Claudia Dehn, Rainer Zech: Gelingendes Management
Rezensiert von Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf, 04.03.2021
Claudia Dehn, Rainer Zech: Gelingendes Management. Handbuch für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung : mit 46 Managementinstrumenten aus der systemischen Beratungspraxis. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2021. 241 Seiten. ISBN 978-3-525-40702-8. D: 30,00 EUR, A: 31,00 EUR.
Autoren
Claudia Dehn, Verhaltenswissenschaftlerin, Kommunikationswirtin und Coach ist Geschäftsführerin der ArtSet® Forschung Bildung Beratung GmbH.
Dr. Rainer Zech, Professor, Sozialwissenschaftler und Organisationsberater, ist Geschäftsführer der ArtSet® Forschung Bildung Beratung GmbH.
Thema
Rainer Zech & Claudia Dehn nehmen sich in ihrem Handbuch der Frage an, wie Management gelingt. Fokussiert werden personenbezogene soziale Dienstleistungsorganisationen, deren Steuerung eine besondere Bedeutung zukommt, da eine simple Übertragung von Konzepten, die in der gewinnorientierten Wirtschaft funktionieren, im sozialen Bereich nicht erfolgversprechend ist. Die Autor*innen schildern die Spezifika dessen, was normatives und strategisches Management auszeichnet, was die Organisationskultur, das Projekt-, Prozess-, Kompetenz-, Wissens- und Zielmanagement umfasst und welche Faktoren in diesen Bereichen darauf einwirken können, dass das Management scheitert – oder eben gelingt. Der Anspruch der Autor*innen ist es, ein praxisorientiertes Kompendium vorzulegen, an dem sich Leser*innen orientieren können, um nicht nur Erfolg, sondern Gelingen von Management-Prozessen im Bildungs-, Erziehungs-, Sozial- und Gesundheitswesen wahrscheinlich zu machen.
Entstehungshintergrund
Neben ihrer Tätigkeit als Autor*innen forschen, bilden und beraten Zech & Dehn Personen und Organisationen zu Fragen der Qualitätsentwicklung. Sie leiten die ArtSet Forschung, Bildung, Beratung GmbH und die ArtSet Qualitätstestierung GmbH. Zu den Thematiken Management und Qualitätsentwicklung/​-sicherung haben die Autor*innen in den letzten Jahren diverse Publikationen herausgegeben. Im Bildungswesen gut bekannt ist vor allem das in diversen Weiterbildungsorganisationen genutzte, von ArtSet entwickelte Qualitätsmodell LQW, das eine Alternative bzw. Ergänzung zu stärker standardisierten, indes weniger fundierten QS-Modellen wie dem Qualitätsmanagement nach ISO 9001 und der AZAV darstellt. Neben LQW für Weiterbildungseinrichtungen entwickelt und lizensiert ArtSet Qualitätsmodelle für Schulen (LQS), Kindertagesstätten (LQK), Soziale Dienstleistungsorganisationen (KQS), Beratungsorganisationen (KQB) und Bildungsveranstaltungen (LQB). Das Buch „Gelingendes Management“ (2021) verstehen Dehn & Zech (ebd., S. 09) als „komplementär zu unserer Grundlegung einer gelingenden Qualitätsentwicklung, die 2017 ebenfalls im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist (Zech & Dehn 2017).“
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in 11 Kapitel unterteilt, hat 241 Seiten mit 38 Abbildungen und 29 Tabellen. Die Autor*innen stellen 46 Managementinstrumente vor und beschreiben, inwieweit diese beim Sicherstellen des Gelingens von Management hilfreich sein können. Die Instrumente sind primär aus der systemischen Beratungspraxis bekannt. Es verwundert daher nicht, dass die Darlegungen geprägt sind von systemisch-konstruktivistischen Überzeugungen, die sich im Verlagsprogramm von Vandenhoeck & Ruprecht verstärkt finden. In Kapitel 1 legen Dehn & Zech ihr allgemeines Verständnis von Organisation dar und erläutern Grundprämissen aus der Systemtheorie Niklas Luhmanns. Unter der Zwischenüberschrift „Die Logik des Gelingens“ (S. 22), die als Anspielung auf Dietrich Dörners Klassiker „Die Logik des Misslingens“ (2003) gelesen werden kann, schildern die Autor*innen, was Gelingen von Erfolg unterscheidet. Sie erklären, dass das Gelingen das Subjekt mit den eigenen Gefühlen Wünschen und Erfahrungen einbeziehe, das sich „selbstbestimmte Ziele gesetzt hat und diese realisieren kann“ (S. 24). Gelingen assoziieren Dehn & Zech mit Sinnerfüllung, was sich von Erfolg insofern unterscheide, als dieser nur funktional in Bezug auf äußere Anforderungen sei, aber nicht per se mit Sinnerfüllung im eigenen Tun einhergehen müsse. Diese Sinnerfüllung sei es aber, so das Postulat, die bedeutend nicht nur für Erfolg, sondern eben auch für Gelingen von Management-Prozessen in Sozialorganisationen sei. Was Erfolg von Gelingen unterscheidet, verdeutlichen die Autor*innen am Beispiel eines Kunstwerks. Dieses kann aus Sicht des Künstlers/der Künstlerin höchst gelungen sein. Dass damit ein wirtschaftlicher Erfolg einhergeht, ist aber keineswegs sicher. Erfolg ist ungleich Gelingen.
