv zu arbeiten und wie die Ressourcen der Kinder mit Hilfe der hochstrukturierten beschriebenen Vorgehensweise nachhaltig gestärkt werden können.

Der Autor verwendet für die Darstellung der Interventionen immer wieder Beispiele z.B. für kindegerechte Erklärungen im Rahmen von Psychoedukation („Depression: Man kann nicht aufhören, traurig zu sein und ist immer furchtbar müde…“). Besonders hilfreich sind die Hinweise auf typische Fragen, die Kinder in den jeweiligen Altersstufen bewegen und mögliche Schwierigkeiten im Gesprächsverlauf bei Kindern unterschiedlichen Alters („der/die Jugendliche will nicht sprechen“).

Weiterhin streut der Autor an ganz vielen Stellen kurze, äußerst praxistaugliche Interventionsvorschläge und Übungen ein, wie z.B. die Übung: „Ich kenne eine Familie – eine Geschichte erzählen“ zur Förderung der familiären Kommunikation und Erleichterung des Einstiegs in das Familiengespräch.

Merkkästchen mit wichtigen Kernbotschaften, wie z.B. zur Förderung der kindlichen Bewältigungskompetenzen („Merke: Die Bewältigungsschritte sollten zunächst anhand von fiktiven Situationen vorgestellt werden. Erst dann sollte Schritt für Schritt eine Annäherung an die reale soziale Lebenswirklichkeit des Kindes und der Familie erfolgen“) erleichtern den Transfer für Handeln in der eigenen Praxis.

Und schließlich bieten die abgedruckten Arbeitsblätter im Buch und auf der beigefügten CD-ROM mit konkreten Anleitungen, Informationen und vor allem Fragetechniken für Kinder verschiedenen Alters konkrete Hilfestellungen und umfassendes Werkzeug für den professionellen Helfer.

Fazit

Das Buch bietet eine gute und konkrete Anleitung zur Ressourcen fördernden Arbeit mit psychisch kranken Eltern und ihren Familien. Dabei stehen die Kinder unterschiedlichen Alters im Fokus. Die Interventionen und Methoden der mentalisierungsbasierten familiären Arbeit sind hilfreich auch für alle beraterische und therapeutische Behandlungssettings. Interessant und hilfreich wären evtl. noch detailliertere Ausführungen zu den Grenzen der mentalisierungsbasierten, resilienfördernden Arbeit mit psychisch belasteten Familiensystemen in verschiedenen Praxissettings.

Beim Lesen spürt man aber immer wieder den jahrzehntelangen, großen Erfahrungshintergrund des Autors zum Thema Kinder psychisch kranker Eltern und Resilienz. Das Buch ist äußerst lesenswert und empfehlenswert für alle die mit diesen Familien arbeiten und sich für das Thema interessieren.

Rezension von
Dr. Thomas Köhler-Saretzki
Diplom-Psychologe und Systemischer Familientherapeut
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Es gibt 4 Rezensionen von Thomas Köhler-Saretzki.

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ISSN 2190-9245