Das Gefühl des Gelingens ist für das Erleben von Sinn und für die Aufrechterhaltung der Motivation, etwas schaffen zu wollen, essenziell. Es ist somit eine Voraussetzung, um nachhaltig erfolgreich sein zu können. Es garantiert dies nur eben nicht. Die Autor*innen geben denn auch zu bedenken, dass das Gelingen selbst bei noch so gewissenhafter Anwendung von Instrumenten „nicht programmierbar“ (S. 25) sei. Wann immer Menschen interagieren, die von außen nicht steuerbar seien, käme viel Unabwägbares hinzu. Komplexe Systeme lassen sich nicht nach einer deterministischen Wenn-Dann-Logik managen. Das anzuerkennen erachten die Autor*innen als wichtige Grundlage dafür, dass auch in komplexen Systemen dennoch vieles gut gelingen kann. In Bezug auf gelingendes Management erklären Dehn & Zech, dieses sei „ziel- und ergebnisbezogen, aber vor allem wird versucht, den jeweiligen individuellen Kundenbedürfnissen in höchster Qualität gerecht zu werden und für die Arbeitenden Bedingungen herzustellen, unter denen sie dies auch leisten können“ (S. 26). Grundlegend für das Gelingen sei, so schildern die Autor*innen, die Ausrichtung der Organisation an klaren Gelingensindikatoren. Diese müssten in mehreren Management-Bereichen formuliert und verfolgt werden, die alle synergistisch ineinandergreifen und zusammengenommen über das Gelingen des Managements entscheiden. Die einzelnen Management-Prozesse, denen sich Dehn & Zech jeweils in einem eigenen Kapitel zuwenden, sind die folgenden:
- Normatives Management (Kapitel 2)
- Strategisches Management (Kapitel 3)
- Zielmanagement (Kapitel 4)
- Prozessmanagement (Kapitel 5)
- Kompetenzmanagement (Kapitel 6)
- Wissensmanagement (Kapitel 7)
- Management von Kooperationen und Netzwerken (Kapitel 8)
- Management der Organisationskultur (Kapitel 9)
- Projektmanagement (Kapitel 10)
Eingeleitet wird jedes der Kapitel mit einer Darlegung dessen, was man bei der Lektüre erfährt. Es folgen dann stets eine Definition der jeweiligen Management-Schwerpunkte (Kapitelüberschriften) und eine Beschreibung dessen, was konstitutiv für den jeweils betrachteten Management-Prozess ist. Die Autor*innen erklären, warum normatives Management, strategisches Management, Zielmanagement und die anderen Management-Schwerpunkte bedeutsam sind, welche Herausforderungen mit ihnen einhergehen und welche Instrumente jeweils zur Anwendung kommen können, um relevante Fragen beantworten, Probleme lösen und Informationen akquirieren zu können, die bedeutsam für Erfolg und Gelingen des Managements sind. Als Management-Instrumente, die im Rahmen des jeweils fokussierten Prozesses gut nutzbar sind, benennen die Autor*innen ganz unterschiedliche wie z.B. Umwelt-, Konkurrenz- und SWOT-Analysen, Bestimmungen strategischer Erfolgsfaktoren, Zielkreuze, Balanced Scorecards, Wertetableaus, Prozesslandschaften/​-zyklen, Flussdiagramme, Kompetenzatlanten, Kompetenzmatrizen, Wissensportfolios, Wissensmanagement-Kreisläufe, Micro-Artikel, Lessons Learned, Debriefings und vieles mehr.
Dehn & Zech erläutern praxisorientiert den Nutzen der Anwendung der jeweiligen Instrumente, geben Beispiele und veranschaulichen ihre Darlegungen anhand diverser Schaubilder. Warum dieses Instrument? Was erreicht die Organisation dadurch und welche Bedeutung hat das für gelingendes Management? – Das sind nur einige der Leitfragen, welche die Darlegungen zu den Instrumenten prägen. Das neunte Kapitel (Management der Organisationskultur) sticht insofern etwas heraus, als die Darlegungen dazu, was Organisationskultur ausmacht und warum diese bedeutsam ist, weit ausführlicher ist, als es die Definitionen und Bedeutungserklärungen zu den zuvor genannten Management-Prozessen ist. Dies erscheint folgerichtig, weil sich die Organisationskultur auf all diese Prozesse auswirkt und mitbestimmt, welche Instrumente zu welchem Zeitpunkt (nicht) zur Anwendung kommen und welche Ziele zu einem bestimmten Zeitpunkt (nicht) relevant sind. Im letzten Kapitel (11) erfolgen auf 2 Seiten nochmals ein Rekurs darauf, dass sich Methoden aus der Wirtschaft nicht immer auf die Sozialwirtschaft übertragen lassen und eine Reflexion dessen, dass gelingendes Management in personenbezogenen Dienstleistungsorganisationen bedeutsam ist. Die Autor*innen schließen mit einer Auflistung der Dienstleistungen, die sie mit ihrem Unternehmen ArtSet anbieten.
Diskussion
Fachbücher zum Thema „Management“ gibt es metaphorisch gesagt wie Sand am Meer. Es existiert kaum eine Management-Thematik, die nicht schon in dutzenden Fachbüchern behandelt wurde. Das trifft auf die Besonderheiten, die dem Management in nicht primär gewinnorientierten Unternehmen zukommt, ebenfalls zu. Die Sozialmanagement-Fachbücher von Dieckbreder & Hase (2021), Gesmann & Merchel (2019), Kortendieck (2017), Merchel (2015) und Lambers (2015) sind nur einige Beispiel unter vielen, die im deutschsprachigen Raum in den letzten 7 Jahren zu der Thematik erschienen sind. Daher stellt sich die Frage, ob Dehn & Zech mit ihrem Buch einen Mehrwert im Hinblick auf das Verständnis von Management-Prozessen in Dienstleistungsorganisationen des Sozialwesens bieten. Lohnt sich die Lektüre? Die kurze Antwort ist: Grundsätzlich ja. Um das ausführlicher beantworten zu können, kommt es darauf an, was man von einem Handbuch erwartet. Wer sich umfassend über unterschiedliche Konstitutionsmodi von Management-Prozessen informieren will, der/die könnte vom hier besprochenen Werk insofern enttäuscht sein, als die Darlegungen dessen, was Prozessmanagement, Kompetenzmanagement, Wissensmanagement, Management von Kooperationen und Netzwerken usw. auszeichnet, im Text doch sehr knapp ausfallen.
Das Thema „Projektmanagement“ beispielsweise wird auf gerade mal 21 Seiten abgehandelt. Schilderungen zum Wissensmanagement finden sich auf 20 Seiten. Auf 234 Seiten 46 Management-Instrumente zu 9 unterschiedlichen Management-Prozessen zu beschreiben, hat unweigerlich zur Folge, dass der Detailgrad nicht so hoch sein kann, wie es in Publikationen der Fall ist, die sich nur einer einzigen Management-Art annehmen. Der vierbändige Text „Kompetenzorientiertes Projektmanagement“ der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (2014) hat 2540 Seiten. Das Referenzwerk „Wissen managen“ von Probst et al. (2012) umfasst 331 Seiten. Das macht deutlich, dass man sich im Hinblick darauf, was die jeweiligen Management-Prozesse auszeichnet, im Text von Dehn & Zech nur ein Überblickswissen aneignen kann. Es ist allerdings zu betonen, dass es den Autor*innen nicht darum geht, ein Werk abzuliefern, in dem detailliert möglichst viele Konstitutionsmodi von Management-Prozessen aufgelistet sind. Zwecks dessen müssten sie eine mehrbändige Fachbuch-Reihe vorlegen. Ihnen geht es, davon zeugt schon der Untertitel „Handbuch“, darum, Leser*innen Werkzeuge an die Hand zu geben, die ermöglichen, dass Manager*innen in Sozialorganisationen sich und anderen Fragen stellen, die für das Gelingen von Prozessen relevant sind. Es geht um praktische Instrumente und Methoden, nicht um eine umfassende theoretische Auseinandersetzung mit der Materie. Wer so ein Methodenhandbuch sucht, wird von dem Werk von Dehn & Zech sicher nicht enttäuscht werde.
Der Aufbau des Buches ist logisch, das Schriftbild ist gut lesbar und die Abbildungen sind bis auf wenige Ausnahmen (S. 84, 106 und 129) gut zu erkennen. Zudem verzichten die Autor*innen weitestgehend auf Fremdwörter und Fußnoten, wodurch das Buch fast schon wie ein Ratgeber wirkt, ohne an wissenschaftlicher Fundierung einzubüßen. Das komplette Werk lässt sich an zwei Tagen problemlos durchlesen. Didaktisch geschickt ist, dass dem Anfang eines jeden Kapitels eine Zusammenfassung des „Lerngewinns“ vorangestellt ist. Dadurch kann man schnell entscheiden, ob die Lektüre eines Kapitels einem selbst einen Nutzen verspricht, oder ob man es auslassen kann, weil es für die eigene Management-Tätigkeit nicht relevant ist. Die einzelnen Kapitel bauen zwar teils logisch aufeinander auf, weil strategische Management-Entscheidungen und organisationskulturelle Gegebenheiten sich auf das Management auch auf operativer Ebene auswirken, die Kapitel sind aber auch für sich genommen gut verständlich. Das Buch ist damit auch für Leser*innen geeignet, die noch keinerlei Vorwissen zu Management-Prozessen und -Instrumenten haben. Zugute zu halten ist den Autor*innen auch, dass sie viele Materialien, die für gelingendes Management nützlich sein und das Verständnis mancher Methoden noch substantiieren können, unter www.artset.de kostenlos zum Download anbieten.
Wer schon viel über Sozialmanagement gelesen hat, findet bei Dehn & Zech rein inhaltlich zwar nicht unbedingt viel Neues, die Lektüre kann aber selbst für jene Leser*innen, die mit der Materie gut vertraut sind, bereichernd sei. Dies deshalb, weil die Autor*innen auf Instrumente eingehen, die tatsächlich praxisrelevant sind und – das weiß der Rezensent aus eigener Erfahrung in der Organisationsberatung – auch tatsächlich funktionieren (können). Positiv ab hebt sich „Gelingendes Management“ von vielen anderen Fachbüchern durch den hohen Praxisbezug. Dem Text ist anzumerken, dass die Autor*innen tatsächlich Praktiker*innen sind und nicht aus dem sprichwörtlichen Elfenbeinturm auf Managementprozesse blicken. Wer James March & Herbert Simons „Organizations“ (1993), Karl Weicks „Der Prozess des Organisierens“ (1987) oder Niklas Luhmanns „Organisation und Entscheidung“ (2006) gelesen hat, weiß, wie komplex es nicht nur in Sozialorganisationen mitunter zugehen kann. Entscheidungen werden hier nicht immer streng nach Logik, sondern teils nach Mülleimer-Façon getroffen. Handlungen, die eher zufällig zum Erfolg führten, werden im Nachhinein mit Bedeutung aufgeladen und umgedeutet. Hinzu kommt, dass Heuchelei und lose Kopplung von Reden und Handeln aufgrund des Zwangs, unterschiedlichen Stakeholdern gerecht werden zu müssen, keine Seltenheit sind. Es gibt ständig Interdependenzen und nicht intendierte Folgewirkungen von Entscheidungen, da sich Wirkungen mitunter erst zeitverzögert zeigen und Probleme, die teils auch systemstabilisierend sein können, oft erst dann angegangen werde, wenn sie so groß geworden sind, dass sie allein schon aus legitimatorischen Gründen nicht mehr kaschiert oder negiert werden können.
Kurzum: Unplanbarkeit und Zufälle sind in Organisationen allgegenwärtig. Es herrschen gebundene Rationalität und begrenztes Wissen, was Führungskräfte und Mitarbeiter*innen aber kaum je davon abhält, ihr Wissen auf andere Bereiche zu übertragen, aus Erfahrungen auf die Zukunft zu schließen und eigene Einflussmöglichkeiten konstant zu über- oder zu unterschätzen (vgl. March 2016 sowie Simon 1959). Viele der Instrumente, auf die Dehn & Zech in ihrem Text verweisen, sind sinnvoll, um zu versuchen, dieser Phänomene Herr zu werden. Das heißt wohlgemerkt nicht, sie zu überwinden und zu lösen. So ein Machbarkeitsphantasma wäre illusorisch allein schon deshalb, weil Menschen, die in Organisationen interagieren, keine trivialen Maschinen sind. Sie sind eigensinnig und lassen sich nicht so steuern wie Maschinen. Dem Rechnung tragend, geben Dehn & Zech den Leser*innen hilfreiche Instrumente an die Hand, um Menschen in Management- und Organisationsentwicklungsprozesse einzubinden und zu erfahren, was für diese bei der Arbeit (keinen) Sinn macht. Um erfolgreich und gelungen managen zu können, gilt es, Menschen überall in der Organisation metaphorisch gesagt mitzunehmen, ambiguitätstolerant zu sein, hierarchieübergreifend zu denken, Herausforderungen aktiv anzugehen und mit ihnen zu leben. Die Instrumente, die die Autor*innen auflisten und beschreiben, helfen dabei, das zu leisten.
Dehn & Zech ergänzen ihre Darlegungen um zahlreiche Abbildungen, die zum größten Teil dabei helfen, den Argumenten Substanz zu verleihen. Angenehm, weil an der Realität orientiert, sind auch die diversen Rekurse der Autor*innen auf den großen Einfluss, den Interaktionen von Menschen auf das Gelingen des Managements haben. Diese „weichen“ Faktoren sind nicht zu unterschätzen, werden in vielen Fachbüchern aber nur unzureichend gewürdigt. Dem ist hier nicht der Fall. Ein Aspekt, der sich als roter Faden durch den Text zieht, sind die zahlreichen Fragen, die zu stellen die Autor*innen für gelingendes Management als essenziell erachten. Dehn & Zech betonen zwar den Nutzen von Instrumenten im Management, machen aber ebenfalls deutlich, dass es zwecks dessen Gelingens weit mehr als das Zur-Anwendung-Bringen von Instrumenten und Fachwissen bedarf. Warum genau tun wir das (nicht)? Was unterscheidet uns von Wettbewerber*innen? Wofür stehen wir? Wo müssen wir und verbessern? Und warum? – Solche und ähnliche Fragen, die zur kritischen Selbstreflexion anregen, sind zahlreich und wechseln sich im Text mit den Darlegungen von Methoden ab, die anzuwenden hilfreich sein können, um besagte Fragen zu beantworten.
Ein Kritikpunkt ist aus Sicht des Rezensenten lediglich, dass einige Themen wie Paradoxien, Heuchelei und Tabus, die in Organisationen durchaus Einfluss darauf haben können, ob Management gelingt (siehe Brunsson 2003 sowie Saller et al. 2016), von Dehn & Zech kaum – oder nur sehr kurz – aufgegriffen werden. Paradoxien, die sich aus Zielkonflikten und Rollendivergenzen ergeben, finden sich in Sozialorganisationen einige. Gleiches gilt für Thematiken, über die in Organisationen offiziell oft nicht geredet wird und die bewusst „übersehen“ werden (müssen), um erfolgreich zu managen. Auch der Aspekt des Sinns von Metaphern und Bildern, die im Management höchst bedeutsam, mitunter aber auch gefährlich sein können, wie Gareth Morgan in „Images of Organization“ (2006) dargelegt hat, bleibt in „Gelingendes Management“ weitgehend unerwähnt. Das ist schade, denn auch Paradoxie-Management und Metaphorik können dazu beitragen, dass Management gelingt. Zudem verwundert es, dass die Autoren die „dunkle Seite“ des Wissensmanagements gar nicht erwähnen bzw. die potenziellen Gefahren des Unterfangens, Wissen managen zu wollen, die James March & Daniel Levinthal (1999) bereits vor über 20 Jahren dargelegt haben, unerwähnt lassen. Die Auseinandersetzung mit diesen Punkten ist in einem Handbuch zwar nicht zwingend, sie hätte das Werk aber sicher noch bereichert und kann für die nächste Auflage empfohlen werden.
Fazit
Dehn & Zech zeichnen eines positives Bild dessen, wie Management trotz mancher Hürden, die das Sozialwesen prägen, gelingen kann. Mit „Gelingendes Management“ setzen sie ein Statement, das als Imperativ verstanden werden kann. Die Autor*innen wollen aufzuzeigen, wie Management nicht nur stattfindet, sondern dadurch gelingt, dass ihm seitens derjenigen, die an ihm beteiligt sind und auf die Management wirkt, Sinn zugesprochen wird. Die Autor*innen gehen mit einer Unterstellung des Gelingens an ein komplexes Thema, ohne einem naiven Positivismus anheimzufallen. Dem in so manchen Sozialorganisationen von Fach- und Führungskräften zu hörenden Tatschlagargument „Das klapp hier sowieso nicht“ setzen Dehn & Zech ein entschiedenes „Das kann sehr wohl klappen, wenn…“ entgegen. Ihr Buch ist eine praxisorientierte, wissenschaftlich fundierte Hilfestellung für das Erreichen ganzheitlichen organisationalen Erfolges, in dem vor allem die Bedeutung des Erlebens von Sinnhaftigkeit in den Vordergrund gerückt wird. Die Lektüre kann all jenen Praktiker*innen mit Management-Verantwortung empfohlen werde, die ihr Fachwissen auffrischen wollen. Wer ganz neu auf einem Posten mit Management-Verantwortung sitzt, profitiert ebenfalls vom Text, da er/sie mit Instrumenten vertraut gemacht wird, die in der Praxis nützlich sein können. Unter all den Methoden-Handbüchern, die sich zum Thema Sozialmanagement finden, ist das Buch „Gelingendes Management“ eines der Besten. Wer nur ein Werk zu dieser Thematik lesen will, macht mit dem hier Besprochenen nichts falsch. Wer nicht nur Methoden kennenlernen, sondern sich fundiert zu Fragen der Organisationskultur und Kompetenzdiagnostik, des Wissens- oder Projektmanagement etc. weiterbilden will, wird allerdings nicht umhinkommen, sich zusätzlich um weitere Fachliteratur zu bemühen, die noch mehr Informationen zu den angesprochenen Themen liefern. Das kann ein einziges Handbuch nicht leisten.
Literatur
Brunsson, N.: The Organization of Hypocrisy. Kopenhagen 2006
Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement: Kompetenzorientiertes Projektmanagement. Band 1–4. Nürnberg 2014
Dieckbreder, F.; Haase, B.: Management des Sozialen: Inspiriert diakonisch handeln. Göttingen 2021
Dörner, D.: Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek bei Hamburg 2003
Gesmann, S.; Merchel, J.: Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Heidelberg 2019
Kortendieck, G.: Strategisches Management im Sozialen Bereich. Regensburg 2017
Lambers, H.: Management in der Sozialen Arbeit und in der Sozialwirtschaft. Weinheim & Basel 2015
Luhmann, N.: Organisation und Entscheidung. Wiesbaden 2006
March, J. G.; Simon, H. A.: Organizations. Cambridge 1993
March J. G.; Levinthal, D.: The Myopia of Learning. In: March, J. G.: The Pursuit of Organizational Intelli-gence. London 1999. S. 193–220
March, J. G.: Zwei Seiten der Erfahrung. Wir Organisationen intelligenter werden können. Heidelberg 2016
Merchel, J.: Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Weinheim & Basel 2015
Morgan, G.: Images of Organization. Updated Edition. Thousand Oaks, CA, 2006
Probst, G. et al.: Wissen managen. Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen. Wiesbaden 2012
Saller, T. et al.: Tabu. Versteckte Regeln und ungeschriebene Gesetze in Organisationen. Freiburg 2016
Simon, H. A.: Theories of Decision-Making in Economics and Behavioral Science. In: The American Economics Review. Vol 49, No. 3, Jun. 1959, S. 253–283
Weick, K. E.: Der Prozess des Organisierens. Frankfurt am Main 1995
Rezension von
Prof. Dr. Christian Philipp Nixdorf
Sozialwissenschaftler, Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH), Sozial- und Organisationspädagoge M. A., Case Management-Ausbilder (DGCC), Systemischer Berater (DGSF), zertifizierter Mediator, lehrt Soziale Arbeit und Integrationsmanagement an der Hochschule der Wirtschaft für Management (HdWM) in Mannheim.
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Zitiervorschlag
Christian Philipp Nixdorf. Rezension vom 04.03.2021 zu:
Claudia Dehn, Rainer Zech: Gelingendes Management. Handbuch für Organisationen der Bildung, Beratung und sozialen Dienstleistung : mit 46 Managementinstrumenten aus der systemischen Beratungspraxis. Vandenhoeck & Ruprecht
(Göttingen) 2021.
ISBN 978-3-525-40702-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/28052.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.
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